Renten in Ost und West Der steinige Weg zur Gleichheit
Ein gleiches Einkommen sollte auch ein gleiches Auskommen im Alter sichern. Doch das mit der Rente ist auch über 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer ein Problem zwischen "Ost und West". Dabei steht eine Angleichung im Koalitionsvertrag. Doch der Weg dorthin ist noch immer unklar.
In gut einem Jahr geht die Legislaturperiode der Großen Koalition in Berlin zu Ende. Da lohnt es sich, einen Blick in den Koalitionsvertrag zu werfen, welche Vorhaben die Regierung bereits umgesetzt hat und welche nicht. Im Koalitionsvertrag steht zum Beispiel, dass die Regierung bis 2020 - also 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung – die Rentenniveaus in Ost und West einander angleichen will. Bisher gibt es aber noch nicht einmal ein offizielles Konzept dafür.
Bundesarbeitsministerin Nahles ist in Zugzwang, wenn die Rentenangleichung in dieser Legislaturperiode noch auf den Weg gebracht werden soll. Es wird erwartet, dass sie noch in diesem Monat ein Konzept dafür vorlegt.
Im Moment funktioniert die Rentenberechnung so
Verdient ein Arbeitnehmer in den alten Bundesländern 36.300 Euro brutto im Jahr - das ist das aktuelle durchschnittliche Jahreseinkommen - bekommt er dafür einen Rentenpunkt gut geschrieben. Verdient ein Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern das Gleiche, bekommt er dafür 1,17 Rentenpunkte gut geschrieben. Mit dieser Höherbewertung wird ausgeglichen, dass die Löhne im Osten durchschnittlich geringer ausfallen als im Westen.
Ende mit den Unterschieden
Aber jetzt soll Schluss sein mit der unterschiedlichen Bewertung der Rentenpunkte. Das Konzept, das momentan in der Debatte ist, sieht vor, dass die Ostrenten bis 2020 stärker steigen als die Westrenten. Im Gegenzug ist ein Rentenpunkt dann nur noch ein Rentenpunkt – egal ob in Ost oder West. Ziel ist eine bundesweit einheitliche Berechnung der Rente. Kritik daran kommt von der Opposition. Nach Meinung von Matthias W. Birkwald, dem rentenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, profitieren davon zwar die jetzigen Rentner im Osten, die jüngeren Arbeitnehmer würden aber benachteiligt.
Grund der Benachteiligung
Die Löhne im Osten liegen immer noch durchschnittlich 15 Prozent unter dem Westniveau. Geringere Löhne führen zu geringeren Renten. Die Linken wollen daher beides: Die Ostrenten sollen stärker steigen und die Rentenpunkte sollen weiter unterschiedlich bewertet werden. Den Anstieg der Ostrenten wollen die Linken aus Steuermitteln finanzieren.
Der politische Wille der Großen Koalition ist aber ein anderer. Sie will möglichst schnell ein einheitliches Rentensystem für ganz Deutschland. Alles andere sei den Menschen 26 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr vermittelbar, meint die Rentenexpertin der SPD-Fraktion Daniela Kolbe. Schließlich ginge es um Arbeitnehmer, die zum Teil ihr gesamtes bisheriges Erwerbsleben im wiedervereinigten Deutschland verbracht hätten.
Das klingt gerecht – ist es aber nur zum Teil. Denn eine tatsächliche Rentengleichheit kann es ohne Lohngleichheit nicht geben. Der Mindestlohn hat zwar dazu geführt, dass das Lohnniveau im Osten steigt, aber noch immer gibt es in vielen Branchen unterschiedliche Tarifverträge für West- und Ostdeutschland. Ein Ende der Lohnungleichheit ist im Moment nicht in Sicht.
"Aus gutem Grund"
Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung rät daher zu Geduld. Schon oft habe im Koalitionsvertrag die Angleichung der Rente gestanden und sei dann doch nicht umgesetzt worden. "Möglicherweise aus gutem Grund“, so Thiede. Der Rentenexperte plädiert für eine schrittweise Lösung ohne Fixierung auf einen Endpunkt. Ob die Bundesregierung diese Geduld aufbringen wird, ist fraglich. Im Koalitionsvertrag ist das Jahr 2020 als Deadline für die Rentenangleichung genannt. Es sieht so aus, als ob Bundesarbeitsministerin Nahles daran nicht rütteln will.