Emotionale Premiere in Lindau Kinofilm zeigt Drama um den Fall Kalinka
Der Fall entwickelte sich zu einem Justizkrimi: der Tod der jungen Französin Kalinka 1982 in Lindau. Kalinkas Vater ist überzeugt, dass ihr deutscher Stiefvater sie getötet hat und lässt ihn entführen. Jetzt wurde der Fall verfilmt. Am Mittwoch hatte "Im Namen meiner Tochter" in Lindau Premiere.
Jahrzehntelang beschäftigte der ungeklärte Tod der 14-jährigen Kalinka Justiz und Medien, sowohl in Frankreich als auch in Deutschland. Für den leiblichen Vater André Bamberski wurde das Ganze zur Obsession. Der Franzose kämpfte viele Jahre dafür, ihren Stiefvater, den Lindauer Kardiologen Dieter Krombach, als Täter vor Gericht zu bringen. Schließlich ließ er Krombach 2009 kidnappen und nach Frankreich entführen.
Ungute Erinnerungen
Über 30 Jahre nach der Tat kommt das Justizdrama um den Fall Kalinka am 20. Oktober in die Kinos. Am Mittwochabend feierte "Im Namen meiner Tochter" im Lindauer Parktheater Premiere. In der Stadt fand vor zwei Jahren ein Großteil der Dreharbeiten statt. Einige Lindauer haben als Komparsen mitgespielt. Weiterer Drehort in Schwaben war Kempten.
In Lindau gibt es noch viele Zeitzeugen. Krombachs ehemalige Arzthelferin erinnert sich an die Zeit in seiner Praxis:
"Ich war gern dort und dann völlig sauer, weil er mich plötzlich gekündigt hat mit den Worten, wir wären ja nicht verheiratet. Erst im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass er regelmäßig das Personal austauschte, aus gutem Grund wohl. Er war ein Hochstapler, der schöne Frauen liebte, und einige haben es ihm sehr leicht gemacht, da er charmant und gutaussehend war - und der Doktor natürlich, das war damals was."
Renate Zuckert, Arzthelferin
Die Fassade fällt
7. Februar 2002: André Bamberski (3.v.l.) und Unterstützer demonstrieren vor dem deutschen Konsulat in Toulouse.
Krombach behauptet stets, alles versucht zu haben, um das Leben seiner Stieftochter zu retten. 15 Jahre nach Kalinkas Tod wird der Kardiologe 1997 vom Landgericht Kempten wegen der Betäubung und Vergewaltigung einer 16-Jährigen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Spätestens jetzt fällt die Fassade des beliebten "Doktors" bei den meisten Lindauern.
Der Vorwurf Bamberskis, dass Krombach auch seine Tochter Kalinka 1982 erst gespritzt und dann vergewaltigt habe, gewinnt an Glaubwürdigkeit. Am Ende bekommt der Vater recht: Am 22. Oktober 2011 wird Krombach in Frankreich wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Bamberski wird wegen der beauftragten Entführung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt.
Der Fall Kalinka: Eine Chronologie
Überblick
Der Tod von Kalinka Bamberski wurde zum Kriminalfall und Justizdrama für Deutschland und Frankreich. Der leibliche Vater Kalinkas ließ den Täter, ihren Stiefvater, mehr als 25 Jahre nach dem Tod des Mädchens nach Frankreich verschleppen und ihn dort vor Gericht stellen. Dieter Krombach wurde schließlich wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Laut Anklage hatte er das Mädchen betäubt und dann vergewaltigt.
Was geschah?
Die damals 14 Jahre alte Kalinka Bamberski wurde am 10. Juli 1982 im Haus ihres Stiefvaters Dieter Krombach, ein Arzt, in Lindau tot aufgefunden. Ihr Stiefvater erklärte, das Mädchen morgens tot in ihrem Bett entdeckt zu haben. Kalinka hatte die französische Staatsbürgerschaft.
Die Obduktion
Die Kemptener Staatsanwaltschaft ließ den Leichnam des Mädchens in Memmingen obduzieren. Eine eindeutige Todesursache stellten die Ärzte damals nicht fest. Der Stiefvater und Kardiologe Dieter Krombach gab an, mit verschiedenen Medikamenten versucht zu haben, Kalinka wiederzubeleben. Zu einer Untersuchung von Spuren eines möglichen sexuellen Missbrauchs kommt es nicht. André Bamberski beauftragt weitere Untersuchungen, am 4. Dezember 1985 findet in Frankreich sogar eine Exhumierung und zweite Obduktion statt - ohne Ergebnis.
