Rosenheimer Benefizaktion Ein Krankenwagen für Sierra Leone
Ludwig und Dominik Elmer fahren durch Afrika nach Sierra Leone. Ihr VW-Bus ist ein Krankenwagen, der mit Hilfe von Spenden gekauft werden konnte. Er ist für ein Krankenhaus in der Hauptstadt Freetown gedacht und soll pünktlich an Weihnachten dem dortigen Caritas-Direktor übergeben werden. Am 8. Dezember sind sie in Rosenheim losgefahren. Hier berichten Sie von Ihrem Benefiz-Abenteuer.
Wir sind unterwegs zum korruptesten und schwierigsten Grenzübergang in Afrika. Gestern führte uns unser Weg auf der Schlaglochstrasse von Nouadhibou in die Haupstadt von Mauretanien Nouakchott.
Neun Zoll- und Polizeistationen lagen auf diesem Weg, die wir außerordentlich gut meisterten. Wir bekamen die "Lektion 1" in Arabisch und können nun bis 10 zählen. 5 heißt "Hamster" und 10 "asra". Das dazwischen haben wir schon wieder vergessen.
Unsere Fußbälle waren bei den Polizisten wieder hoch im Kurs und ein hier wohl verschriener 'Hygenefanat' wollte eine Zahnbürste. Um ca 16:00 Uhr erreichten wir nach einigen Umleitungen die 'Cathedral de Nouakchott' wo wir im Haus der Diözese ein Zimmer bekamen.
Wir spazierten dann los, um die Stadt zu erkunden. Wir kamen vorbei am wuseligen Markt, wo man Schafe in größeren Frauenhandtaschen kaufen kann, Hühner schlachtfrisch bekommt und irgendwelche Stöckchen, auf denen man hier zu kauen pflegt. Dann wurden wir in die Mosche von einem jungen Mann begleitet, der später von anderen verscheucht wurde.
Es war auch die Straße der Botschaften. Das Gelände der russischen und der französischen Botschaft war so groß, dass wir das Ende der Grenzmauer nur erahnen konnten.
Und da war sie: schwarz-rot-gold blinzelte uns die deutsche Botschaft entgegen. Da wir Zeit hatten, lasen wir die Aushänge im Schaukasten. Es gab hier auf Deutsch wichtige Information zu Mauretanien und Notfallnummern. Dominik machte vorsichtshalber ein Foto davon.
Aufgeregt stürmte die GSG 9 der mauretanischen Polizei auf uns zu nahm Dominik das Handy und übergab es dem Konsulat. Nach kurzer Zeit kam Polizist Müller, um uns das Handy wiederzugeben und erklärte uns in sächsischem Dialekt, dass die Polizisten hier vor dem Konsulat sehr nervös sind, weil dieser Stützpunkt als Krisengebiet eingestuft ist. Krisengebiet bedeutet höhere Besoldung und mehr Urlaubstage, sagte uns später der Bischof.
Wir waren nämlich bei Bischof Happe, der ursprünglich aus Münster stammt, zum Abendessen eingeladen. Es gab Bier und deliziösen französischen Militär-Kartoffelauflauf aus der goldenen Dose.
Er betonte, dass es der einzige Ort in der ganzen Stadt ist, wo man 'lecker Dosenbier' bekommt. Hier ist der Bischof übrigens sein eigener Chauffeur, seine eigene Haushälterin und sein eigener Stellvertreter.
In der Nacht hielten Dominik vier in Hochfrequenz surrende Stechmücken auf Trab, die nicht einmal in die Nähe von mir kamen. Der Beweis ist also erbracht: Dominik ist eindeutig der Süßere von uns beiden.
Im Haus der Diözese Nouakchott wohnen auch zwei Ordensschwestern, Adele aus Indien und die zweite aus dem Senegal. Sie haben sich rührig um uns gekümmert und auch gleich den Pfarrer, der an der Grenze zum Senegal wohnt, informiert, dass wir jemanden für einen reibungslosen Grenzübergang brauchen.
Für die folgenden 200 Kilometer zur Grenze in Rosso brauchten wir geschlagene viereinhalb Stunden, da die Straße mehr Löcher hat als ein Emmentaler.
Einziges Highlight war das Auto vor uns, das zwei Ziegenböcke auf dem Dach des Autos zwischen mehreren Taschen festgeschnürt hatte. In Rosso angekommen, begrüßte uns Pfarrer Briece, der für uns schon alles in die Wege geleitet hatte.
