NSU-Prozess, 169. Tag "Vor dieser Bundesanwaltschaft muss kein Neonazi Angst haben"
Welche Fragen sind wichtig für den NSU-Prozess? Am 169. Verhandlungstag erklärte die Bundesanwaltschaft so manche für irrelevant. Ein Opfer-Anwalt reagierte daraufhin sehr ungehalten.
B. sitzt schon zweiten Mal im Zeugenstand beim NSU-Prozess. Spielte sie eine Rolle bei der Beschaffung eines Passes für Beate Zschäpe? Hat sie sich um die Finanzierung des rechten Netzwerkes "Blood & Honour" gekümmert? Inwiefern wusste sie Bescheid über Waffen, die in der rechten Chemnitzer Szene kursierten?
Die Zeugin war mit W. verheiratet. Er musste letzte Woche vor dem Münchner Oberlandesgericht aussagen und machte Andeutungen, dass er seine Ex-Frau durchaus belasten könnte. W. betrieb Mitte der 90er Jahre einen Szeneladen. Seine damalige Frau B. stand dort hinter dem Tresen. Die Zeugin spielte zudem in der rechten Band "AEG" und produzierte einen Sampler mit dem Titel "Oi für Deutschland!" Für viele Vertreter der Nebenklage ist die Zeugin von großer Bedeutung, weil sie Angaben machen könnte über die vermeintlichen Verstrickungen des "Blood & Honour"-Netzwerks in Chemnitz mit der terroristischen Vereinigung NSU, der Böhnhardt, Mundlos und die Hauptangeklagte, Beate Zschäpe angehört haben sollen.
"Ich war da außen vor!"
Die Zeugin gibt sich wortkarg, antwortet auf die Fragen des Vorsitzenden einsilbig. Auf die Frage, worum es in den Texten auf Konzerten, die von der rechten Szene organisiert worden waren und die sie besucht hat, gegangen war, antwortet B.: "Es ging um den Zusammenhalt und um ein weißes Europa." Der Richter fragt nach: "Spielte Gewaltanwendung eine Rolle in den Texten?" Die Zeugin antwortet: "Joaah. Kann schon sein. Also, mir sind jetzt nicht alle Lieder und Texte geläufig. Ich kann auch kein besonders gutes Englisch." Überhaupt will B. nicht viel von dem "Blood & Honour"-Netzwerk mitbekommen haben. "Ich war ja das einzige Mädchen bei uns. Die Jungs haben mich bei vielem rausgelassen. Die Frauen haben da an den Kochtopf gehört. Ich war sehr naiv damals. Ich kann es nicht einschätzen, was die Jungs da besprochen haben. Ich war da außen vor." Mit ihr habe auch niemand über Waffen gesprochen. Und sie habe nie zwei Pässe besessen oder einem Dritten ihren eigenen Pass überlassen. Das widerspricht den Aussagen, die S. vor einigen Wochen vor dem Staatsschutz-Senat gemacht hat.
Was ist relevant fürs Verfahren?
Um diese Frage drehte sich der ganze 169. Prozesstag. Für den Vorsitzenden Richter ein schmaler Grat. Mehrmals unterbricht er die Sitzung, um über die von der Verteidigung beanstandeten Fragen durch die Verteidigung zu beraten und zu entscheiden. Zum Beispiel hält Alexander Hoffmann, ein Vertreter der Nebenklage, der Zeugin einen Bericht über eine Spendenaktion für einen rechten Anhänger der "White Supremacy", auf deutsch "Weiße Überlegenheit" vor. B. soll damals 1.500 DM auf ein Spendenkonto überwiesen haben. Die Zeugin kann sich nicht erinnern: "Das ist so lange her." Die Verteidigung von Zschäpe kritisiert die Fragen des Nebenklagevertreters. Wolfgang Stahl findet, dass sie sich nicht mehr um den Gegenstand des Prozesses drehen. Auch die Bundesanwaltschaft merkt an, dass sich die Fragen auf Taten beziehen, die längst verjährt seien. Yavuz Narin, ein Nebenklagevertreter, merkte daraufhin an: "Bei dieser Bundesanwaltschaft muss sich kein Neonazi Sorgen machen, verfolgt werden!"
"Wir betreiben hier kein Repetitorium!"
Der Vorsitzende Richter, Manfred Götzl, geht wenig später auf eine andere, beanstandete Frage ein und macht einen Verbesserungsvorschlag. Daraufhin beschimpft Wolfgang Heer, einer von Zschäpes Verteidigern, den Richter: "Herr Vorsitzender, wir betreiben hier kein Repetitorium. Sie heißen auch nicht Alpmann oder Schmidt. Sie geben hier unzulässiger Weise den Nebenklägern Hilfestellung." Der Verteidiger von Ralf Wohlleben legt nach: "Sie beeinflussen das Verfahren mit ihren Verbesserungen, Herr Vorsitzender!" Götzl ließ sich von dieser massiven Kritik nicht aus der Ruhe bringen. Die Zeugin kam am Nachmittag kaum noch zu Wort. Die Nebenklagevertreter und die Verteidiger tauschten stattdessen ihre Argumente über die Zulässigkeit von Fragen miteinander aus.