Chronik 100 Jahre Willy Brandt
Willy Brandt, der erste SPD-Bundeskanzler, kämpfte für eine neue Ostpolitik und scheiterte an der Guillaume-Affäre. Am 18. Dezember wäre er 100 Jahre geworden. Am Mittwoch erinnert ein Festakt in Lübeck an ihn. Eine Chronologie.
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März 1933
Porträt von Willy Brandt aus dem Jahr 1948
März 1933
Flucht vor den Nazis
Willy Brandt ist sein Deckname. Eigentlich heißt die Ikone der deutschen Soziakdemokratie, die aus einer Lübecker Arbeiterfamilie stammt, Herbert Frahm. Er flieht nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 nach Norwegen. Von nun an nennt er sich Willy Brandt. In Norwegen arbeitet er als Journalist und sammelt Gelder zur Unterstützung des Widerstands gegen die Nazis in Deutschland.
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Mai 1949
Der junge Willy Brandt hält im Mai 1949 auf dem Berliner Parteitag der SPD eine Rede
Mai 1949
Rückkehr nach Deutschland
Nach Kriegsende 1945 kehrt Brandt nach Deutschland zurück. Als Korrespondent linker skandinavischer Zeitungen berichtet er über die Nürnberger Prozesse. Die Nazis hatten ihm 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. 1947 lässt er sich unter dem Namen Willy Brandt wieder einbürgern. Schon bald ist er bei der SPD aktiv. Seine politische Karriere beginnt als Abgeordneter im ersten Deutschen Bundestag 1949.
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Oktober 1957
Im Mai 1960 hält Brandt vor 750.000 Berlinern eine flammende Rede
Oktober 1957
Regierender Bürgermeister von Berlin
Eine lange politische Laufbahn beginnt. Von 1957 bis 1966 ist Willy Brandt Regierender Bürgermeister von Berlin. In diese Zeit fällt der Mauerbau und das Ultimatum des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow, wonach die westlichen Alliierten sich aus Berlin zurückziehen sollen. Brandt wirbt auf einer Weltreise als Sonderbotschafter für ein freies Berlin. Fortan steht er im In- und Ausland für den Freiheitswillen West-Berlins.
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Juli 1961
Willy Brandt und Franz Josef Strauß im Juli 1961 bei einer Veranstaltung im Schloss Tutzing
Juli 1961
Diffamierungen und Vorwürfe
Bei der Bundestagswahl 1961 tritt Brandt erstmals als Kanzlerkandidat der SPD gegen Konrad Adenauer an. Der Wahlkampf wird schmutzig. Adenauer spricht von "Brandt alias Frahm", womit er auf seine nichteheliche Geburt anspielt. Auch andere politische Gegner wie Franz Josef Strauß greifen Brandt wegen seiner Jahre im Exil in Norwegen immer wieder persönlich als Vaterlandsverräter an.
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Juni 1963
Willy Brandt mit US-Präsident John F. Kennedy am 26. Juni 1963 in Berlin
Juni 1963
Aufbruch und Dynamik
US-Präsident John F. Kennedy besucht im Juni 1963 die geteilte Stadt, in der Brandt den Westen regiert. Kennedy hält vor dem Schöneberger Rathaus seine Rede mit den berühmten Worten "Ich bin ein Berliner".
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Juni 1965
Willy Brandt mit seiner Frau und seinen drei Söhnen
Juni 1965
Vater und Frauenheld
Ein Familienmensch ist Brandt nicht - auch wenn er sich auf Fotos gerne so darstellen lässt. Mit seiner zweiten Frau Rut hat er drei Söhne, außerdem noch eine Tochter aus erster Ehe. Rut und Willy Brandt lassen sich 1980 scheiden, nach 32 Jahren Ehe. Später heiratet er die Publizistin Brigitte Seebacher, mit der er bis zu seinem Tod zusammenbleibt. Brandt werden unzählige Affären nachgesagt
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September 1969
Brandt am Wahlabend am 28. September 1969 in Bonn
September 1969
Erster sozialdemokratischer Bundeskanzler
Brandt hat sein Ziel erreicht: Nach der Bundestagswahl 1969 wird er zum ersten sozialdemokratischen Kanzler der Bundesrepublik gewählt. Er löst damit Kurt Georg Kiesinger ab. An dessen Seite war Brandt zuvor drei Jahre lang in einer Großen Koaliton Außenminister und Vizekanzler. 1969 entscheidet Brandt sich gegen die Große Koalition und bildet ein Bündnis mit der FDP.
