Tageszusammenfassung, 345. Tag, 09.02.2017 Zschäpe lässt Verteidiger auflaufen
Am 345. Verhandlungstag wird der Bruch zwischen Beate Zschäpe und drei ihrer Anwälte erneut sichtbar. Die Hauptangeklagte verweigert einem Antrag, den drei ihrer Pflichtverteidiger stellen wollen, die Zustimmung.
Welche Verteidigungsstrategie hat Beate Zschäpe? Zumindest keine einheitliche. Das wurde nun einmal mehr klar, als die Hauptangeklagte ihre drei sogenannten Altverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl im Regen stehen ließ. Sie tat das, obwohl die drei schon seit Tagen versuchen im Interesse Zschäpes das psychiatrische Gutachten über die Hauptangeklagten in Frage zu stellen.
Die Einschätzungen des psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß waren für Zschäpe juristisch verheerend ausgefallen. Der Gutachter bezweifelt ihre Angaben , wonach sie von den NSU-Morden immer erst im Nachhinein erfuhr und die Taten eigentlich ablehnte.
Verteidiger versuchen Gutachten zu erschüttern
Zschäpes Verteidiger Heer, Stahl und Sturm wollen unbedingt, dass der Sachverständige Saß im Prozess seine handschriftlichen Notizen vorlegt, auf deren Basis er zu seinen Schlussfolgerungen über Zschäpe kam. Saß weigert sich bisher und erhält dabei Rückendeckung vom Gericht.
Zschäpe fällt Anwälten in den Rücken
Als die Zschäpe-Anwälte Heer, Stahl und Sturm nun einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht formulieren wollten und dafür um eine Pause baten, verweigerte Zschäpe dem Antrag ihre Zustimmung. Die ist nach geltender Rechtsauffassung aber nötig.
Zschäpe juristisch schlecht beraten?
Zschäpe ließ ihre drei ungeliebten Verteidiger, Heer, Stahl und Sturm, also auflaufen, obwohl es eigentlich in ihrem Interesse sein müsste, das Gutachten in Frage zu stellen. Die Hauptangeklagte berät sich aber nur noch mit ihren zwei weiteren Verteidigern, Hermann Borchert und Mathias Grasel, die den Befangenheitsantrag offenbar für nicht notwendig halten.
Auch ihnen ist es bisher aber nicht gelungen, die Einschätzungen des psychiatrischen Gutachters in Zweifel zu ziehen und ihrer Mandantin droht, kurz vor Ende der Beweisaufnahme, eine Verurteilung wegen Mittäterschaft an den NSU-Taten.
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EMGI, Donnerstag, 09.Februar 2017, 19:16 Uhr
1. Die Verteidigerstrategie
der sog. Altverteidiger war die richtige: überhaupt nichts sagen. Denn aus dem Schweigen darf kein negativer Schluss für die Angeklagte gezogen werden. Als die aber merkte, dass es eng wird, wollte sie sich doch lieber ein wenig äußern. Und das ist dann tödlich. Denn: aus einem dann notwendig immer folgenden Teilschweigen z.B. auf Nachfragen des Gerichts oder der anderen Prozessbeteiligten kann man sehr wohl negative Schlüsse gegen die Angeklagte ziehen. Die Prognose sei gewagt, dass sie sehr, sehr lange, vielleicht für immer drinnen bleiben wird.