NSU-Prozess Anklage fordert lebenslänglich für Zschäpe
Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess, soll nach dem Willen der Anklage lebenlang in Haft. Das verkündete soeben Bundesanwalt Herbert Diemer.
Über vier Jahre lang wird im NSU-Prozess schon verhandelt. Welche Erkenntnisse in den rund 375 Verhandlungstagen gewonnen werden konnten und was daraus für Schlussfolgerungen zu ziehen sind, das haben die drei Vertreter der Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer zusammengefasst und in den vergangenen sieben Prozesstagen vorgetragen.
Heute soll all das noch einmal komprimiert und eingedampft werden auf fünf Zahlen – eine für jeden Angeklagten: die Strafmaßforderung. Die Bundesanwaltschaft wird also darlegen, ob und wie lange die Angeklagten ihrer Ansicht nach ins Gefängnis müssen. Dass die Beweisführung sich dabei nicht immer einfach gestaltet, räumte Bundesanwalt Herbert Diemer schon vor Beginn des Plädoyers ein:
"Das ist ein reiner Indizienprozess, wir haben keinen einzigen Tatzeugen und da müssen eben die einzelnen Teile zusammengesetzt werden wie ein Puzzle."
Herbert Diemer, Bundesanwalt
Hohe Haftstrafen für die Angeklagten
Die rechtliche Bewertung durch die Bundesanwaltschaft fällt dennoch eindeutig aus: Alle Angeklagten sind schuldig im Sinne der Anklage und müssen deshalb mit hohen Haftstrafen rechnen – außer der NSU-Unterstützer und Waffenlieferant Carsten S., der als einziger voll geständig ist und von Prozessbeginn an Reue und den Willen zu Aufklärung und Wiedergutmachung gezeigt hat.
Ganz im Gegensatz zu seinem Mitangeklagten André E.: In seinem Fall habe der Prozess ergeben, dass seine Schuld noch größer sei als ursprünglich in der Anklageschrift ausgeführt, so die Bundesanwaltschaft. Er sei mitverantwortlich für versuchten Mord und besonders schweren Raub.
Für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird die Bundesanwaltschaft wohl eine lebenslange Haftstrafe beantragen – alles andere wäre eine faustdicke Überraschung. Zschäpe sei Mitglied der Terrororganisation NSU gewesen und damit unter anderem mitverantwortlich für zehn Morde und über 30 versuchte Morde, hatte Oberstaatsanwältin Anette Greger ausgeführt. Und Nebenklage-Anwalt Bernd Behnke, der Angehörige des Rostocker NSU-Mord-Opfers Mehmet Turgut vertritt, kann dem nur zustimmen:
"Ich sehe es als erwiesen an, dass sie nicht nur von allen Taten wusste, sondern auch die Tatbeiträge geleistet hat, die Frau Oberstaatsanwältin Greger aufgezeigt hat. Nämlich sie war diejenige, die das Rückzugsgebiet gesichert hat."
Bernd Behnke, Nebenklage-Anwalt
Bundesanwaltschaft in der Kritik
Es gibt aber auch deutliche Kritik an der Bundesanwaltschaft von Seiten der NSU-Opfer-Angehörigen. So blieb etwa Gamze Kubaşık, die Tochter des Dortmunder NSU-Mordopfers Mehmet Kubaşık, dem Plädoyer der Anklagebehörde bewusst fern, wie ihr Anwalt Sebastian Scharmer betont:
"Der Generalbundesanwalt ist aus ihrer Sicht mitverantwortlich, dass der gesamte NSU-Prozesss nicht aufgeklärt ist, dass Verdächtige frei herumlaufen. Und er ist dafür verantwortlich, dass zahlreiche Informationen nicht an uns weiter gegeben wurden."
Sebastian Scharmer, Anwalt
Allerdings erwägt Gamze Kubaşık offenbar, sich noch selbst im NSU-Prozess zu Wort zu melden. Sobald die Bundesanwaltschaft ihre Strafmaßforderung verkündet und damit ihr Plädoyer beendet hat, sind nämlich die Nebenkläger an der Reihe. Rund 50 Anwälte und auch einige Menschen, die durch Bomben des NSU verletzt oder deren Angehörigen von der Terrorgruppe ermordet wurden, wollen dann das Wort ergreifen. Anwältin Doris Dierbach vertritt Angehörige des Kasseler Mordopfers Halit Yozgat:
"Die Nebenkläger-Vertreter haben sich abgesprochen. Es ist so, dass wir in einzelnen Komplexen Stellung nehmen werden. Auch das wird natürlich eine Weile dauern, ich rechne damit, dass die Plädoyers der Nebenklage ein bis anderthalb Monate in Anspruch nehmen werden."
Doris Dierbach, Anwältin
Urteil noch nicht abzusehen
Danach stehen die Plädoyers der insgesamt 14 Verteidiger an und auch die fünf Angeklagten haben dann die Möglichkeit, noch einmal das Wort zu ergreifen. Wann das Urteil im NSU-Prozess fallen wird, ist also immer noch nicht abzusehen.