Historie Die Geschichte des Standorts Grafenwöhr
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1900
Soldaten des III. Bayerischen Armeecorps baden im Schaumbach.
1900
Auf Sand gebaut
Jahrhundertwende: Grafenwöhr träumt noch den vorindustriellen Dornröschenschlaf. Doch dann erfährt die Stadtverwaltung, dass das III. Bayerische Armeekorps einen neuen Truppenübungsplatz sucht. Die Stadt rechnet sich große Chancen aus. Deshalb schicken Beamte der Stadtverwaltung eine Bittschrift an das Kriegsministerium: "Verhältnismäßig sehr niedrige Kosten" lautet das Verkaufsargument für den "sterilen, mit mageren Föhren bewachsenen Sandboden". Weiterer Standortvorteil: niedrige Arbeitslöhne und Materialkosten.
Quelle: Militärmuseum Grafenwöhr
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1910
Fränkische Tagespost über die Arbeiter: "Die meisten leben stumpfsinnig bei niedrigen Löhnen."
1910
Schwerter statt Pflugscharen
Der Bau kann beginnen: Prinzregent Luitpold erlaubt, die Fläche des "Alten Platzes" in Grafenwöhr zum Truppenübungsplatz auszubauen. Dafür müssen 300 Anwohner ihre Häuser verlassen - unter Druck des "Wirklichen Geheimen Kriegsrates". Viele der enteigneten Bauern müssen danach ihren Beruf aufgeben. Das 90 Quadratkilometer große Truppenlager soll Platz für 4.800 Mann und 1.200 Pferde bieten. Am 30. Juni 1910 feuert das Bayerische Armeekorps auf dem neuen Übungsplatz den ersten Kanonenschuss ab – der sein Ziel allerdings um 800 Meter verfehlt.
Quelle: Gerald Morgenstern/ U.S. Army Europe/ Bundesforst
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1911
Die Soldaten sind rund um die Uhr beschäftigt, hier bei der Warenannahme.
1911
"Eine öde und traurige Gegend"
Grafenwöhr erlebt den ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung: Bauarbeiter und Soldaten kurbeln das Geschäft von Zimmervermietern, Metzgern, Wirtschaften und Brauereien an. Die "kriegsnahe Gefechtsausbildung" gefällt aber nicht allen Soldaten. Ein Konditorssohn aus Weißenburg schreibt im August 1911 eine Postkarte an seine Eltern: "Bin gut in diesem Staub- und Sandnest angekommen, eine öde und traurige Gegend, wie man sie nicht so leicht wieder sieht. Haben heute wieder den ganzen Tag keine Ruhe. Ein Appell löst den anderen ab. In Eile!"
Quelle: Gerald Morgenstern/ U.S. Army Europe/ Bundesforst
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1914
Die bayerischen Soldaten posieren auf Strohsäcken, einige mit Nachwuchs.
1914
Fahnenflucht und Befehlsverweigerung
Der Erste Weltkrieg beginnt und Grafenwöhr wird zum größten Gefangenenlager Bayerns: 23.000 französische und russische Kriegsgefangene werden hier eingesperrt. Etwa 800 von ihnen sterben an ihren Kriegsverletzungen und an Krankheiten. Während die Gefangenen auf ihre Befreiung warten, trainieren die bayerischen Soldaten weiter für den Kriegseinsatz. Ihre Disziplin soll allerdings zu wünschen übrig gelassen haben: Der Militärberichterstatter klagt 1917, dass es fast jeden zweiten Tag zu Fahnenflucht und Befehlsverweigerung kommt.
Quelle: Militärmuseum Grafenwöhr
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1935
1941: Spanische Freiwillige treffen sich zur Morgenandacht im Truppenlager Grafenwöhr.
1935
Nazi-Deutschland rüstet auf
Deutschland unter Adolf Hitler: Fieberhaft beginnt der Diktator, das Land aufzurüsten und führt die Wehrpflicht wieder ein. Danach reichen die Betten nicht mehr für die vielen Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. 1935 beschließt die Reichsumsiedlungsgesellschaft: 3.500 Anwohner müssen dem vergrößerten Militärgelände weichen. Ein Bezirksamtmann schreibt 1937 über die Enteignungsverfahren, dass "aus den geräumten Häusern alles gestohlen (wird), was nicht niet- und nagelfest ist, und auch das geht noch mit."
Quelle: Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl
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1940
Der italienische Diktator Benito Mussolini besucht die italienische Division "San Marco“.
1940
Zuchtabteilung für unliebsame Soldaten
Ausrüsten, einkleiden, trainieren: Während des Zweiten Weltkriegs bereiten sich neue Einheiten in Grafenwöhr auf den Fronteinsatz vor. Seit 1936 stecken die Generäle unliebsame Soldaten in eine Sonderabteilung. Die Zuchtabteilung ist für all diejenigen gedacht, die "aufgrund ihres Vorlebens als Gefahr für den Geist der Truppe anzusehen waren." 1942 wird der Gefangenentrakt aufgelöst. In der Stadtchronik heißt es: "Der größte Teil der Mannschaften kam zu Truppenteilen, rückfällige und politisch unzuverlässige Leute in Konzentrationslager."
Quelle: Gerald Morgenstern/ U.S. Army Europe/ Bundesforst
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1945
Die Postkarte war ursprünglich schwarz-weiß, wurde aber mit Ölfarben bemalt.
1945
Fast Food und Striptease
Seit der deutschen Kapitulation verwaltet die US Army den Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Die Amerikaner verlegen ein großes Netz mit Zubringerstraßen auf der "Training Area", betonieren die Startbahn des Lagerflugplatzes und vergrößern das Ostlager. 1949 eröffnen US-Offiziere ein Jugendzentrum in Grafenwöhr, organisieren Film- und Theateraufführungen, Ausstellungen und Ausflüge. Im gleichen Jahr servieren die Amerikaner Hamburger und Pommes in Bayerns erstem Schnellrestaurant. Kurz darauf macht ein Striptease-Lokal auf.
