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Oktoberfest-Attentat Spur 253 offenbart Ermittlungsversäumnisse

34 Jahre hatten die Behörden die Akten zum Oktoberfest-Attentat unter Verschluss gehalten. Jetzt durfte sie Anwalt Werner Dietrich einsehen. Seine Entdeckung bei Spur 253: Es gibt rätselhafte Versäumnisse bei den Ermittlungen!

Stand: 03.06.2014 | Archiv

Oktoberfest-Attentat: Gedenktafel für die Opfer | Bild: picture-alliance/dpa

Nach Einsicht in die bislang verschlossenen Spurenakten stellen sich für den Münchner Opfer-Anwalt Werner Dietrich eine Reihe neuer Fragen, die möglicherweise zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen könnten.

Wiederaufnahme gefordert

Anwalt Dietrich und der BR-Journalist Ulrich Chaussy arbeiten seit Jahrzehnten daran, die Aufklärung des schwersten rechtsextremistischen Anschlags in der Bundesrepublik voranzutreiben, bei dem 13 Menschen starben und 200 verletzt wurden, 68 davon schwer. Bislang haben sie vergeblich eine Wiederaufnahme des Verfahrens gefordert, ebenso wie der Bayerische Landtag und die Stadt München.

Dietrich und Chaussy hatten immer angezweifelt, dass der Rechtsextremist Gundolf Köhler ein Einzeltäter gewesen sein soll. Schon bald nach dem Attentat war das für die Behörden festgestanden, Kontakte des Attentäters Köhler zur rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann wurden heruntergespielt.

Zusammenhang erkannt, Spur nicht weiter verfolgt

Jetzt aber entdeckte Dietrich in den Akten die ungeheure Brisanz von Spur 253. Offenbar hatten die Ermittler damals doch laufende Ermittlungen gegen den rechtsradikalen Waffenlieferanten Heinz Lembke in Zusammenhang mit dem Münchner Anschlag gebracht, dann aber diese Spur nicht mehr weiter mit Nachdruck verfolgt.

Schon kurz nach dem Bomben-Attentat auf das Oktoberfest hatte es einen Hinweis auf Lembke gegeben - von inhaftierten Rechtsextremisten, die im August 1980 einen Bombenanschlag auf ein Asylbewerberheim in Hamburg gemacht hatten. Die Mitglieder der neonazistischen "Deutschen Aktionsgruppen" hatten ausgesagt, dass Lembke hochbrisanten militärischen Sprengstoff für Anschläge angeboten hatte.

"Wir haben uns immer gewundert, dass die beiden Rechtsextremisten damals das ausgesagt hatten. Die anschließende Hausdurchsuchung bei Lembke in Niedersachsen verlief wohl sehr lax. Die Spur Lembke taucht im Abschlussbericht der bayerischen Ermittler zum Oktoberfestattentat vom Mai 1981 nicht auf. Das ist schon sehr merkwürdig!"

Ulrich Chaussy, BR.

Selbstmord vor geplanter Aussage

Im Oktober 1981 geriet der Rechtsextremist Lembke dann zufällig in Ermittlungen. Ein Waldarbeiter hatte in der Nähe von dessen Haus eine Kiste mit Waffen und Munition gefunden, die im Waldboden vergraben war.

Lembke wurde befragt und gab dabei die Existenz von etwa 30 weiteren Erddepots an, gefüllt mit Sprengstoff, Handgranaten, Munition, Panzerfäusten, Schusswaffen und Giftstoffen, so Chaussy. Lembke kam in Untersuchungshaft und erklärte sich zu weiteren Aussagen bereit, nur die Existenz von einer Kiste wollte er nicht preisgeben. Seine Begründung: Er wolle nicht zum "Verräter" werden. Kurz vor seiner geplanten Befragung fand man ihn erhängt in seiner Zelle.

Ermittlungen waren doch zusammengeführt worden

Bislang hatte man angenommen, dass die Ermittlungen im Falll Lembke und zum Oktoberfestattentat getrennt geführt worden waren. Immer wieder war Generalbundesanwalt Rebmann vorgeworfen worden, er habe die Fälle nicht abgeglichen. Mit der Spur 253 kann Anwalt Dietrich nun belegen, dass die Fahnder die Fälle doch zusammengeführt, aber die Spur nicht weiter verfolgt hatten.

"Diese Verfahren sind von Generalbundesanwalt Rebmann offenbar getrennt behandelt worden. Vielleicht war es so, dass die Akten Lembke und Köhler beide auf Rebmanns Tisch lagen, die einen links, die anderen rechts, und dazwischen eine Mauer."

Ulrich Chaussy, BR

Warum wurde die Herkunft des Sprengstoffs nicht hinterfragt?

Hatte also der Rechtsextremist Heinz Lembke das Material für die Oktoberfestbombe geliefert? War Gundolf Köhler doch nicht der Einzeltäter, zu dem ihn Ermittler und Abschlussbericht stilisiert hatten? Spur 253 macht nun endlich klar, dass den Behörden diese Verbindung bekannt gewesen war.

Und sie wirft weitere Fragen auf: Warum wurden die bei Lembke gefundenen Waffen-Depots so schnell vernichtet? Warum haben die Ermittler der Soko Theresienwiese Lembke nicht selbst vernommen? Und warum wurde bei den Ermittlungen die Frage nach der Herkunft des Sprengstoffs überhaupt nicht beleuchtet?


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