Rechtsextreme Musik - Einstiegsdroge Nr. 1 Rock'n'Roll Nazi
Seit den späten 1970er-Jahren ködert die rechtsextreme Szene vor allem Jugendliche mit szeneinterner Musik. Die Idee stammt aus Großbritannien und wurde erfolgreich auf andere Länder übertragen. Bestand sie stilistisch zunächst aus hartem Gitarrenrock - sogenanntem Rechtsrock - bildet sie inzwischen die ganze Breite popkultureller Musikstile ab. Gelegentlich verschwimmen dabei die Grenzen zur unpolitischen Popkultur.
Die aktuelle Musik der rechtsextremen Szene unterscheidet sich von reaktionären Militärmärschen und Nazi-Propaganda à la "Horst-Wessel-Lied" so sehr, wie die Volksmusik vom Punkrock. Zum ursprünglichen Rechtsrock sind rechtsextreme Liedermacher, Nazi-Hip-Hop oder Heavy Metal und anderes mehr hinzu gekommen. Praktisch gibt es kaum einen modernen Musikstil, der nicht auch von der rechten Szene übernommen wurde. Inhaltlich könnten die Unterschiede allerdings nicht größer sein: Da werden die alten Germanen - oder was man historisch dafür hält - verehrt ("Wir wollen euern Jesus nicht, das alte Judenschwein / Denn zu Kreuze kriechen kann nichts für Arier sein"), die Wehrmacht und ihre Soldaten glorifiziert und Ausländern mit Vertreibung gedroht ("Türkenpack aus unserer Stadt / Denn wir haben es langsam satt"). Zielscheibe und Thema Nummer eins sind Gewalt und Juden, wie in diesem Text der Band "Weiße Wölfe": "Für unser Fest ist nichts zu teuer / 10.000 Juden für ein Freudenfeuer / Ihr tut unserer Ehre weh / Unsere Antwort Zyklon B". Zwar ist die überwiegende Mehrheit der Musikalben rechter Bands verboten. Die internationale Zusammenarbeit und insbesondere das Internet sorgen aber für eine relativ problemlose Verfügbarkeit. Wer in der Szene vernetzt ist, weiß ganz genau, über welche Quellen verbotene Alben bezogen werden können.
Der Ursprung: Großbritannien
Rechtsrock, oder ursprünglich "White Power Music", entstand in den späten 1970er-Jahren im Umfeld britischer Neonazi-Gruppierungen als Reaktion auf die seinerzeit populäre Bewegung "Rock Against Racism". Die Gegenbewegung nannte sich "Rock Against Communism" und diente der gezielten Rektrutierung von Skinheads. Die prominenteste und einflussreichste Band nannte sich "Skrewdriver". Ihr Frontmann, der in den 1990er-Jahren verstorbene Ian Stuart Donaldson, hatte die Bedeutung von Musik zur Rekrutierung von Jugendlichen schnell erfasst:
"Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen."
Ian Stuart Donaldson
Diese Musik war schnell, laut, und orientierte sich vor allem am zeitgenössischen Punk und Hardcore - der dann später in "Hatecore" umbenannt wurde. Als im Laufe der 1980er-Jahre auch in Deutschland eine Skinhead-Szene entstanden war, übernahmen hiesige Neonazi-Organisationen das Rekrutierungsmodell. Bis heute hat sich diese Strategie bewährt.
Ausweitung in Deutschland
Rechtsextremer Liedermacher Frank Rennicke, hier als NPD-Kandidat zur Wahl des Bundespräsidenten 2012
Der Erfolg dieser Strategie lässt sich an einigen einfachen Zahlen messen: Für das Jahr 2012 zählt der Verfassungsschutz bundesweit 182 Bands und 23 Liedermacher. In Bayern sind demnach derzeit elf rechtsextreme Bands aktiv so z. B. "Sturmtrupp", "Faustrecht", "White Rebel Boys" oder "Feldherren". Mit ihrer Öffnung gegenüber unterschiedlichen Jugendkulturen haben inzwischen ganz unterschiedliche Musikstile Einzug in die Szene gehalten. Der Rechtsrock ist deshalb schon lange nicht mehr die einzige Stilrichtung. Großer Beliebtheit erfreuen sich seit den 1990er-Jahren rechtsextreme Liedermacher wie Frank Rennicke (wohnhaft in Bayern), Jörg Hähnel oder Anette Moeck. Stilistisch kopieren sie linke Liedermacher wie Reinhard Mey. Ihr Markenzeichen sind auf der Gitarre begleitete Balladen zu Themen wie Blut und Boden, Heimat, Vertreibung, Ablehnung von Demokratie und pluralistischer Gesellschaft, Rassismus und Antiamerikanismus. Dazu kommen nachgespielte Lieder völkischer und nationalsozialistischer Autoren. Auch der US-amerikanische Hip-Hop ist mittlerweile Teil des Neonazi-Musik-Business: "NS-Rapper" wie "n'Socialist Soundsystem" oder "MaKss Damage" rappen über Gewalt gegen Ausländer oder über ihren Stolz auf Deutschland.
Makin' Money und Events
Thomas Kuban (li) recherchierte jahrelang undercover in der Rechtsrock-Szene, hier mit Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich, Günther Jauch (re).
So sehr sich Musik als Köder in der Szene durchgesetzt hat, so offenkundig ist auch der simple Umstand geworden, dass sich mit Musik hervorragend Geld verdienen lässt. Denn natürlich ist sie nicht gratis: CDs, MP3 kosten ebenso Geld wie Kleidung oder andere Fan-Artikel. Allein in Bayern vertrieben 2012 insgesamt acht verschiedene Handelsplattformen rechtsextreme Produkte. Genaue Zahlen sind allerdings unbekannt. Geschätzt wird, dass namhafte Vertriebe einige Hunderttausend Euro Umsatz pro Jahr erzielen. Musik lässt sich darüber hinaus auch im Rahmen von Konzerten gut vermarkten. Zwar steht hier nicht der finanzielle Gewinn im Vordergrund. Konzerte sind aber gleichermaßen Kontaktbörse, Propaganda-Veranstaltung und Musik-Event. Und erfüllen damit ihren zentralen Zweck: "Die Konzerte dienen der Rekrutierung", so der Journalist Thomas Kuban, der jahrelang verdeckt Neonazi-Konzerte besucht und gefilmt hat. Bundesweit 82 Konzerte im Jahr 2012, davon sechs in Bayern mit durchschnittlich 80 Teilnehmern weisen auf ihre Bedeutung für die Szene hin. Im Jahr 2005 fanden in Bayern 17 Konzerte mit einer durchschnittlichen Teilnehmerzahl von 200 Personen statt.
Frei.Wild als Freiwild?
Pop-Bands wie "Frei.Wild" oder "Rammstein" werden zu einer Stilrichtung gezählt, die "Neue Deutsche Härte" genannt wird. Auch wenn die Mehrheit der "NDH" nicht zur rechtsextremen Szene zählt, finden ihre Bands aufgrund ihres Stils und ihrer Ästhetik dort Anklang: Männlich-martialischer Körperkult, Pathos und gezielte Tabubrüche lösen eine Faszination für das "deutsche Böse" aus, wie die Online-Plattform "Netz gegen Nazis" feststellt. Während eine Band wie "Rammstein" hier wohl über jeden Zweifel erhaben ist, wird "Frei.Wild" medial immer wieder eine Nähe zu rechten Motiven nachgesagt. Jedenfalls war die Band im vergangenen Jahr gezwungen, ihre Teilnahme an diversen Festivals aufgrund von Protesten abzusagen.