Tiefe Klänge in Bayreuth Neue Komposition für Wagners "Gralsglocken"
Es ist die Wiederbelebung eines ungewöhnlichen Instruments: Erstmals seit Richard Wagners Zeiten erklingt am Freitag in Bayreuth eine neue Komposition für die Gralsglocken, die gar keine Glocken sind.
Der Name "Gralsglocke" verwirrt im ersten Moment: Denn mit einer Glocke hat sie äußerlich nichts gemeinsam. Vielmehr sieht sie wie ein Hackbrett aus. Aber die Klänge, die die Gralsglocke erzeugt - die sind fast überirdisch und sehr fremdartig. Denn Richard Wagner wollte ein Instrument haben, das tiefer klingt als die tiefste Glocke im Wiener Stephansdom. Von der Bayreuther Klaviermanufaktur Steingraeber & Soehne ließ sich Wagner das außergewöhnliche Instrument anfertigen - eigens für sein Bühnenweihspiel "Parsifal".
Komponieren mit vier Tönen
Sie sind eine Spezialität der "Parsifal"-Partitur, und Wagnerianer kennen ihren düsteren Klang, der heute allerdings meistens vom Band kommt: Seit Wagners Zeiten wurde nichts mehr für die Gralsglocke komponiert. Jetzt gibt es im Rahmen des Bayreuther Festivals "Zeit für Neue Musik" die erste Neukomposition für dieses außergewöhnliche Instrument. Komponist Wolfram Graf hat sich im vergangenen Jahr in die Gralsglocke verliebt - und wollte unbedingt etwas für das Instrument schreiben. Eine wahre Herausforderung, bei nur vier möglichen Tönen.
"Ich hab mir lange Gedanken gemacht, was man mit nur vier Tönen machen kann. Natürlich hilft es dann, wenn ein zweites Instrument dabei ist. Aber trotzdem muss man sich überlegen: Wie kann ich diese Töne gestalten, dass sie neu klingen. Das war eine größere Aufgabe damit zurecht zukommen."
Wolfram Graf, Komponist
Eine musikalische Verneinung Wagners
Graf hat gleich fünf Stücke für das Bayreuther Musikfestival geschrieben, das er selbst gemeinsam mit Helmut Bieler leitet. Saxophon und auch Klavier wird es neben der Gralsglocke zu hören geben im Haus Wahnfried - dem Erfindungsort der Gralsglocken, die auch Glockenklavier genannt werden. Eine musikalische Verneigung vor Richard Wagner versteht sich da von selbst. "Das lag natürlich nahe, dass ich ihn auch ein bisschen zitiere", erzählt Graf. Versteckt zwar, aber die "Verbeugung vor dem Genie Wagner ist natürlich auch in den Zitaten gegeben."
Alternative für die Riesen-Glocke
Die Fertigung eines so tief schwingenden Instruments war schwer, wie Udo Schmidt-Steingraeber erklärt, der Inhaber der Bayreuther Klaviermanufaktur. Die ursprüngliche Idee hatte 1882 der Klavierbauer Eduard Steingraeber: Er baut ein Instrument, dessen dicke Saiten von einer klavierartigen Mechanik angeschlagen werden, und das den von Wagner gewünschten düsteren Glockenklang möglich macht. In einer neuen Version aus dem Jahr 1914 verzichtet man auf die Tasten und die Mechanik - stattdessen wird das Instrument nun wie ein Hackbrett bedient.
Bayreuther Musikdirektor ist begeistert
Erst 2013 wurde in Bayreuth die Gralsglocke nach dem Vorbild von 1914 nachgebaut. Das neueste Instrument ist gute zwei Meter hoch und mit vier Choren, also Besaitungen, versehen. Der Musikdirektor der Bayreuther Festspiele, Christian Thielemann, ist nach Auskunft von Schmidt-Steingräber begeistert vom Klang. Vielleicht sind nun auch im Festspielhaus bald wieder Original-Gralsglocken aus dem Hause Steingraeber & Soehne zu hören.