Er hätte uns gerne zum Übernachten und zum Abendessen eingeladen, aber wir wollten ja noch über die Grenze kommen. Die schließt nämlich schon um 18:00 Uhr. Also schickte er zwei seiner Jünger mit uns aus, um noch über die Grenze zu kommen.
Wir lernten mit ihnen den absoluten Profischleuser kennen, der im Handumdrehen mit vier Laufburschen alle Dokumte, Stempel und Formalitäten inkl. Buchung der Fähre und Versicherung fürs Auto in Afrika erledigte.
Ständiges Händeschütteln, Beiseitenehmen der Beamten, Schulterklopfen und die 'stille Post' der Scheine waren sein Geheimrezept. Aber alles in voller Ruhe. Wir durften auf die Fähre und nach Senegal übersetzen. Hier angekommen, ging die Prozedur von Neuem los.
Anfangs gestaltete sich alles ganz fein. Wir dachten jetzt haben wir’s gleich geschafft. Und da beginnt sie die 'unglaubliche Geschichte' der beiden Elmer Brothers in Senegal. Unser Schleuser inklusive seinen Gehilfen, der mit uns auch nach Senegal gekommen war und uns alle Häuptlinge der Grenze vorgestellt hatte, meinte, jetzt brauchen wir nur noch einen Stempel und verabschiedete sich.
Es sah alles so leicht aus - zu leicht! Wir mussten nochmal einen Kilometer nach der Grenze parken und das Auto wurde gründlich begutachtet und ständig sprach man von einem 'service d’escorte'.
Man erklärte uns aber nicht, was das zu bedeuten habe und warum wir etwa begleitet werden müssten und wir sollten uns eine senegalesische Telefonnummer zulegen.
Aha! Ich durfte mit einer Mofa-Gang zurück in die Stadt fahren und kaufte dort auf der Straße meine neue Nummer. Die Polizei argumentierte diese Anordnung damit, dass sie uns aus Sicherheitsgründen erreichen wolle und wissen wollte, wo wir gerade im Land sind.
Wir bekamen einen Zettel, auf dem unsere Route festgelegt wurde. Jetzt sollten wir nur noch auf die Chefin warten, die uns noch sehen wollte. Die fünf Polizisten, die ihren Dienst in einem Holzverschlag verrichteten, der nicht größer als 2,5 Meter mal 2,5 Meter war, wussten auch nicht, wie lange es noch dauern würde. Die gute Dame hatte es nicht eilig. Wir durften zwei Stunden warten.
Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon sehr hungrig! Man könnte sagen: unterzuckrig beziehungsweise gereizt.
Sie war ja auch ganz reizend, bis sie uns ihre Auflagen für die Weiterfahrt erklärte: sagen wir - wir sind jetzt als die Heiligen Drei Könige unterwegs.
Auch der Nachmittag des 15. Dezember gestaltete sich sehr erlebnisreich. Kaum hatten wir die Geschichte mit dem Huhn überwunden, fetzte ein Kamikaze-Vogel haarscharf an unserer Windschutzscheibe vorbei.
Unserer Strichliste zufolge, passierten wir ab Mittag zehn Polizei- und Zollstationen, sieben davon wollten ein kleines Geschenk und ein kleiner Nimmersatt wollte 30 Euro für meine Raserei haben.
Anscheinend war ich statt der zulässigen 80 Stundenkilometer 100 gefahren - lustig war jedoch, dass dieser die österreichische Methode des Schätzens anwandte. Weit und breit war kein technisches Gerät zu sehen, außer die beiden Stühle und der Tisch in meinem Vernehmungskammerl.
Alle anderen konnten wir mit kleinen Fußbällen zufrieden stellen, die sie beim ersten Kontrollblick in unserem Auto erhaschten. Auffällig war, dass sich die Polizisten immer unser Kennzeichen in die Handinnenfläche notierten.
Nachdem jeder Polizist auf unserer Strecke immer schon vor uns wußte, wann wir an einem bestimmten Ort ankommen, wußten wir uns umsorgt. Sie freuten sich auch steht‘s über die netten Pläuschen über BMW, Mercedes und FC Bayern Muunchen.
Die Landschaft in der Westsahara, die uns heute den lieben langen sonnigen Tag begleitete, war gebrägt von Sand, kargen Sträuchern, Normaden und immer wieder Kamele, die sich in die Straße stellten.
Obwohl die Straßen kerzengerade sind, fühlten wir uns wie Slalomfahrer auf der Piste. Ständig mussten wir Schlaglöchern und abgerissenem Asphalt mit nicht schneller als 30 Stundenkilometern ausweichen. Man glaubt‘s kaum! Hier gibt‘s auch einen Winterdienst, aber der räumt Sand weg.
