NSU-Prozess


10

152. Tag im NSU-Prozess Wie oft war das NSU-Trio in Baden-Württemberg?

Die Polizistin Michèle Kiesewetter wurde 2007 in Heilbronn in Baden-Württemberg ermordet - mutmaßlich vom NSU. Eine Kriminalhauptkommissarin sagte heute im NSU-Prozess aus, mehrere Zeugen hätten Beate Zschäpe vor der Mordserie in diesem Bundesland gesehen.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 21.10.2014 | Archiv

Mordserie Neonazis  - Trauer um Polizistin Michele Kiesewetter | Bild: picture-alliance/dpa

Namen und Daten, Orte und Zuständigkeiten bei der Polizei - wie am Fließband lieferte heute eine Kriminalhauptkommisarin aus dem Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg Details zu den sogenannten Umfeldermittlungen. Das sind jene Recherchen der Polizei, die all jenen Personen gelten, mit denen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den vergangenen 20 Jahren zu tun hatten. Die Beamtin, die bereits seit 2007 mit den Ermittlungen nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter betraut gewesen war, stellte sich da als sprudelnde Quelle heraus. Sie hatte Dutzende dieser Kontaktpersonen aus der rechten Szene - etwa in Ludwigsburg - vernommen. Zentral ging es um die Frage, ob und wie oft sich Zschäpe und die beiden Uwes in Baden-Württemberg aufgehalten hatten. Hinweise gab es vor allem zu den Jahren vor dem Beginn der Mordserie und vermutlich auch vor dem Untertauchen des Trios. Mehrere Zeugen sollen sich an die Hauptangeklagte in diesem Prozess, Beate Zschäpe, erinnert haben - und auch an Mundlos. Einige wenige meinten auch, Böhnhardt gesehen zu haben. Ein Szene-Keller in Ludwigsburg sei damals der Treff der Rechten gewesen. Erinnerungen, ob dort nur getrunken oder auch politisiert wurde, hatte angeblich aber keiner der Befragten. 

Gebremst wurde die Flut der Details immer nur dann, wenn es um noch laufende Ermittlungen ging. Dazu hatte die Kriminalbeamtin keine Aussagegenehmigung. Denn noch immer haben das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft einige Rechte im Visier. Untersucht wird, ob und in welchem Umfang diese eine terroristische Vereinigung - also den NSU - unterstützt haben. Und ob es noch weitere, bisher nicht entdeckte Straftaten gibt, die auf das Konto des Trios gehen.

Eine Unternehmerin als Waffenkurier?

Mehr als zwei Stunden hatte der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts München am Vormittag des 152. Tages im NSU-Prozess eine 54-jährige Werbeunternehmerin aus Thüringen vernommen. Bei ihr handelt es sich um die ehemalige Freundin eines Schweizers, der im Verdacht steht, an der Beschaffung der berüchtigten Ceska-Pistole beteiligt gewesen zu sein. Mit der 7,65-Millimeter-Pistole waren neun der zehn Morde verübt worden, die den Neonazi-Terroristen zur Last gelegt werden. 

Mit dem Schweizer, der sich standhaft weigert, zur Vernehmung im Prozess nach München zu kommen, war die Frau unmittelbar nach der Wende drei Jahre lang liiert. Gemeinsam betrieb das Paar einen Gebrauchtwagenhandel. Dabei wurden auch Fahrzeuge aus der Schweiz in die Neuen Bundesländer gebracht. Der von ihrem Ex-Freund angeblich aufgestellten Behauptung, sie habe bei einer dieser Fahrten die Ceska-Pistole mit nach Deutschland gebracht, widersprach die Frau energisch: "Ich wäre an der Grenze vor Angst gestorben!" Dass ihr damaliger Lebensgefährte Schütze war und mit Freunden immer wieder über Waffen sprach, war der Zeugin bekannt. Sie selbst habe jedoch mit Waffen nie etwas zu tun gehabt, sagte die 54-Jährige im Zeugenstand.

Der Vernehmung der Frau hatten zu Beginnn der heutigen Verhandlung sowohl die Anwälte des Angeklagten Ralf Wohlleben widersprochen als auch die Verteidiger von Zschäpe. Sie sprachen dabei von Prozessverschleppung. Allerdings bestand die Bundesanwaltschaft auf der Anhörung der aus Apolda stammenden Frau. Daraufhin kam der Senat nach kurzer Beratung zu dem Schluss, die Zeugin zu hören. Die allerdigs muss noch ein weiteres Mal im Zeugenstand auftreten. Der Grund: In den Aktenbeständen der Bundesanwaltschaft fand sich das Protokoll einer Vernehmung der Frau, das offensichtlich nicht Eingang in die Prozessakten gefunden hatte. Dieses wurde heute nachgereicht, kopiert und verteilt. Erst wenn alle Verfahrensbeteiligten die Protokolle gelesen haben, kann die Thüringer Unternehmerin erneut nach München geladen werden.

Der Prozess

Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) werden unter anderem zehn Morde zur Last gelegt. Opfer waren neun Menschen mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin.


10