Zwölf Stämme Chronologie einer Eskalation
Eine Einigung scheint kaum möglich: Seit Jahren liegen deutsche Behörden und die christlich-fundamentalistische Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" in einem erbitterten Streit um Schulpflicht und zulässige Erziehungsmethoden.
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Januar 1972
1972
Die Gründung
Anfang der 1970er-Jahre gründet Gene Spriggs in Chattanooga im US-Staat Tennessee die fundamentalistische Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme", die sich selbst in der Tradition der "Urkirche" sieht. Europäische Ableger folgen in den 1980er-Jahren in Frankreich und Anfang der 1990er-Jahre in der Nähe von Bremen und in Baden-Württemberg. Schon hier kommt es zu Konflikten mit deutschen Behörden wegen unterschiedlicher Auffassungen über Lehrinhalte und Schulpflicht.
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Januar 2001
2001
Gut Klosterzimmern
2001 erwirbt die Bremer Gemeinschaft der „Zwölf Stämme“ das Gut Klosterzimmern und lässt sich im Ries nieder. Erste Berichte über die sektenähnliche Struktur der „Zwölf Stämme“ gehen durch die Presse, die „Zwölf Stämme“ gehen in die Offensive und stellen sich der Kritik auf einem Vorstellungsabend in einem benachbarten Dorf. Die Gemeinschaft finanziert sich vor allem durch den Verkauf selbst angebauter ökologischer Lebensmittel, durch ein Café und eine Schreinerei.
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Oktober 2001
Oktober 2001
Der Schulstreit beginnt
In Baden-Württemberg war der Glaubensgemeinschaft eine Heimschulung erlaubt worden, das bayerische Bildungsministerium verweigert 2001 die Erlaubnis. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit bayerischen Behörden, weil Eltern der „Zwölf Stämme“ ihre Kinder aus Glaubensgründen nicht in die Schule schicken. Buß- und Zwangsgelder werden verhängt, aber zunächst nicht bezahlt. Im Oktober 2002 erzwingen Polizisten in zivil den Schulbesuch – ohne nachhaltigen Erfolg.
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August 2004
August 2004
Beugehaft
Im Laufe des Jahres 2003 eskaliert der Schulstreit, die Kinder werden nach wie vor nicht in staatlichen oder staatlich anerkannten Schulen unterrichtet. Bußgelder akzeptiert und bezahlt die Glaubensgemeinschaft nicht, deswegen wird im August 2004 vom Nördlinger Amtsgericht die Beugehaft gegen 18 Eltern der "Zwölf Stämme" angeordnet. Am 7. Oktober werden schließlich sieben Väter in Erzwingungshaft genommen.
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Februar 2006
Februar 2006
Private Ergänzungsschule
Am 11. November 2005 werden die Bußgelder ausgesetzt, um Gespräche zu ermöglichen. Im Februar 2006 dann, nach einem Jahr Verhandlungen mit dem bayerischen Bildungsministerium, bekommen die "Zwölf Stämme" die Genehmigung für eine eigene private Ergänzungsschule, die vom Schulamt überwacht und regelmäßig kontrolliert wird. Unterrichtet werden die Kinder von zwei Lehrern der "Zwölf Stämme".
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Mai 2012
Mai 2012
"Prügelorgien"
Nach Medienberichten über Prügelvorwürfe bei den "Zwölf Stämmen" nimmt die Staatsanwaltschaft Augsburg Ermittlungen wegen Verdachts auf Misshandlung Schutzbefohlener und gefährlicher Körperverletzungen auf. So sollen die Kinder angeblich systematisch mit Weidenruten gezüchtigt werden. Mehrere Aussteiger berichten laut "Augsburger Allgemeine" von wahren "Prügelorgien" durch Eltern, Lehrer und andere Erwachsene, von systematischer "Gehirnwäsche" bei Kindern und Jugendlichen und sektiererischen Erziehungsidealen.
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Juni 2013
Juni 2013
Schulschließung
Am 5. Februar 2013 räumen Mitglieder der „Zwölf Stämme“ in einem Gespräch im Kultusministerium erstmals ein, Kinder mit der Rute zu züchtigen. Daraufhin entscheidet im Juni 2013 das Kultusministerium, den Betrieb der Schule zum 1. August 2013 zu untersagen. Das Verwaltungsgericht Augsburg bestätigt das Verbot im Januar 2014. Am 14. August 2013 stellt die Staatsanwaltschaft Augsburg die Ermittlungen wegen fehlender konkreter Hinweise ein.
