NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 333. Tag Zschäpes Erklärung - Bekenntnis oder Schutzbehauptung?

Eigentlich war im NSU-Prozess für heute erneut die Einvernahme des Sachverständigen Henning Saß vorgesehen, der sein forensisch-psychiatrisches Gutachten zu Beate Zschäpe vorlegen sollte. Doch die Zschäpe-Verteidigung hat die Aussage von Saß einmal mehr herausgezögert: Durch mehrere Anträge und eine unerwartete Erklärung der Hauptangeklagten.

Von: Thies Marsen

Stand: 10.01.2017 | Archiv

Henning Saß | Bild: pa/dpa/Tobias Hase

Eigentlich war im NSU-Prozess für heute erneut die Einvernahme des Sachverständigen Professor Henning Saß vorgesehen, der sein forensisch-psychiatrisches Gutachten zu Beate Zschäpe vorlegen sollte. Doch die Zschäpe-Verteidigung hat die Aussage von Saß einmal mehr verhindert – durch mehrere Anträge und eine unerwartete Aussage der Hauptangeklagten.

"Wenn ich den Eindruck fehlenden Leidens oder fehlender Bedrücktheit vermittelt habe, so ist dieser Eindruck damit zu erklären, dass ich mich auf anwaltlichen Rat so verhalten habe. Eine betont kontrollierte Ausstrahlung wurde so für mich ein Rückzugsort einer vermeintlichen Sicherheit." – Mit diesen Worten hat Beate Zschäpe heute ihr bisheriges weitgehend emotionsloses Verhalten im NSU-Prozess gerechtfertigt. Ihr Verteidiger Mathias Grasel verlas – völlig überraschend – eine mehrseitige persönliche Erklärung der Hauptangeklagten. Darin betont Zschäpe, sie habe sich nur deshalb so verhalten, um nicht psychisch zusammenzubrechen. Außerdem hätten sie ihre ursprünglichen Verteidiger, von denen sie sich inzwischen distanziert hat, angewiesen, zu schweigen und möglichst wenig Regungen zu zeigen. Sie sei jedoch von vielen Zeugenaussagen, insbesondere von Angehörigen der NSU-Opfer, erschüttert gewesen. Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer, der Angehörige des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubaşık vertritt, zeigte sich von Zschäpes Aussagen jedoch wenig beeindruckt:

"Also, es fiel mir schwer, bei dieser Erklärung im Raum zu bleiben, weil sie gesagt hat, sie würde ehrlich bedauern, aber trotzdem weiter keine Frage beantworten, das solle man ihr nicht übel nehmen. Das halte ich für ziemlich daneben, ich halte das für taktisch, und es wird wahrscheinlich nicht verhindern, dass sie verurteilt wird."

Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer

Zschäpe steht mit dem Rücken zur Wand

Tatsächlich erfolgte Zschäpes Erklärung in einer Situation, da die Angeklagte juristisch immer mehr mit dem Rücken zur Wand steht. Nach Auffassung vieler Beobachter haben sich die Vorwürfe der Anklageschrift weitgehend bestätigt. Zschäpe droht damit eine hohe Haftstrafe, und anschließend die sogenannte Sicherungsverwahrung. Dazu hätte heute eigentlich der Sachverständige Professor Henning Saß im NSU-Prozess aussagen sollen. Von seinem forensisch-psychiatrischen Gutachten zu Zschäpe hängt es maßgeblich ab, ob die Angeklagte damit rechnen kann, irgendwann wieder in Freiheit zu kommen, oder ob sie bis ans Lebensende in Sicherungsverwahrung bleibt. Ihre Verteidigung versucht deshalb schon länger, die Fachkompetenz des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Zschäpe hat sich geweigert, mit ihm überhaupt zu sprechen. Was den Wert des Gutachten für das Oberlandesgericht jedoch nicht schmälere, wie Gerichtssprecherin Andrea Tietz betont:

"Es ist nicht selten, dass Angeklagte sich von Sachverständigen nicht untersuchen lassen und dass dann der Sachverständige aus dem Inbegriff Hauptverhandlung und der Aktenlage seine Erkenntnisse gewinnen muss, aber allein der Umstand, dass der Angeklagte nicht mit dem Angeklagten spricht, macht Gutachten nicht von vornherein wertlos."

Gerichtssprecherin Andrea Tietz

Vortrag des Sachverständigen erneut verhindert

Immerhin gelang es Zschäpes Verteidigung heute zum wiederholten Male, die Aussage des Sachverständigen zu verhindern - mittels diverser Anträge - so wollen sie unter anderem erreichen, dass dessen Vortrag aufgenommen wird. Allerdings sind Tonband-Mitschnitte in deutschen Gerichten die absolute Ausnahme - und es ist wenig wahrscheinlich, dass das Münchner Oberlandesgericht eine solche machen wird. Die Vernehmung des psychiatrischen Gutachters wurde dennoch erneut vertagt. Das werde jedoch grundsätzlich gar nichts ändern, glaubt Nebenklage-Anwalt Bernd Behnke: ebenso wenig wie die heutige Erklärung Beate Zschäpes.

"Diese Aussage ist eine reine Schutzbehauptung. Dieser Versuch, letzte Versuch von ihr, den Eindruck im Prozess für sie zu verbessern, der wird gründlich schiefgehen."

Nebenklageanwalt Bernd Behnke

Auch Opfer-Anwalt Sebastian Scharmer glaubt, dass sich Beate Zschäpe mit ihrer heutigen Erklärung keinen Gefallen getan hat, ganz im Gegenteil:

"Frau Zschäpe hat gesagt, sie hat 13 Jahre die Fassade aufrecht erhalten, sie war manipulativ, sie hat sich verstellt. Und genau dieses Verhalten setzt sie in diesem Prozess fort und da darf man sich fragen: Was stimmt denn jetzt, was steckt dahinter und was glaubt man ihr? Das ist die Quintessenz, die ich aus der Aussage heute ziehe: Dass sie eine der wichtige Figuren im NSU-Kerntrio war, die nach außen den Schein gewahrt hat, um die Taten erst zu ermöglichen."

Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer

Wann der forensische Gutachter Professor Saß nun vor dem Oberlandesgericht sein Gutachten vorstellen wird, ist unklar. Morgen sollen erst einmal Erklärungen von Seiten der Prozessbeteiligten zu den Anträgen der Zschäpe-Verteidigung abgegeben werden.


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