Erste Urteile
Krombach wird 1997 wegen der Vergewaltigung einer 16-jährigen Patientin in Kempten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Zudem verliert er seine Zulassung als Arzt. Das Urteil wird in der Öffentlichkeit als "zu milde" heftig kritisiert. Auch ein Pariser Gericht verurteilt ihn in Abwesenheit, und zwar wegen des Todes von Kalinka zu 15 Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Später hebt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil "in Abwesenheit des Angeklagten" auf.
Die Entführung
Nachdem die deutsche Justiz eine Auslieferung Krombachs nach Frankreich ablehnt, greift André Bamberski, Kalinkas Vater, zur Selbsthilfe. Er engagiert zwei Helfer und lässt Dieter Krombach entführen. In der Nacht vom 17. auf 18. Oktober 2009 wird Krombach vor seiner Wohnung bei Scheidegg (Landkreis Lindau) zusammengeschlagen und gepackt. In Mühlhausen wird er gefesselt und geknebelt in der Nähe des Justizgebäudes abgelegt, später gefunden und verhaftet.
Der Prozess in Frankreich
Gespielt wird der Täter von Schauspieler Sebastian Koch (rechts). Daniel Auteuil verkörpert den Vater.
Am 22. Oktober 2011 wird Dieter Krombach in Frankreich wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er Kalinka betäubt und und vergewaltigt hat. In der Berufungsverhandlung wird das Urteil am 20. Dezember 2012 bestätigt. Die höchste Instanz, das Kassationsgericht in Paris, lehnt den Widerspruch der Bundesregierung gegen das Urteil ab.
Die Strafe für André Bamberski
André Bamberski, ein "unbeirrbarer Einzelkämpfer", mitten in einem deutsch-französischen Justizdrama.
Andé Bamberski, Kalinkas leiblicher Vater, wird in Frankreich wegen der beauftragten Entführung Krombachs zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Seine bezahlten Helfer, ein Georgier und ein Kosovo-Albaner, müssen für zwölf Monate ins Gefängnis.
Der Film zum Justizdrama
Der Spielfilm "Im Namen meiner Tochter" basiert auf der wahren Geschichte und dem autobiografischen Roman von André Bamberski. Er schildert den verzweifelten Kampf des Vaters, rührt aber auch an existenzielle Fragen: Was ist Recht und was Gerechtigkeit? Gibt es für jede Schuld die angemessene Sühne? Wie weit darf man gehen, um recht zu bekommen? Gedreht wurde unter anderem auch in Lindau. Zu sehen ist der Film ab 20. Oktober in den Kinos.
(Quellen: BR, Wikipedia)
Sanitäterin erinnert sich
Unter den Premierengästen war auch Waltraud Mayer, die als Rot-Kreuz-Sanitäterin die tote Kalinka untersuchte. Auch ihr kamen die Umstände des Todes seltsam vor:
"Ich war noch vor dem Notarzt da, und wir bereiteten uns auf die Reanimierung von Kalinka vor, da gemeldet worden war, es sei eine bewusstlose Person. Aber Kalinka muss schon länger tot gewesen sein, denn die Leichenstarre war bereits eingetreten. Also ich fand das eigenartig, dass Krombach als Arzt den Rettungsdienst ruft, bei unserem Eintreffen meinte, wir kommen vielleicht zu spät und offenbar Kalinka selbst unmittelbar zuvor Reanimationsmedikamente gab, obwohl sie offenbar schon stundenlang tot war."
Sanitäterin Waltraud Mayer bei der Kinopremiere
"Eindringlich, aufwühlend, bewegend"
Als "hervorragend verfilmt" bezeichnen die Kritiker den Film und loben die französische Besetzung. Regisseur Vincent Garenq hält sich an die Perspektive des leiblichen Vaters, gespielt von Daniel Auteuil. Den Gegenspieler des unbeirrbareren Einzelkämpfers, den abgründigen Krombach, verkörpert Sebastian Koch. Der Film ist eher das Psychogramm eines verzweifelten Vaters als actiongeladener Thriller. "Eindringlich, aufwühlend, bewegend" lauteten die einhelligen Reaktionen des Lindauer Premierenpublikums.
"Eindringlich und spannend erzählt, fast dokumentarisch anmutend. Ein Film, der die Grenze auslotet zwischen persönlichem Engagement, Gerechtigkeit und Selbstjustiz."
titel thesen temperamente, Kulturmagazin im Ersten