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September 2013
5. September 2013
Sorgerechtsentzug
Am 5. September wird den Eltern von 40 Kindern in Wörnitz und in Klosterzimmern wegen Verdachts auf Kindesmisshandlung vorläufig teilweise das Sorgerecht entzogen. Nach einer Razzia kommen Kinder ins Heim oder zu Pflegeeltern, noch stillende Mütter werden in einer Mutter-Kind-Einrichtung in Dürrlauingen untergebracht. Auslöser für den Einsatz sind Aufnahmen von RTL. Die Staatsanwaltschaften Augsburg und Ansbach ermitteln wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung, an den Amtsgerichten Ansbach und Nördlingen beginnen die familienrechtlichen Verfahren.
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September 2013
12. September 2013
Reguläre Einschulung
Am 12. September ist der erste reguläre Schultag für die Kinder der „Zwölf Stämme“; seit dem Schuljahr 2013/14 besuchen sie Regelschulen. Nach Anhörungen an den Amtsgerichten ab 13. September dürfen, durch Entscheidungen des Amtsgerichts oder Oberlandesgerichts, sechs Kinder zu ihren Eltern zurück. Das Gericht begründet dies damit, dass die Kinder nicht mehr oder noch nicht in dem Alter seien, in dem sie geschlagen würden. Gezüchtigt würden Kinder angeblich nur bis in die Pubertät.
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November 2013
November 2013
Flucht aus dem Heim
Zwei Mädchen laufen von ihren Pflegeltern weg, werden später in der Schweiz aufgefunden und im November zurückgebracht. Am 27. November läuft ein weiteres Mädchen weg, kommt aber einen Tag später zurück zu den Pflegeeltern. Die leiblichen Eltern zeigen sich kooperationsbereit. Am 3. Dezember läuft ein 13 Jahre alter Bub aus dem Heim weg. Der Vater fährt mit ihm zum Oberlandesgericht und darf überraschenderweise mit dem Richter sprechen. Der Bub kommt vorläufig zurück ins Heim, bis ihn das Oberlandesgericht am 23. Januar 2014 zu den Eltern zurück schickt.
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Dezember 2013
Dezember 2013
Öffentliches Geständnis
In einer Gesprächsrunde am 5. Dezember in Deiningen geben Eltern der "Zwölf Stämme" öffentlich zu, ihre Kinder zu schlagen. Sie zeigen dafür verwendete Stöcke und wollen ihre Beweggründe vermitteln. Am 9. Dezember werden die im Mutter-Kind Heim in Dürrlauingen untergebrachten Kinder in Heime und zu Pflegeeltern gebracht. Die Mütter haben – entgegen einer Weisung – ihre Kinder nicht abgestillt. Im Januar 2014 stellt die Staatsanwaltschaft Ansbach ihre Ermittlungen wegen fehlender konkreter Hinweise auf Misshandlung Schutzbefohlener ein. Die familiengerichtlichen Verfahren laufen weiter.
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März 2014
März 2014
Das Interview
Am 11. Februar und im März reißen zwei Kinder aus dem Heim aus. Dem Bayerischen Rundfunk gelingt es, eines der Mädchen exklusiv zu interviewen. Die Eltern weigern sich, Kinder herauszugeben und weigern sich später auch, an einem Gutachten mitzuwirken. Am 12. März reichen die "Zwölf Stämme" Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Landratsamtsmitarbeiter ein und zeigen sie bei Staatsanwaltschaft Augsburg an.
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Juli 2014
Juli 2014
Vergebliche Suche
Am 1. Juli 2014 führen die Polizei und das Jugendamt eine erneute Razzia durch auf dem Gelände der "Zwölf Stämme". Die Beamten suchen noch immer nach den beiden aus dem Heim ausgerissenen minderjährigen Mädchen - doch vergeblich. Die Kinder bleiben auch nach zweieinhalb Stunden Suche verschwunden. Auf ein härteres Vorgehen verzichtet die Polizei. Vermutlich befinden sich die Mädchen bis heute auf dem Gelände, auf dem es viele Möglichkeiten gibt, sich zu verstecken.
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August 2014
August 2014
Neue Vorwürfe
Anfang August 2014 tauchen neue Vorwürfe gegen die "Zwölf Stämme" auf. In einem erneuten Fernsehbericht von RTL ist von Steuerhinterziehung und Kinderarbeit bei der Solarfirma "Baufach" die Rede, welche zu den "Zwölf Stämmen" gehört. Die Glaubensgemeinschaft weist die Vorwürfe als "Lügengeschichten" zurück, die Aufnahmen seien manipuliert. Gleichzeitig erstatten die "Zwölf Stämme" Strafanzeige gegen den Fernsehreporter. Unterdessen laufen die Hauptsacheverfahren an den Amtsgerichten Nördlingen und Ansbach weiter, Gutachten zu den Kindern sollen erstellt werden.
