Türkische Extremisten Versuchter Wahlbetrug in München?
Sie geben sich demokratisch, suchen die Nähe zu Parteien und sind im Kern doch radikal: türkische Nationalisten, sogenannte Graue Wölfe. In den letzten Monaten werden sie deutschlandweit aktiver. Aktuell sollen sie versucht haben, die Wahl zum Münchener Migrationsbeirat beeinflusst zu haben.
Er habe einen Anruf bekommen, erinnert sich Stadtrat Dominik Krause, "von einer türkeistämmigen Person in München". Es ging um die Wahl zum Migrationsbeirat der Stadt. "Die Person hat sich bei uns beschwert. Sie wollte die Unterlagen für die Wahl anfordern. Aber das zuständige Kreisverwaltungsreferat (KVR) teilte mit, dass die Unterlagen schon beantragt waren." Beantragt vermutlich von einem türkischen Verein in München. Das Versenden von Wahlunterlagen an Vereinsadressen ist möglich, weil wahlberechtigte Personen – in München können 368.000 Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft an der Wahl zum Migrationsbeirat teilnehmen – die Unterlagen nicht zwingend an ihre Wohnadresse schicken lassen müssen.
Wahlunterlagen von Unbekannten
Eine zweistellige Zahl an Wahlunterlagen seien von Unbekannten beantragt worden. Wie viele davon ohne Wissen der Wahlberechtigten angefordert wurden, dazu macht das KVR keine Angaben. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt jedoch wegen des Verdachts auf versuchte Wahlmanipulation. Im Fokus steht dabei ein türkisches Kulturzentrum. Der Verein wird seit Jahren vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, weil sich hier türkische Nationalisten versammeln sollen. Sie selbst bezeichnen sich als "Idealisten", sind aber weithin als Graue Wölfe bekannt. Der Verfassungsschutz führt sie in der Rubrik "Ausländerextremismus". Das bayerische Innenministerium attestiert ihr ein "ultranationalistisches und rassistisches Gedankengut".
"Da läuft eine Kampagne gegen uns!"
Mit diesen Worten empört sich der Vorsitzende des Münchener Kulturvereins, Eyyüp Tanriverdi gegenüber BR24. Tanriverdi ist als führender Vertreter der Ülkücü-Bewegung in München bekannt und hat bereits seit drei Wahlperioden einen Sitz im Migrationsbeirat der Stadt. Er wisse nichts von den angeforderten Wahlunterlagen zum Migrationsbeirat. Weder er noch Mitglieder aus seinem Verein seien dafür verantwortlich. Zugleich jedoch räumt er ein, dass der Verein seit Jahren solche Unterlagen für einige seiner Mitglieder bestelle. Tanriverdi kann sich vorstellen, dass eine gezielte Kampagne gegen ihn, seine Wahlliste für den Migrationsbeirat und den Verein läuft: "Hier wird ein schmutziges Spiel gespielt", so Tanriverdi. Er sei weder Faschist noch Rassist betont er. Sein Verständnis von Nation sei "eher mit dem der CSU vergleichbar, als mit dem der AfD".
Mitgliederzuwachs in Bayern
Markus Schäfert vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz sagt, dass die Zahl der organisierten Grauen Wölfe in Bayern im Jahr 2016 von 1.250 auf 1.350 angestiegen ist. Dieser Zuwachs von 100 Personen sei auffällig. Hinzu kommt, dass die Grauen Wölfe vermehrt versuchen am politischen Alltag teilnehmen. Allein in Bayern organisierten sie ab 2013 gut zwanzig Demonstrationen zum Teil mit bis zu eintausend Teilnehmern. Im Migrationsbeirat der Stadt München sitzen derzeit vier der 40 Mitglieder aus der Ülkücü-Bewegung. Für die Wahl am Sonntag zählt der bayerische Verfassungsschutz zehn Kandidaten mit türkisch-nationalistischem Gedankengut.
Aufruf zum Eintritt in CDU und CSU
Dass die Bewegung Nähe zu bürgerlichen Institutionen sucht, ist nichts Neues. Seit den 1990er Jahren werden die Mitglieder aufgerufen, in die CDU einzutreten. Bis heute. Auch die Nähe zur CSU wurde gesucht. Erst im Sommer waren mehrere CSU-Mandatsträger bei einem Sommerfest in der Bodenseestraße. Darunter auch der damalige Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Martin Neumeyer. Er wollte damals die Gelegenheit nutzen, "um für Werte und Bildung zu werben", wie er BR24 am Telefon erklärte. "Einen Besuch in diesem Jahr aber würde ich aber ablehnen."
Boxclub und Moscheegemeinde
Zur Bandbreite der Ülkücü-Bewegung zählen neben den Vereinen und Moschee-Gemeinden aber auch Boxclubs und rockerähnliche Gruppierungen. "Vor allem junge Menschen finden in letzter Zeit verstärkt zur Ideologie der Grauen Wölfe", stellt der Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes, Markus Schäfert, fest. "Grundsätzlich gewaltbereit sind Graue Wölfe jedoch nicht", sagt Schäfert, "doch die abstrakte Gefahr der Ülkücü-Bewegung konkretisiert sich im Aufeinandertreffen von Ülkücü und PKK", wie es 2016 in Aschaffenburg und Nürnberg der Fall war.