Identitäre Bewegung Rechte Reinheitsgebote
Rechtspopulistisch oder gar rechtsextrem? In Deutschland tritt immer häufiger die sogenannte "Identitäre Bewegung" in Erscheinung. Die Gruppierung der Neuen Rechten will vor allem eines verhindern: Fremde im Land, weil sie angeblich grundsätzlich die eigene Identität gefährden.
Im oberbayerischen Freilassing haben die "Identitären" gemeinsam mit anderen Rechten schon demonstriert - an der Grenze zu Österreich, wo seit Monaten Tausende Flüchtlinge einreisen. Von denen sind viele Muslime. Die "Identitären" würden diese Migranten am liebsten stoppen. Sie beschwören das Gespenst der "Islamisierung" Deutschlands bzw. Europas herauf. Diese zu verhindern, ist ihr Hauptanliegen.
"Invasion fremder Kulturen"
Sie verweisen gern darauf, dass so etwas schon einmal gelungen sei: 732 - als der Frankenritter Karl Martell in der Schlacht bei Poitiers die arabische Expansion in Südwesteuropa militärisch beendete. Die Identitäre Bewegung ("IB") bedient sich überhaupt gern der Kriegsrhetorik und spricht von "Invasion fremder Kulturen". Poitiers ist nicht der einzige dubiose Geschichtsbezug der "Identitären". So wählten sie für ihr Logo das Lambda, den griechischen Buchstaben auf den Schildern der antiken Spartaner, die den Angriff der Perser abwehrten und so das "Abendland retteten". Kein Wunder, dass ein "IB"-Vordenker wie der Publizist Götz Kubitschek bei Demos von Pegida auftritt - diese Bewegung will schließlich auch das "Abendland" vor "Islamisierung" bewahren.
"Stoppt den großen Austausch!"
'IB'-Motto ihrer Anti-Zuwanderungskampagne
"Identität" klingt positiv
"IB"-Vordenker Götz Kubitschek bei Pegida-Demo - Kubitschek gründete das Institut für Staatspolitik, eine Art Denkfabrik für die Neue Rechte.
Die "IB" geht zurück auf den 2003 in Frankreich im Umkreis des rechten "Front National" gegründeten "Bloc Identitaire". Der steht für den sogenannten "Ethnopluralismus". Dieser erkennt zwar die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Kulturen an, propagiert aber Abgrenzung, "Reinhaltung", Vermeidung von Vermischung - also letztlich eine homogene Gesellschaft, mit der sich die in der globalisierten Welt Vereinzelten "identifizieren" können soll. Apropos: Der Begriff "Identität" ist für die Bewegung von zentraler Bedeutung: Er klingt positiv und ist nicht belastet wie eine NS-kontaminierte Vokabel à la "Rasse". Stattdessen benutzt die "IB" gern vermeintlich identitätsstiftende Begriffe wie "Heimat", "Familie" oder "Tradition". Gespielt wird aber trotzdem mit braunen Anklängen: "Jedem Volk sein Raum", lautet eine Parole der Neuen Rechten.
Überschneidungen
Mit ihrer Strategie grenzt sich die "IB" auch vom klobigen Auftreten altbackener Rechtsextremer ab. Glatzen oder Springerstiefel sind nicht ihre Sache. Trotzdem verbergen sich hinter moderner Verpackung reaktionäre Inhalte wie etwa die prinzipielle Ablehnung von Multikulturalität. Die "IB" ist auch gegen Neoliberalismus, Globalisierung oder "EU-Diktatur" - hier gibt es zum Teil auch Überschneidungen mit linken Positionen. Mit all diesen Themen springt die Bewegung auf Haltungen auf, die inzwischen in nicht wenigen Kreisen Konjunktur haben - auch in bürgerlichen. Ein konstruiertes Bedrohungsszenario durch Überfremdung bis hin zur Warnung vor einem Niedergang Deutschlands hörte man zum Beispiel auch schon vom SPD-Politiker Thilo Sarrazin ("Deutschland schafft sich ab").
Aktionen im Web und auf der Straße - auch in Bayern
In Deutschland trat die "IB" erstmals 2012 in Erscheinung. In erster Linie nutzt sie das Internet als Plattform: per Facebook, Webvideos, Blogs etc. Aber auch auf der Straße - mit Flashmobs, Transparenten oder Beteiligung an rechten Demos - agiert die Bewegung. So trat sie in Bayern in München, Dachau oder Hof auf. In Frankfurt störten "IB"-Aktivisten die Eröffnung der Interkulturellen Wochen, im französischen Poitiers besetzten sie eine Moschee. In Deutschland wurde aus ehemals losen Strukturen inzwischen eine zentrale Organisation mit regionalen Gruppen. So gibt es im Freistaat eine "Identitäre Bewegung Bayern", eine "Identitäre Bewegung Franken" oder eine "Identitäre Bewegung München".
Innenministerium: "Hinweise auf rechtsextreme Ideologiefragmente"
In manchen Bundesländern - Bremen, Berlin oder Niedersachsen - steht die "IB" offiziell im Visier des Verfassungsschutzes. In Bayern nicht, wiewohl eine Beobachtung laut Innenministerium geprüft wird. Auf Anfrage der Landtags-Grünen teilte das Ministerium mit:
"Auffallend ist der Versuch der IB auf mehreren Facebook-Profilen, sich von Rechtsextremismus und Rassismus abzugrenzen und sich bewusst lediglich als patriotisch zu definieren (...) Allerdings ergeben sich durchaus Hinweise, die auf rechtsextreme Ideologiefragmente schließen lassen."
Bayerisches Innenministerium