Quelle: U.S. Army Europe
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1955
Die GIs haben in den 1950-er den Ruf, lässig und großzügig zu sein.
1955
Die "Fräuleins" angeln sich GIs
In den Soldatenclubs tanzen Amerikaner und "Fräuleins" zu Jazz und Swing. 18.000 GIs leben in Grafenwöhr - und sind offiziell zu sexueller Abstinenz gezwungen. Deshalb bieten deutsche Prostituierte ihre Dienste an - wobei die Grenzen zwischen "Professioneller" und "fester Freundin" oftmals fließend sind. Die Training Area Grafenwöhr wird zum größten amerikanischen Truppenübungsplatz außerhalb der USA. Seit 1956 haben deutsche Soldaten hier Gastrecht.
Quelle: U.S. Army Europe
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1958
Elvis Presley relaxt nach dem Training auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr.
1958
Der King kommt
Schießen statt singen: Elvis Presley hätte eigentlich während seiner sechswöchigen Manöverübung das Hüftenschwingen sein lassen müssen. Trotzdem tritt er heimlich im kleinen Tanzlokal Micky-Bar in Grafenwöhr auf. Raimund Rodler, dessen Eltern damals die Micky-Bar betrieben, erinnert sich: "Meine Mutter hat Elvis jeden Morgen ein Schnitzelbrötchen gemacht." Bei seinem Geheim-Konzert singt der King ohne Mikrofon. "Jugendlich scheu" wirkt er auf Rodler. Elvis' Publikum genießt das zweistündige Konzert ohne Kreischen und Ohnmachtsanfälle.
Quelle: U.S. Army Europe
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1969
Ein Soldat rennt beim Manöver über den Platz.
1969
Aufrüsten im Kalten Krieg
In Berlin steht eine Mauer, die Fronten zwischen Ost und West verhärten sich im Kalten Krieg. Die Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr nehmen am größten NATO-Manöver in Europa "Reforger" ("Return of Forces to Germany") teil: Mit den Übungen soll der Ostblock eingeschüchtert werden. Kampf- und Transportfahrzeuge, Waffen und Versorgungsgüter der US-Army sind in Deutschland eingelagert. Soldaten aus den Vereinigten Staaten sollen die Streitkräfte in Europa im Kriegsfall verstärken. Gegenstück der "Reforger"-Übung sind die Herbstmanöver der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes.
Quelle: U.S. Army Europe
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1982
Das Training bereitet die Soldaten auf einen Chemie-Anschlag vor.
1982
Der Standort Grafenwöhr wächst
Die US-Amerikaner starten ein umfangreiches Modernisierungsprogramm: Sie bauen computergesteuerte Schießbahnen für insgesamt 100 Millionen US-Dollar. Die Amerikaner sehen in Grafenwöhr eine "Enduring Installation", eine dauerhafte Einrichtung also: Anderenorts werden Kasernen geschlossen. "Graf", wie die Amerikaner ihren deutschen Standort nennen, vergrößert sich im Laufe der Jahre immer weiter. In den 1980er Jahren gilt die Training Area Grafenwöhr als modernster Übungsplatz in Europa.
Quelle: U.S. Army Europe
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2003
“America´s favorite Snacks” werden extra aus den Staaten eingeflogen.
2003
Shoppen wie Zuhause
Little America in der Oberpfalz: Die US-Regierung beschließt, Grafenwöhr zum zentralen Armee-Stützpunkt in Europa auszubauen. Der Bau für eine komplette US-Kleinstadt beginnt, 50 neue Gebäude werden errichtet und 100 weitere saniert. Gesamtkosten: Rund eine Milliarde Euro. Damit sich die Amerikaner in der Oberpfalz wohlfühlen, werden außerdem Schulen, Tankstellen und Shopping-Center aus dem Boden gestampft. Dort zahlen die Soldaten und ihre Familien in Dollar.
Quelle: picture-alliance/dpa
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2010
US-Soldaten in Grafenwöhr
2010
Tierversuche abgelehnt
Mittlerweile müssen die Soldaten für einige Manöver nicht mehr an die frische Luft: Sie üben an virtuellen Kampfsimulatoren. Auf dem Gelände sind aber auch nachgebaute Taliban-Höhlen und Häuserkampf-Dörfer. Die Grafenwöhrer gelten als duldsam gegenüber dem Waffenlärm. Das liegt auch daran, dass die Region von den 4.000 zivilen Arbeitsplätzen beim "Graf" abhängig ist. Allerdings laufen Naturschützer im Mai 2010 Sturm: Die US-Soldaten wollten Schweine verletzen, um an ihnen die Versorgung von Kriegsverletzungen zu üben. Kurz darauf lehnt die Regierung der Oberpfalz den Antrag der U.S. Army ab.
Quelle: picture-alliance/dpa
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2013
Festakt anlässlich der Umbenennung
2013
US-Garnison Grafenwöhr heißt jetzt "Bavaria"
Die US-Garnison Grafenwöhr wird im September 2013 in "Garnison Bavaria" umbenannt. Die Namensänderung soll das Zusammengehörigkeitsgefühl der bayerischen Standorte unterstreichen. Die US-Armee Garnison Grafenwöhr wurde schon seit längerer Zeit mit den Standorten Grafenwöhr, Vilseck, Hohenfels und Garmisch zusammen verwaltet. Ab jetzt laufen diese Standorte alle unter dem einen Namen Bavaria.
Quelle: Martin Gruber/BR