NSU-Prozess


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121. Verhandlungstag Angeklagter lehnt Gericht als befangen ab

Im NSU-Prozess lehnt der mitangeklagte Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben alle fünf Richter des zuständigen Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dann verweigerte der einize Zeuge des Tages die Aussage.

Stand: 02.07.2014 | Archiv

Böhnhardt und Zschäpe  | Bild: picture-alliance/dpa

Ein anderer Senat des Oberlandesgerichts muss jetzt darüber entscheiden, ob die Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen werden. Das könne mehrere Tage dauern, sagte eine Justizsprecherin. Bis dahin wird der Prozess mit der bisherigen Besetzung fortgesetzt. Vor allem die Aussagen des geständigen Mitangeklagten Carsten S. zur Beschaffung der “Ceska“-Pistole und der Bezahlung der Waffer werte das Gericht einseitig und selektiv. S. habe an vielen Stellen widersprüchlich ausgesagt und sich an anderes nicht mehr richtig erinnert, sagte Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders. Wohlleben sitzt seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft.

Zeugenbefragung verzögert sich

Erst nach mehreren Unterbrechungen konnte das Gericht mit der Vernehmung des einzigen Zeugen des Tages beginnen. Es handelt sich um einen Mann, der als Organisator rechtsradikaler Kameradschaften und militanter Skinheadgruppen eine wichtige Rolle im Umfeld der NSU gespielt haben soll. Über seine Verbindungen zu den militanten Hammerskins verweigerte er mehrfach die Aussage. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl drohte ihm eine Ordnungsstrafe an. Die Hammerskins gelten als militante Skinheadgruppe aus dem Umfeld des NSU.

Der Zeuge räumte ein, wegen mehrerer Gewalttaten dreieinhalb Jahre im Gefängnis gesessen zu haben. In Haft habe er viele Kontakte geknüpft und seine spätere Freundin kennengelernt, die ihm als Mitglied einer neonazistischen Gefangenenhilfe Briefe ins Gefängnis schickte und ihn dort auch besuchte. Den Namen und die persönlichen Daten dieser Frau benutzte Beate Zschäpe später im Untergrund. Nach der Freilassung sei er politisch noch aktiver gewesen als vorher und habe vor allem Kontakt zu dem Mitangeklagten Wohlleben und einem weiteren Unterstützer gepflegt. Richter Götzl kündigte an, dass er den Zeugen ein weiteres Mal laden wird.

Rückblick: der 120. Prozesstag

Die NSU-Mordwaffe vom Typ "Ceska"

Am 26. Juni hatte ein Bankräuber, Mitglied der sogenannten Schlapphut-Bande, vor Gericht bestritten, Kontakte zum "Nationalsozialistischen Untergrund" gepflegt zu haben. Ein in Polen inhaftierter früherer Komplize hatte u.a. ausgesagt, der im NSU-Prozess mitangeklagte Ralf Wohlleben, habe der Bande eine Waffe besorgt.

Eine als Zeugin geladene Polizeibeamtin gab ebenfalls am 120. Prozesstag zu Protokoll, dass die Fahnder beim ersten Sprengstoff-Anschlag des NSU offenbar nicht alle Spuren verfolgt haben. Nach der Explosion im Lebensmittelladen einer deutsch-iranischen Familie im Jahr 2001 in Köln habe die Polizei die Fahndung auf die Stadt beschränkt.

Der NSU

Die Mitglieder der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) sollen zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen umgebracht und bei zwei Sprengstoffanschlägen 23 Menschen verletzt haben. Das Motiv soll Hass auf Zuwanderer und den Staat gewesen sein.


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