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Ratzingerplatz, Sendling Schöner durch Falten

Sein Spitzname ist "Ratz". Eine Zeitungsumfrage kürte ihn zum hässlichsten Platz Münchens. Jahrzehntelang hat er sich nicht dagegen gewehrt. Dabei könnte er so schön sein – findet eine junge Landschaftsarchitektin und hat einen Plan entwickelt.

Von: Michael Kubitza

Stand: 18.05.2013 | Archiv

RatzingerPlatz in Sendling | Bild: SZ-Photo

Liegt hier in Obersendling der wahre Grund dafür, dass der bayerische Papst zurückgetreten ist? Fehlalarm: Nicht Joseph Ratzinger ist Namensgeber des Schandflecks, sondern Moritz Ratzinger, ein Generalleutnant aus dem 19. Jahrhundert. Und erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts sieht die Gegend aus, als hätte hier eine Schlacht stattgefunden. Dabei ist die Nachbarschaft so spannend, dass Architekturstudenten mit Kameras hierherpilgern. Ums Eck liegt mit der Zeppelinhalle ein echtes Industriedenkmal. In Blickweite zwei elegante Punkthochhäuser aus den 1950ern und ein neuer Steidle-Bau.

Dazwischen: nichts.

1966 hält hier der letzte Oberleitungsbus, 1998 die letzte Tram. Im gleichen Jahr veranstaltet die Stadt einen städtebaulichen Wettbewerb, auf den nichts folgt. 2006 plant ein Investor ein mit 33.000 Quadratmetern überdimensionales Einkaufszentrum, aus dem nichts wird. 2011 kommt eine Landschaftsarchitektin aus Sauerlach vorbei und hat eine inzwischen preisgekrönte Idee.

Interview: Raumvergnügen statt Horror Vacui

BR.de: Frau Bähr, wie sind Sie auf den Ratzingerplatz gekommen?

Tabea Bähr: Ich bin zufällig am Ratzingerplatz vorbeigefahren - meine Mutter ist Architektin und hatte in der Nähe einen Auftrag. Man fährt da die wenig markante Boschetsrieder Straße entlang, und plötzlich öffnet sich der Blick auf eine freie Fläche. Daheim habe ich mit der Recherche begonnen.

BR.de: "Plic - Fantastische Falten für München" heißt Ihr Entwurf. Warum Falten?

Tabea Bähr: Die Idee ist, dass durch das Flanieren auf verschiedenen Höhenniveaus und Schrägen oberhalb des Autoverkehrs eine neue Raumwahrnehmung provoziert wird. Kennen Sie Parkour? Das ist ein neuer Sport, eine Art kreativer Hindernislauf, bei dem man sich querfeldein durch urbanes Terrain bewegt. So ähnlich funktioniert auch Plic.

BR.de: Aus dem Gedankenspiel ist inzwischen ein preisgekröntes Projekt geworden.

Tabea Bähr: Zuerst mal meine Diplomarbeit an der Fakultät für Landschaftsarchitektur an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Im Februar hat der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten mich dann mit dem bdla-Nachwuchspreis ausgezeichnet.

"Der Entwurf überzeugt durch seriöse, sorgfältige Entwicklungsarbeit, die gleichzeitig eine große spielerische Leichtigkeit vermittelt"

Aus der Begründung der Jury.

BR.de: Für die Umsetzung ist aber nicht der bdla zuständig, sondern der BA, der Bezirksausschuss, die Stadt und Investoren. Wie stehen da die Chancen?

Tabea Bähr: Leider nicht so gut. Die Planungen der Stadt gehen in Richtung Rückbau des heutigen Ratzingerplatzes und Zusammenlegung der Fahrspuren der Boschetsriederstraße. Der Stadtraum soll unterteilt werden in eine vierspurige Straße und eine sogenannte "Promenade" mit Bürgerhaus und Gewerbeflächen. Viele Anwohner bezweifeln aber, dass dieses Nebeneinander funktioniert.

BR.de: Wenn es so kommt - ist das das Aus für Ihre Falten?

Tabea Bähr: Nicht unbedingt. Plic ist so flexibel angelegt, dass das Konzept auch eine Zwischennutzung zulässt, bis über den Platz endgültig entschieden ist. Später könnte man die Falten abbauen und an einem anderen Ort neu entstehen lassen. Zwischen Abriss und Neubau gibt es in München ja immer wieder temporäre Leerflächen - aktuell zum Beispiel den Marienhof.


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