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Rechtsextremismus in der Literatur Verschwörung im Buchladen

In den 1950er-Jahren entstand in der Bundesrepublik ein engmaschiges Netz rechtsextremer Verlage, Schriftsteller und medialer Erzeugnisse. Trotz Internet und sozialer Medien ist dieses Netzwerk heute noch aktuell. Adolf Hitlers Machwerk "Mein Kampf" übernimmt die Rolle des "Klassikers", der auch international gefragt ist.

Stand: 20.12.2013 | Archiv

Bildmontage: Aufgeschlagene Seite im Buch "Mein Kampf" mit einer Abbildung von Adolf Hitler darin, dahinter ein Bücherregal | Bild: picture-alliance/dpa, colourbox, montage: BR

Problematisch dabei: Die Rechte für das Buch liegen beim Freistaat Bayern. Dessen Staatsregierung hatte der Veröffentlichung einer durch das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) wissenschaftlich begleiteten und kommentierten Ausgabe zunächst zugestimmt, das Projekt kürzlich aber wieder gekippt. Dabei läuft die urheberrechtliche Sperrfrist im Jahr 2015 aus. Bereits heute lassen sich - wissenschaftlich unkommentierte - Ausgaben des Buches international relativ leicht beschaffen. In rechten Kreisen dürfte "Mein Kampf" weit verbreitet sein. Es ist mitnichten einziger Quell rechtsextremer Weltanschauung.

Rassismus, Okkultismus und Arier

Die Entstehung von Büchern, Pamphleten usw. die nach heutigem Verständnis als rechtsextrem bezeichnet werden können, reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück. Nicht selten sind dabei Autoren, selbsternannte (häufig naturwissenschaftliche) Forscher, extremistische Politiker, Verschwörungstheoretiker und anderes mehr auf den jeweils "aktuellen Zug" gesellschaftlicher, politischer oder technischer Entwicklungen aufgesprungen, um diese in ihrem Sinne zu interpretieren oder umzudeuten. So entstanden Ende des 19. Jahrhundert zahlreiche okkulte Gruppierungen, in deren Publikationen sich Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und technologischer Fortschritt in einer kruden Mischung verschwörungstheoretischer Phantasien wiederfinden.

Rassentheoretikerin Helena Blavatsky

In diese Phase fallen zum Beispiel rassentheoretische Veröffentlichungen wie "Die Geheimlehre" der russischen Okkultistin Helena Blavatsky, die "Ariosophie" des österreichischen Esoterikers Guido von List oder der "Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen" des Franzosen Arthur de Gobineau. Auch wenn solche Theorien nach heutigem Verständnis mehr als absonderlich wirken, haben sie nachweislich führende Größen des nationalsozialistischem Regimes beeinflust. Und: Sie werden auch heute noch immer gelesen.

Antisemitismus und die Weisen von Zion

Einen großen Anteil an rechtsextremer Literatur machen seit dem 19. Jahrhundert vor allem auch antisemitische Erzeugnisse aus. Zu trauriger Berühmtheit haben es etwa "Die Protokolle der Weisen von Zion" gebracht. Angeblich wird hier die Rede eines "jüdischen Führers" vor den "Weisen von Zion" dokumentiert. Ziel der Protagonisten ist es, eine jüdische Weltherrschaft zu errichten und damit das "Weltjudentum" zu herrschenden gesellschaftspolitischen Macht zu etablieren. Obwohl der Urheber dieses Pamphlets unbekannt ist und "Die Protokolle" als plumpe Propaganda und Fälschung entlarvt worden sind, werden sie von überzeugten Antisemiten auch heute noch als Beweis für jüdische Weltherrschaftspläne vorgebracht. Dieses oder ähnliche antisemitische Klischees wurden während des Dritten Reiches literarisch weiter und verstärkt eingesetzt.

Blüte im Dritten Reich

NSDAP-Chefideologe Alfred Rosenberg

Wenig überraschend ist, dass rechtsextreme Literatur sich in den zwölf Jahren des Dritten Reiches voll entfalten konnte. Unter dem Titel "WortGewalt" zeigte eine Austellung in Nürnberg im Jahr 2013 die ganze Bandbreite "brauner" Literatur. Eine besonders hohe Auflage erreichte seinerzeit das Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" von Alfred Rosenberg, Chefideologe der NSDAP. Tatsächlich hatte sich bereits nach dem ersten Weltkrieg eine literarische Szene stramm rechter Autoren entwickelt, die vor allem im Laufe der 1920er-Jahre bei Teilen des Publikums mit nationalistischer und kriegsverherrlichender Literatur punkten konnten. Antisemitische Verschwörungstheorien fügten sich hier gut ein und erzeugten den angenehmen Nebeneffekt, dass man die militärische und wirtschaftliche Niederlage auch gleich einer bestimmten Bevölkerungsgruppe in die Schuhe schieben konnte.

Verschwörungstheorien - das A und O alter und moderner Nazis

Gerd Honsik, Neonazi-Autor und rechtskräftig verurteilter Holocaust-Leugner

Überhaupt bilden Verschwörungstheorien ein immer wiederkehrendes Merkmal rechtsextremer Literatur. Als nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Verbrechen des Nationalsozialismus unübersehbar waren, entstand mit dem "Revisionismus" eine neue Form rechtsextremer Literatur. Dahinter verbargen sich Autoren, deren einziger Wunsch darin bestand, den millionenfachen Mord an den Juden und die deutsche Verantwortung für den Ausbruch des Krieges entweder ungeschehen zu machen oder doch möglichst klein zu schreiben (und reden). Hierzu bedient(e) man sich solch abstruser Argumente wie etwa der Behauptung, dass in den Ruinen der Gaskammern von Auschwitz keine Spuren von Gas nachzuweisen seien und es ergo dort auch keine Vergasungen gegeben haben könne. Anderslautende Behauptungen hätten lediglich zum Ziel, die Deutschen international zu verunglimpfen.

Vom Nazi-Ufo zur Ablehnung der Moderne

Innerhalb des Neonazi-Mediennetzes spielen rechtsextreme Verlage eine bedeutende Rolle. Sie sind ein Panoptikum moderner Literatur, die das Herz Ewiggestriger höher schlagen lässt: Da wird die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg genauso in Frage gestellt, wie etwa die "Kameradschaft" ehemaliger Angehöriger von Wehrmacht und Waffen-SS besungen ("Freispruch für die Deutsche Wehrmacht)". Da werden esoterische Theorien über antarktische Nazi-Ufos und -Stützpunkte erörtert, aktuelle gesellschaftliche Themen entsprechend der eigenen Weltanschauung interpretiert ("Gleichheitswahn - Parteienwahn") oder Migration ("Deutschland soll deutsch bleiben") als Mittel zur Zerstörung des Deutschen Volkes dargestellt. An Verschwörungstheorien jeglicher Art herrscht wiederum kein Mangel. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis der erste Autor dahinter kommt, dass nicht die Bayerische Staatsregierung das Projekt zur Veröffentlichung einer kommentierten Ausgabe von "Mein Kampf" gekippt hat, sondern Israel. Als Rache für den Holocaust sozusagen.


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