Apropos Advent: die Facebook affinen Hirten würden hier auch wahrscheinlich keinem Engel mehr folgen, sondern würden Jesus erst einmal googeln.
Am 15. Dezember abends, kurz bevor wir unser Ziel endlich nach zwölf Stunden Fahrzeit erreichten, dürften wir einen weiteren Strafzettel über 40 Euro begleichen. Dieses Mal zeigte uns jedoch der Beamte ein gestochen scharfes Bild, wie ich mit 90 durch die 60-er Zone gefahren bin. Herr Papa würde sagen: des hast von deiner ständigen Raserei.
Im Hotel angekommen, begrüßte uns Charley, ein Ernst Hemmingway-Verschnitt, den ein Zigarren-Wiskey-Geruch umhüllte. Zum Abendessen schickte er uns zu seinem spanischen Freund. Wir waren die einzigen Gäste. Prompt kam ein Bier im Glas, und die Bedienung stellte zwei leere Flaschen mit der Aufschrift 0,0 Prozent Alkohol zur Tarnung neben die Gläser. Kontrolleure würden die Flaschen begutachten, aber niemals aus einem Glas trinken, war sich der Wirt sicher.
Zurück bei Charly bekamen wir die Telefonnummer von Amida, unserem nächsten Schleuser für die mauretanische Grenze. Unser Frühstück durften wir an diesem sonnigen Morgen auf der Dachterasse mit Blick aufs Meer und der Stadt, genießen.
Schon wenige Meter, nachdem wir losgefahren sind, habe ich Fotos von uralten fahrenden LKW‘s mit eingehüllten Personen und Plastiksäcken gemacht. An der ersten Stadion wurden wir darauf angesprochen, dass wir Fotos von Militärfahrzeugen gemacht haben. Ungehalten fragte er uns: Are you from the military?! Daraufhin nahm er mein Handy und löschte die Foto des Tages - was er jedoch nicht wußte, dass diese nur in den Ordner "zuletzt gelöscht" verschoben werden.
Die nächsten Stunden führten uns durch die Wüste - recht monoton, aber sehr schön. Nach dem vielen Wassertrinken, mussten wir mal anhalten. Schnell gesellte sich ein LKW-Fahrer zu uns, der schon im zweiten Satz mit seinem eigentlichen Anliegen heraus kam: "Habt ihr ein Bier für mich?" Enttäuscht trottete er von dannen.
Wir erreichten schließlich die marokkanisch-mauretanische Grenze. Alles lief soweit sehr gut. Nach unzähligen Formularen, Stempeln, Unterschriften, Eintragungen in ominöse Büchern und scannen des Autos durften wir unser "Zollgeld" abholen. Nach 15 Minuten warten am Kassenschalter, da niemand zu sehen war, erhaschte Dominik einen Blick über den Tresen, wo der Beamte zwischen zwei Bürosesseln eingeklemmt lag und tief und fest schlief.
Nach mehrmaligen Klopfen versuchte der Beamte, sich so elegant wie möglich aus den wiederspenstigen und rollenden Bürostühlen zu befreien, wobei sich seine Füße zwischen Rücken- und Armlehne verkeilt hatten. Dieses war mit Abstand die lustigste Situation die wir auf unserer Fahrt bis jetzt erlebt haben. Als er den Schlaf aus seinen Äuglein gerieben hatte, erklärte er uns nervös, dass er noch in der Probezeit ist und sehr müde war von seinem Arbeitspensum.
An der Mauretanischen Grenze erwartete uns bereits Amida, unser Transiteur. Er war hier bekannt wie ein bunter Hund. Wieder liefen Geldscheine von Hand zu Hand, und alles lief stressfrei. Um ein Haar hätten wir bis zur Schließung der Grenze um 18:00 Uhr nicht ausreisen können, wenn nicht Amida wissen würde, wo seine Beamten ihr Nickerchen abhielten. Ein neues Detail konnten wir ihm verraten. Der Beamte, der das Visum ausstellt, hat das lukrative Geschäft des Geldwechselns für sich entdeckt.
Amida begleitete uns nach Nouadhibou und wollte uns gleich auf seinem Campingplatz einquartieren. Wir hatten uns jedoch schon ein Quartier für die Nacht gebucht. In der Nähe gingen wir mal wieder zu einem Spanier.
Unser neu gewonnen Freund erschien plötzlich mit seinem Sohn in unserem Lokal. Er wollte sich für die Kleidung, die wir ihm zuvor für seinen Sohn mitgegeben haben, bedanken. Wie er wohl wieder rausgefunden hat, wo wir essen? Egal.