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Oktober 2014
Oktober 2014
Hauptsacheverfahren
Am 7. Oktober beginnen in Nördlingen im Sorgerechtsstreit um die minderjährigen Kinder die Hauptsacheverfahren. Zwei Elternpaare, die je zwei Kinder haben, sollen in Anwesenheit eines Gutachters angehört werden und auf Fragen antworten. Der Gutachter soll sich ein Bild darüber machen, ob die Eltern erziehungsfähig sind. Die Zwölf Stämme sehen die Begutachtung sehr kritisch. Im Lauf des Oktober sollen insgesamt zehn Familien angehört werden.
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Dezember 2014
Dezember 2014
Durchsuchungsaktion
Erfolglos geht die Suche nach Kindern der Zwölf Stämme auf Gut Klosterzimmern aus. Die Polizei Nördlingen durchsucht das Areal und Gemeinschaftsräume. Privaträume betreten sie nicht. Auf Basis eines gerichtlichen Beschlusses des Amtsgerichts Nördlingen, der durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts bestätigt wurde, habe man auf dem Gelände nach zwei Kindern, einem Mädchen und einem Buben, gesucht, die im Frühjahr aus den Heim weggelaufen waren und seitdem nicht dorthin zurückgekehrt waren.
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Januar 2015
Januar 2015
Gutachten ohne Eltern-Einwilligung
Das Nördlinger Amtsgericht beschäftigt sich mit der Frage, ob die für ein abschließendes Urteil im Sorgerechtsstreit um die minderjährigen Kinder der Zwölf Stämme benötigten Gutachten auch ohne eine Einwilligung der Eltern eingeholt werden können. Das Gericht entscheidet in zwei Fällen, dass dies der Fall ist. Weitere Entscheidungen werden erwartet.
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Januar 2015
Januar 2015
Strafverfahren beginnt
Am Nördlinger Amtsgericht beginnen die öffentlichen Hauptverhandlungen im Strafverfahren gegen Angehörige der Zwölf Stämme wegen der Misshandlung Schutzbefohlener. Zwei Mütter stehen vor Gericht, die ihre Kinder geschlagen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg führt hierzu die Fernsehbilder eines Undercover-Reporters als Beweismittel an. Nach Meinung der Zwölf Stämme sind die Aufnahmen als Beweismittel nicht zulässig, da sie heimlich gemacht wurden.
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September 2015
September 2015
Flohmarkt in Klosterzimmern
Bei einem Flohmarkt auf Gut Klosterzimmern gibt es erste Anzeichen, dass die Zwölf Stämme Deutschland verlassen wollen.
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November 2015
November 2015
Lehrer verurteilt
Das Amtsgericht Nördlingen verurteilt einen 54-jährigen Lehrer der 12 Stämme zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Der 54-Jährige soll 14 Jahre alten Schüler mit einer mehr als einen Meter langen Rute ein halbes Dutzend Mal auf den Hintern geschlagen haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig - die Berufung geht im April 2016 weiter.
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Januar 2016
Januar 2016
Haftstrafe ohne Bewährung
Erstmals wird in den Strafverfahren gegen ein Mitglied der 12 Stämme eine Haftstrafe ohne Bewährung verhängt. Das Amtsgericht Nördlingen hat eine 56-Jährige zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie soll laut Anklage sechs Kinder geprügelt haben. Der Anwalt legt Berufung ein, die Verhandlung soll im April 2016 fortgesetzt werden.
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März 2016
März 2016
Familienverfahren
Alle Hauptsacheverfahren im Streit um das Sorgerecht für die Kinder vor dem Amtsgericht Nördlingen sind abgeschlossen. Fest steht: Neun Kinder bleiben zunächst in Obhut der Pflegefamilien - 14 sind fest zurück bei den Zwölf Stämmen. In mindestens einem Fall entscheidet noch das Oberlandesgericht über das Sorgerecht.
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Agrippino, Samstag, 06.September 2014, 22:12 Uhr
1. Chronologie
Gut gemacht! Es ist doch noch möglich, Berichte ohne ständige Denunzierungen und Abwertungen zu schreiben. Dazu mein Lob. Weiter so!