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Vorgestellt // The Notwist Helden wider Willen

Sie sind die wohl wichtigste deutsche Band mit englischen Texten, die auch im Ausland "erhört" wird: The Notwist, das Aushängeschild des weltweit bekannten Weilheim-Sounds, veröffentlicht nach sechs Jahren Pause ihr sechstes Album, womöglich eine Abkehr von "ihrem" Indie-Tronica-Sound?

Stand: 25.03.2009 | Archiv

The Notwist | Bild: Jonas Bergmann

Sie sind gleichermaßen der Inbegriff, die Ursuppe und die Ikonen von Weilheim. Und doch wollen sie all das auf keinen Fall sein. Mit "Chemicals" gelingt ihnen 1998 ein Überhit, ihr folgendes Album "Neon Golden" verkauft sich über 100.000 Mal. The Notwist entern den Indie-Olymp - und Weilheim wird vom oberbayerischen Ort zum neuen Musikstil.

Doch The Notwist legen nach dem Erfolg von "Neon Golden" erstmal eine Schaffenspause ein. Was nicht sonderlich schwer fällt, wenn man illustre Bands wie Lali Puna, Tied & Tickled Trio oder Console seine Nebenprojekte schimpfen kann - und denen sie die gleiche Aufmerksamkeit schenken möchten wie dem Mutterschiff. Sechs Jahre hat es gedauert, bis das neue Album "The Devil, You + Me" fertig wurde. Und einiges ist neu im Notwist-Umfeld: Andi Haberl ersetzt seit 2007 Martin Messerschmid am Schlagzeug. Und anstatt bei Mario Thaler im Uphon-Studio aufzunehmen, richten sich The Notwist in Weilheim City ihr eigenes Studio ein.

Einflüsse querbeet

Auf jeden Fall waren es die Früh-Psychedelik der ersten Neil-Young-Platte und die Streicher von Nick Drake, die Notwist beeinflusst haben. Ebenso wie neuere Bands à la Akron/Family oder Animal Collective. Es gibt also viele Sounds, die im 60er-Pop zu hören waren: Spinett, Xylophon und Glockenspiel. Es gibt zwar mit "On Planet Off" ein Stück, das die Struktur von Dubstep aufgreift, aber die Elektronik ist diesmal weniger deutlich in die vielen Schichten eingewebt.

Neben alten Folk- sind auf dem neuen Album auch Gospel-Anleihen verarbeitet: z.B. im Albumtitel "The Devil, You & Me" und in der Single "Where In This World", das mit den Streichern vom Andromeda Mega Express Orchestra beginnt. Dahinter verbirgt sich ein Ensemble junger Musikstudenten in Berlin, die Jazz, Neue Musik, Science Fiction und abgefahrene Van-Dyke-Parks-Pop-Arrangements verbinden. Der neue Notwist-Schlagzeuger Andi Haberl mischt hier auch mit.

Ein Glücksfall für die moderne Musikkultur

Am häufigsten zitiert wird bisher in der Presse das Stück, das es als einziges Verbindungsstück zum letzten Album auf "The Devil, You & Me" geschafft hat: "Good Lies", der Indie-Pop-Opener, den es als kostenlosen Download gibt. Darin singt Markus Acher vielseitig "Let's just imitate the real until we find a better one". Folk, Gospel, Singer-Songwritertum und ein Hauch von Dubstep – Markus und Micha Acher und Martin "Console" Gretschmann müssen nichts "Echtes imitieren, bis sie was besseres finden."

Wenn jemand echt ist, dann sie. Die neuen Notwist-Songs brauchen mehr Zeit als die von "Neon Golden", aber das ist ja auch das nachhaltigste Album, das je in Bayern produziert wurde. Wer sich auf "The Devil, You & Me" einläßt, der wird bald genauso beständige Songs im kollektiven Gedächtnis haben - wie die vom eigentlich unschlagbaren Vorgänger. Eine Band wie sie ist ein Glücksfall für die Musikkultur von heute.


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