Gewalt in Flüchtlingsheimen Wegen des Glaubens getreten und geschlagen
Frauen und Männer in Flüchtlingsheimen werden beleidigt, bedroht, verletzt. Nur wegen ihres Glaubens werden sie von anderen Asylbewerbern angegriffen. "report München" hat Betroffene ausfindig gemacht.
Sandy, so wollen wir sie nennen, floh aus Syrien. Die junge Frau ist Christin und will unerkannt bleiben. Ein assyrischer Pfarrer stellte den Kontakt zu ihr her. Mehrmals wurde Sandy in Flüchtlingsunterkünften sexuell belästigt. So habe zum Beispiel ein Mann mit Gewalt versucht, an ihre Telefonnummer heranzukommen. "Wenn ich eine Muslima wäre, hätte er sich das nicht getraut, mich zu fragen oder zu mich zu bedrängen", sagt Sandy.
Mit einem Messer bedrängt
In ihrer Heimat im Nordosten Syriens vernichtet der sogenannte "Islamische Staat" (IS) Kirchen und ermordet wie vor wenigen Tagen erneut assyrisch-christliche Geiseln. Sandy versteckt ihr Kreuz. Auch in Deutschland fühlt sie sich nicht sicher. Eines Abends, als sie allein in ihrem Zimmer war, bedrängte sie ein junger Nordafrikaner mit einem Messer. Er will sie gegen ihren Willen mit einem Freund verkuppeln.
"Immer wieder versuchte ich die Tür zuzumachen. Er kam trotzdem rein und stand in der Mitte des Zimmers. Ich sagte ihm: ‚Ich weiß, wer Dich geschickt hat. Das war Karim!‘ Da fing ich an zu schreien. Er fing an zu zittern und ist abgehauen."
Sandy
Sandy ist kein Einzelfall. Bei seinen Recherchen stellt "report München" fest: Immer wieder greifen islamistische Asylbewerber christliche oder ezidische Flüchtlinge an. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Aber Verbandsvertreter stellen fest:
"Man spricht von Auseinandersetzungen; sodass der Eindruck entsteht, dass da zwei Parteien sich feindlich gegenübergestanden haben. Aber tatsächlich waren es hier Angriffe, und deren Motive war der Hass auf das Christentum oder Ezidentum."
Mike Malke, Vorsitzender Zentralrat Orientalischer Christen
Bisher schlimmster Angriff auf christliche Asylbewerber
Bislang völlig unbekannt: Der Fall von Mahder, einem Christen aus Eritrea. Mahder wurde gemeinsam mit seinen Freunden in einer Heimanlage in Forst in Brandenburg untergebracht, zusammen mit Flüchtlingen aus Tschetschenien. Mahder erzählt, dass diese Tschetschenen Muslime waren, Christen hassten und sie beschimpften.
Am 20. August 2014 eskaliert die Lage. Tschetschenen stürmen die Zimmer der Eritreer. Fast alle sind Christen. Zwei Menschen werden aus dem zweiten Stock auf die Straße geworfen. Das ist der bislang wohl schlimmste Angriff auf christliche Asylbewerber in Deutschland. In Panik hatten die Opfer versucht, ihre Zimmertüren und Fenster zu verbarrikadieren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Mahder wurde am Kopf verletzt. Er ist empört, weil die zuständigen Stellen vor Ort trotz Warnungen im Vorfeld nicht entschlossen genug handelten: "Wir gaben ihnen einen Brief und wir baten sie, nach einer Lösung zu suchen, weil wir uns Sorgen machten, die Tschetschenen mögen uns nicht, sie hassen uns, sie und sogar ihre Kinder beschimpften uns. Aber nichts wurde unternommen." Auf Anfrage erklärt das zuständige Landratsamt, ihm sei „im Vorfeld zu den Vorkommnissen am 20. August 2014 nichts bekannt“ geworden. Der Rechtsanwalt der Eriteer teilt diese Ansicht nicht. Er spricht von einem geplanten Überfall:
"Die Tschetschenen haben im Vorfeld alles vorbereitet. Sie haben die Frauen und Kinder aus den Häusern rausgeholt und wenn man dann sieht, dass das nachts um 2.30 Uhr losgegangen ist, kann man nicht von einer Massenschlägerei sprechen, die einfach mal so zwischen den beiden Gruppierungen entstanden ist."
Rechtsanwalt Peter Conradi
Flüchtlinge ezidischen Glaubens brutal niedergeschlagen
Stichwort: Eziden
Eziden oder auch Jesiden oder Yeziden genannt, sind eine religiöse Minderheit, die ursprünglich in Syrien, Irak und der Türkeri beheimatet ist. Ihre Muttersprache ist Nordkurdisch. Zur Gemeinschaft der Eziden können nur Kinder gläubiger Eltern gehören. Es handelt sich um eine monotheistische Religion.
Weiter Richtung Nordrhein-Westfalen: Vor wenigen Tagen wurde der Ezide Saman von einem Asylbewerber, einem IS-Sympathisanten, nach einem Willkommensfest für Flüchtlinge, brutal niedergeschlagen. Saman fiel in Ohnmacht und brach sich dabei einen Finger. Er ist aus dem Nordirak gefohen, dort wo der IS einen Vernichtungskrieg gegen die Eziden führt.
"Er hat meinem Freund erzählt: ‚Wenn man den Eziden die Köpfe abschneidet und das Blut daraus trinkt, erlaubt das der Glauben.‘ Ich bin dann auf ihn zugegangen und habe ihm gesagt: ‚Aus meiner Sicht liegst Du da falsch. Das ist nicht richtig, was Du gesagt hast!‘ Dann hat er mich dreimal mit einem Kopfstoß verletzt."
Saman
Mike Malke, der Vorsitzende des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland, kennt zahlreiche Fälle wie diese. Er kann nachvollziehen, dass man nicht den Hintergrund jedes Flüchtlings durchleuchten könne, der nach Deutschland kommt. Es könne aber nicht sein, dass die religiösen Minderheiten, insbesondere die Christen und Eziden hierfür die Rechnung bezahlen müssen in den Erstaufnahmelagern.
"Deshalb fordern wir eine getrennte Unterbringung dieser religiösen Minderheiten, insbesondere der Christen und Eziden von den Muslimen."
Mike Malke, Vorsitzender des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland
Uneinheitliche Linie der Bundesländer
Was halten die Bundesländer von dieser Forderung? Die Umfrage von "report München" zeigt, dass es keine einheitliche Linie gibt. So erklärt Rheinland-Pfalz: "Bei der Zimmerbelegung in den Erstaufnahmeeinrichtungen wird grundsätzlich immer auf ethnische, religiöse und auf nationale Zugehörigkeit Rücksicht genommen." Berlin meint dagegen: „Zur Vermeidung von Konflikten ethnische und religiöse Gruppen generell getrennt unterzubringen, ist in der aktuellen Situation weder erwünscht noch umsetzbar.“
Die syrische Christin Sandy wird jetzt in einem Pfarrheim untergebracht. Ein Happy End. Nach schwierigen Monaten in deutschen Flüchtlingsheimen.