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September 1969
Willy Brandt und Günther Grass bei einer SPD-Wahlveranstaltung 1975
September 1969
Prominente Wahlkampfhilfe
Der Schriftsteller Günter Grass unterstützt die SPD und Willy Brandt immer wieder im Wahlkampf. Er ist es auch, der ihm den berühmten Satz "Mehr Demokratie wagen" in das Manuskript für seine erste Regierungserklärung im Oktober 1969 schreibt.
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Oktober 1969
Willy Brandt mit Außenminister Walter Scheel (FDP)
Oktober 1969
Neue Ostpolitik
Brandts Regierung setzt völlig neue Maßstäbe in der Ostpolitik: Mehr Entspannung und Annäherung an die Sowjetunion, weniger Kalter Krieg. Einige Wissenschaftler sehen darin heute den ersten Schritt hin zum Zusammenbruch des Ostblocks und zur Wiedervereinigung Deutschlands. Für seine Ostpolitik erhält Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
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Dezember 1970
Willy Brandts Demutgeste in Warschau überraschte alle
Dezember 1970
Kniefall von Warschau
Sein Kniefall vor dem Mahnmal für die ermordeten Juden des Warschauer Ghettos schreibt Geschichte. Dieses Foto geht um die ganze Welt und wird als Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg verstanden.
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Januar 1972
Der Bundeskanzler erholt sich in den USA
Januar 1972
Urlaub
Willy Brandt am Strand von Florida im Januar 1972.
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September 1972
Rainer Barzel gatuliert Willy Brandt nach dem das Misstrauensvotum
September 1972
Misstrauensvotum und Vertrauensfrage
Der Kanzler übersteht im April 1972 das konstruktive Misstrauensvotum, das die Union gegen ihn angestrengt hatte. Der Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel will Brandt ablösen, scheitert aber. Allerdings verfügen SPD und FDP über keine handlungsfähige Mehrheit mehr. Brandt stellt mit dem Ziel Neuwahlen die Vertrauensfrage, die er erwartungsgemäß verliert.
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Dezember 1972
Brandt legt nach der Wiederwahl den Amtseid ab
Dezember 1972
Wiederwahl
Bei den Neuwahlen im November 1972 gewinnt die Regierung Brandt. Die SPD wird erstmals stärkste Fraktion im Bundestag - mit 45,8 Prozent der Stimmen. Ein Ergebnis, von dem die Sozialdemokraten heute nur träumen können und das Brandt damals als Zeichen der Zustimmung für seine Entspannungspolitik wertet.
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März 1973
Willy Brandt mit den Schauspielerinnen Mascha Rabben und Gabi Larifari
März 1973
Frauen und Alkohol
Brandt werden viele Affären und Alkoholprobleme nachgesagt. Themen, die den Bundeskanzler angreifbar machen.
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April 1974
Günter Guillaume begleitet Willy Brandt
April 1974
Guillaume-Affäre
Die Wiederwahl Brandts gilt einerseits als Höhepunkt seiner politischen Karriere, andererseits als Scheitelpunkt. Zum Verhängnis wird ihm einer seiner engsten Mitarbeiter, sein persönlicher Referent Günter Guillaume. Bereits im Mai 1973 erhielt Brandt den Hinweis, dass Guillaume unter Spionageverdacht steht. Der Kanzler unterschätzt die Angelegenheit und entlässt ihn nicht. Ein knappes Jahr später wird Guillaume als DDR-Spion enttarnt und verhaftet.
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Mai 1974
Willy Brandt am Ende seiner knapp fünfjährigen Kanzlerschaft
Mai 1974
Rücktritt
Dann geht alles ganz schnell: Brandt erhält am 1. Mai 1974 ein Dossier über Guillaume, in dem auch Details zu seinem eigenen Privatleben zusammengestellt sind, auch zu Brandts Alkoholkonsum und sexuellen Affären. Guillaume soll sogar derjenige gewesen sein, der dem Kanzler „Frauen zugeführt“ hat. Brandt tritt in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai zurück. In einem Schreiben erklärt er, er übernehme die Verantwortung für die Affäre; zudem dürfe der Kanzler nicht erpressbar sein.
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Oktober 1992
Der Altbundeskanzler beim SPD-Sonderparteitag in Bonn 1987
Oktober 1992
Visionär der SPD
Auch nach seinem Rücktritt bleibt Brandt politisch aktiv: Bis 1987 ist er Vorsitzender der SPD, bis kurz vor seinem Tod Präsident der Sozialistischen Internationale. Als die Mauer 1989 fällt, prägt Brandt den Satz "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört." Im Oktober 1991 wird bei ihm ein Tumor im Darm entdeckt. Ein Jahr später stirbt Brandt, am 8. Oktober 1992 im Alter von 78 Jahren in seinem rheinland-pfälzischen Wohnort Unkel.