Wie es sich für ein spanisches Restaurant gehört, rannten die Cucaratchas emsig zwischen Küche und Restaurant hin und her. Wir waren überrascht, wie leichtfertig mit Alkohol umgegangen wird und welche freizügige Kleiderordnung bei den Frauen in diesem streng islamischen Staat Mauretanien vorherrscht.
Unsere Straßen sind heute so weitläufig, dass man am Mittwoch schon sieht, wer am Sonntag zu Besuch kommt. Auch die Beschützer der Straße, landläufig als “Gendarmerie Royal” bekannt, wollten uns ständig willkommen heißen, wußten auch schon, wo wir übernachtet hatten und wo unser Weg hinführen soll.
Mit einem verschmitzten Lächeln begrüßte uns der erste Polizist mit: "Isch liebe disch auch!" Auf die Frage: "Parle vous frances" - lernten wir zu antworten: "piccolo!", um so weiteren Fragen auszuweichen.
Tagsüber ist es deutlich besser zu fahren, denn dann sieht man die Schlaglöcher besser. Apropos Schlaglöcher: wir wissen nicht, ob es die Freiheit oder der Suizidgedanke des Huhn auf dem Lastwagen vor uns war, was es angetrieben hat, seinen Käfig zu verlassen, sicher ist, es steht nun mitten in der Wüste.
Interessant sind mittlerweile auch die Schilder, deren Bezeichnung wir nicht einmal annähernd erahnen können - außer unser bekanntes Schild des Wildwechsels, wo man hier den springenden Hirschen durch ein gelangweilt kauendes Kamel ersetzte.
Die Aussage von Dominik war: Die Grenze nach Marokko war leicht zu passieren. Was er nicht wusste, war, dass es gar keine Grenze, sondern nur die Fährenausfahrt war.
Zu dem Zeitpunkt war es 15:35 Uhr. Dann kamen wir zur tatsächlichen Grenze. Dort wurde uns "nett" erklärt, dass wir noch ein Formular benötigen - wir bekamen aber nur einen Fingerzeig, wo sich diese Stelle befinde.
Von da an fuhren wir von Container zu Container, um uns unzählige Formulare, Stempel, Unterschriften usw. abzuholen. Kurz vor Grenzschließung um 21:00 Uhr wurde uns von der Polizei mitgeteilt, dass wir heute nicht mehr rauskommen und wir uns besser einen "Transiter" (Schleuser oder - politisch korrekt ausgedrückt: "netter", organisierter Wegbereiter) suchen sollten, sonst kämen wir hier die nächsten Tage sicherlich nicht raus.
Im Transitbereich des Hafen lernten wir jede Menge neue Freunde kennen, die uns ständig als "Brother" oder "Amigos" bezeichneten. Da waren die flüchtigen Zaunkletterer, die kleinkrimminellen Wegbegleiter, die Kommisari, die "Bosse", die energiegeladenen LKW-Fahrer, die lächelnd ums Auto-Schleichenden, die um jede Antwort verlegenen Beamten und schließlich die marokkanischen Hüter des Tors mit Sternlein auf den Schultern.
Unser leicht gereizter uns ständig pöbelnder selbst ernannter Friedensaktivist (auf dem Ausweis steht Chaffeur) zeigte uns ab 8:30 Uhr in der Früh, wen man alles von den Torhütern etwas vom Stück "Kuchen" abgeben musste. Nach also 24 Stunden, 40 verfahrenen Kilometern im Transitbereich und inkl. 300,- EUR freiwilligen Zuwendungen für unsere neuen Freunde durften wir nun endlich den Glückshafen verlassen.
Nach einer echt tollen Übernachtung in einer privaten Herberge in Casablanca mit einem reichlichen Frühstück sind wir gerade auf dem Weg in die Westsahara.
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Anna, Donnerstag, 21.Dezember 2017, 11:29 Uhr
1. Hilfe
Ich finde es super gut, dass mit einem Krankenwagen geholfen wird. Mir stellt sich die Frage, wenn auf den Bildern so viel Freude und Spaß gezeigt wird, warum dann immer noch so viele Flüchtlinge zu uns kommen? Hilfe zur Selbsthilfe ist 1.000-mal besser als Flüchtling zu sein und so wie es aussieht, können alle wieder zurück?
Antwort von Superman, Donnerstag, 21.Dezember, 15:22 Uhr
Ich find es super das sie mit ihrem superdämlichen Kommentar zeigen daß sie superahnungslos sind....echt super. Weiterhin superviel Freude und Spaß beim verhungern und dahinsiechen in Afrika.....alles super da.