Terrorabwehr Die Bürger sollen hinsehen
Die Lage in Deutschland ist ernst; ein Anschlag auch hierzulande nicht auszuschließen. Das betont der Bundesinnenminister in regelmäßigen Abständen. Nun hat er die Bevölkerung zu erhöhter Achtsamkeit aufgerufen.
Innenminister de Maizière setzt auf die Mithilfe der Bürger: Das Attentat auf einen Homosexuellen-Nachtclub in Orlando im US-Bundesstaat Florida hat den Blick auf einen Aspekt gerichtet, den Polizei und Verfassungsschutz bei der Prävention von Attentaten offenbar nur schwer greifen können, den des privaten Umfelds. Denn möglicherweise war die Ehefrau des Orlando-Attentäters in dessen Anschlagspläne eingeweiht.
Alle sollen mithelfen
De Maizière appelliert nun an die Bevölkerung, den Behörden Hinweise zu geben, sollten sich Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde radikalisieren. Solche Hinweise seien unverzichtbar, betont de Maizière in einem Zeitungsinterview.
"Das Problem bei Einzeltätern: Sie haben keine Anhaltspunkte über Strukturen. Wer macht mit wem was, wer ist derjenige, der den Auftrag erteilt? Das sind lauter Spuren, die die Polizei zur Aufdeckung haben könnte. Einzeltäter radikalisieren sich und entscheiden sich irgendwann, diese Taten zu begehen."
Oliver Malchow, Chef Gewerkschaft der Polizei, im Thema des Tages auf B5 aktuell
Mancher Beobachter könnte das als Eingeständnis werten, dass die Behörden bei der Prävention versagen, sowohl beim Kampf gegen Radikalisierung als auch dabei, potentielle Gefährder in Schach zu halten.
Behörden laden Verantwortung nicht ab
Eine Sprecherin de Maizières reagiert empört: "Der Minister drückt aus: Wir alle ziehen an einem Strang für unsere Sicherheit", sagt sie und fügt hinzu: Es sei "völlig abwegig", dass er irgendetwas auf die Bevölkerung abladen wolle. Die Sicherheitsbehörden seien wachsam, alle Hinweise würden abgeklärt. Viele davon kämen ja bereits aus der Bevölkerung, beispielsweise wenn sie an Bahnhöfen einen herrenloser Koffer meldeten.
Dass die Bevölkerung aufgerufen ist, "achtsam" zu sein, ob sich ein Angehöriger oder eine Person aus dem Umfeld radikalisiert, ist tatsächlich nicht neu. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat schon Anfang 2012 eine "Beratungsstelle Radikalisierung" eingerichtet; an die sich Personen wenden können, die sich sorgen oder Fragen haben.
500 Gefährder in Deutschland
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gibt es derzeit "ungefähr 500" Gefährder in Deutschland; laut Bundeskriminalamt ist diese Zahl in den letzten Jahren stark gestiegen.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bouillon, sagt, diese Gefährder würden zum Teil auch überwacht; man könne aber nicht alle 24 Stunden überwachen.
"Erstens gibt es dafür die rechtlichen Möglichkeiten nicht, Und wenn wir sie hätten, müssten wir bis zu 30 Beamte für die Rundum-Überwachung eines Gefährders bereitstellen. Das kann die Polizei gar nicht."
Oliver Malchow, Chef Gewerkschaft der Polizei
Der saarländische Innenminister Bouillon macht mit Blick auf den Mord an einem Pariser Polizisten und dessen Partnerin durch einen mutmaßlichen IS-Anhänger einmal mehr deutlich, wie ernst die Lage auch in Deutschland ist.
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Besorgter Nachbar, Donnerstag, 16.Juni 2016, 15:21 Uhr
1. Und was heißt jetzt genau "radikalisieren"?
Was muss denn passieren, damit die Polizei überhaupt einschreiten kann? Welche Art von Musik muss da laufen? Welche Flaggen müssen gehisst werden?
Gibt doch genug Anzeichen, sind aber leider nicht direkt illegal, sondern spiegeln "nur" eine Gesinnung wider, wie z.B. diese inzwischen überall auftauchenden schwarz-rot-goldenen Fahnen mit dem Eisernen Kreuz.
Es läuft doch drauf raus, dass ich Leute "denunziere" und dann zu hören kriege "bevor der nix tut, können wir nix tun!"
So schlau bin ich selber!