Ruth Maria Kubitschek ist 85 Spatzl auf Langstreckenflug
Mit der Schauspielerei hat sie vor zwei Jahren aufgehört. Dem Fernsehprogramm merkt man's nicht an: So viele Rollen hat sie gespielt, in etlichen ist sie immer wieder zu sehen. Mit einer vor allem ist sie untrennbar verbunden.
Ned g'schimpft is g'lobt gnua, heißt es in Bayern. Der Münchner ist ein bisserl großzügiger. Wen er schätzt, der bekommt einen Kosenamen angehängt. So wie "Schätzchen" Uschi Glas oder "Monaco Franze" Helmut Fischer. Dessen Ehefrau in Helmut Dietls legendärer Serie von 1983 ist am 2. August 85 geworden: das "Spatzl", auch bekannt als Ruth Maria Kubitschek.
Mit Fassung, ja Dankbarkeit trägt Kubitschek das Los einer Schauspielerin, die mit einer bestimmten Rolle so identifiziert wird, dass man beide wie Zwillinge verwechselt. Ruth Maria Kubitschek ist, zumindest in Bayern, die gestrenge und doch so geduldige "Frau von Soettingen", in guten wie in schlechten Zeiten liebender Widerpart des Vorstadtstenzen Franz.
Stars - auch in der Manege: Helmut Fischer und Ruth Maria Kubitschek bei der Gala im Münchner Circus Krone
"Fischer, Süskind, Dietl, der Stoff, die Besetzung - Monaco Franze war ein Glücksfall, weil es so echt ist, so münchnerisch. Das hat alle ins Herz getroffen ... Die Leichtigkeit dieser Rolle habe ich nie mehr erreicht."
Kubitschek in 'Eins zu Eins. Der Talk'.
"Spatzl", sagt der Franz zu ihr, wenn er wieder was Amouröses ausgefressen hat, und die Liebe, die Helmut Fischer in dieses Wort legt, berührt das Publikum bis heute. "Spatzl. Mein Spatzl." Dabei kämen für Kubitschek durchaus auch andere Vögel in Frage: eine Schwalbe vielleicht, diverse Wasser- und Paradiesvögel, in den letzten Jahren die weise Eule.
Zugvogel im Zaubergarten
Biografisch gesehen ist dieses Spatzl ein Zugvogel. Die Flugbahn verläuft von Ost nach West, von einem kleinen Dorf in Böhmen mit vielen Zwischenstopps - dem längsten in München - ans Schweizer Ufer des Bodensees. Die Landschaft um sie war Ruth Maria Kubitschek immer wichtig. Wenn es gut war, gingen beide ineinander auf.
Die ersten Geburtstage verplanschte das Kind eines Bergbaudirektors und einer musisch begabten Mutter in aufgelassenen, mit Wasser gefüllten Kohlegruben. Heute läuft sie gern barfuß durchs taunasse Gras ihres "Gartens der Aphrodite", einem 4.000-Quadratmeter-Park, den sie der Wildnis abgetrotzt und zu einem Märchengarten mit Rittersporn und Bronze-Engeln ausgestaltet hat.
Noch vor fünf Jahren war der Garten oft allein zu Hause. Da war das Spatzl noch unterwegs in aller Welt. "Ich wundere mich selbst, dass ich mit 80 mehr schaffe als mit 40", sagte Kubitschek damals. 2014 gab sie die Schauspielerei auf, auch ihre Reisen sind kürzer geworden. Aber a bisserl was geht immer noch.
Zum Beispiel: Bewacht von ihren mythologischen Gefährten im Garten arbeiten, meditieren, Bücher schreiben (gern über Naturgeister), Landschaften malen (gern mit viel Blau und Blumen). Auf einem Foto von 1980 sieht man Kubitschek mit ungewohnter Frisur an der Staffelei, es erinnert an die erste Folge des Monaco Franze, in der Frau von Soettingen malend und plaudernd ihren Franz porträtiert.
Die Fans lieben ihre spirituell inspirierte Vielseitigkeit. Wer das Leben eher von der Monaco-Franze- oder gar der Kopfeck-Manni-Seite her betrachtet, dem könnte angesichts solcher Multi-Kreativität dieser Satz in den Sinn kommen: "Spinna duas'd scho, Spatzl". Als Schauspielerin aber ist Kubitschek unumstritten.
Galerie: Eine Frau mit vielen Rollen
Brecht. Durbridge. Jacke wie Hose
Früh hat Kubitschek die Schauspielerei als ihre Berufung erkannt - zum Unwillen ihrer Eltern. Der Krieg hat die Familie nach Sachsen-Anhalt verschlagen, wo der Vater eine Neubauernstelle antritt. Ruth studiert in Halle und Weimar, spielt Brecht, Schiller und Molière, daneben in DEFA-Produktionen wie "Das kleine und das große Glück" und "Jacke wie Hose". 1959 bleibt sie nach einem Gastspiel in Celle im Westen, geht dort weiter auf Tournee, arbeitet mit Fritz Kortner.
Theatermuffeln wird sie 1966 in der Titelrolle des Durbridge-Straßenfegers "Melissa" bekannt. Danach ist die Bühnenschauspielerin auch vom Bildschirm nicht mehr wegzudenken. Ihre Stärke sind Nebenrollen, die im Gedächtnis bleiben, oft elegante Frauen aus besserem Hause - mal spatzl-freundlich, mal kalt wie die Verlegerin Friederike von Unruh aus "Kir Royal" oder die Brauereibesitzerin Balbeck aus "Das Erbe der Guldenburgs".
"Ob ich kleine oder große Rollen spiele - im Bewusstsein der Menschen bin ich so stark wie die Hauptfiguren."
Kubitschek in 'Eins zu Eins. Der Talk'
Anmutig älter werden
Was Kubitschek immer auszeichnete: Anmut, die reifere Schwester der Schönheit. "Anmutig älter werden" heißt ihr bisher letztes Buch. Beste Voraussetzungen, schreibt sie darin, seien kalte Duschen am Morgen, "Körperwahrnehmung" am Abend und viel grüner Tee.
Aber auch: Zurückhaltung. Von Promi-Eskapaden der Kubitschek war in der Regenbogenpresse, in der sie durchaus eine Rolle spielt, kaum zu lesen. Ihre erste Ehe mit dem Theaterintendanten Götz Friedrich - aus ihr stammt Sohn Alexander - scheitert skandalfrei, danach ist sie vier Jahrzehnte in symbiotischer Gegensätzlichkeit mit TV-Produzent Wolfgang Rademann ("Das Traumschiff") verbunden. Luftgeist liebt Erdgeist ...
Rademanns Krebserkrankung, sein Tod Anfang des Jahres haben sie gezeichnet - auch wenn sie der "Bunten" von ihrer Gewissheit erzählt, mit der sie beide getröstet hat: "Der Tod ist nicht das Ende". Der Urberliner Rademacher sah das skeptisch: "Feierabend, das war's. Wo solln denn die vielen Millionen alle hin?"
Eine Autobiografie hat Kubitschek bisher übrigens nicht geschrieben. Warum nicht?
"Ich habe eine begonnen. Als ich mit der Kindheit fertig war, hatte ich das Gefühl, ich stehe nackt da. Dann habe ich es gelassen. Ich habe sehr viel hergegeben von meinem Leben - aber vieles auch nicht."
Ruth Maria Kubitschek