Tracks der Woche #02/18 Superorganism, Dicht & Ergreifend, Brockhampton, Yungblud, Yaeji
Die Tracks der Woche haben große Pläne: mit Arbeitsteilung ein Meisterwerk kreieren, aufrüsten für die Tour, ein Imperium erschaffen, Alternative-Rock retten und Koreanisch massentauglich machen.
Superorganism – Everybody Wants to Be Famous
Es gibt zu wirklich jedem Thema Internetforen. Während sich allerdings die Masse da meistens nur mit Wildfremden über belanglosen Kram austauscht, bringen einige wenige in den Untiefen des Internets etwas tatsächlich Sinnvolles zu Stande: eine Band gründen zum Beispiel. So geschehen bei den acht Mitgliedern des Kollektivs Superorganism. Ihre Musikrichtung nennen die größtenteils in London lebenden Musiker passenderweise Electric Collage, da jedes Mitglied seinen eigenen Teil zu einem Song beisteuert. Das Besondere daran ist, dass das Ergebnis nicht willkürlich zusammengewürfelt, sondern äußerst stimmig klingt. Mit "Everybody Wants to Be Famous" beweisen Superorganism, dass ihr Arbeitsteilungskonzept funktioniert: die reizende Stimme der 17-jährigen Frontfrau gleitet über ein knallbuntes, verschwurbeltes Musikbett. Bald soll der neuen Single auch ein Debütalbum folgen.
Dicht & Ergreifend – Schofal Boogie
"Der Track hat mi zum Viech gmacht. Hantel fliagn bis Viechtach." – Ok, zugegeben, um diese Zeile lustig zu finden, muss man vermutlich so wie die beiden Rapper selbst aus Niederbayern sein. Wie gut, dass es auf "Schofal Boogie" aber noch genügend andere witzigen Stellen gibt, die grenzüberschreitend zünden. Für das gewisse Lokalkolorit sind Dicht & Ergreifend ja bekannt. Spätestens seit "Zipfeschwinga" stehen sie für Mundart-Rap, der auch instrumental auf traditionelle Elemente zurückgreift. Nach kurzer Kreativpause haben Lef Dutii und George Urquell für ihre neue Single "Schofal Boogie" allerdings im symbolischen Sinn die Tuba gegen die Bazooka getauscht. Soll heißen: Jetzt ballert es richtig mit Dubstep-artigen Beats und dem kritischen Blick auf die Dorf-Kollegen. Damit haben sie schon mal einen todsicheren Banger für die im März startende "Ghetto Mi Nix O"-Tour am Start.
Brockhampton – Zipper
Die Rap-Boyband BROCKHAMPTON hat 2017 ganze drei Alben rausgehauen. Das aktuelle Werk trägt sinnvollerweise den Namen "SATURATION III", alle Tracktitel daraus bestehen aus einem Wort – geschrieben in Großbuchstaben, denn diese Combo fordert eure ungeteilte Aufmerksamkeit. "Pretty sure I’m manical, but what do I know?", eröffnet Russell 'JOBA' Boring den Track "Zipper" und klingt dabei fast wie ein junger Eminem. Im Hintergrund vermischen sich derweil Salsa-Vibes und Gelächter, im Refrain folgen Sirenen und Jubelrufe. Durchgeknallt ist dieser Sound allemal. Und apropos Eminem: Eine progressive Rap-Gruppe, die sich nicht ganz ernst nimmt und dabei eine Menge Spaß am Nonsens hat? Das erinnert uns verdächtig an die besten D12-Momente. Dabei ist die Sache für Gründer Kevin Abstract gar kein Joke: Er will sich mit diesem fünfzehn Mann starken Projekt seine eigene Dynastie à la Roc-A-Fella oder Apple aufbauen.
Yungblud – Tin Pan Boy
Dominic Harrison, genannt Yungblud, 19 Jahre alt, ganz am Anfang seiner Karriere und mit gerade mal einer Hand voll veröffentlichter Songs im Gepäck, fegt gerade durch die Indie-Szene wie ein Tornado. Warum der Engländer dabei einen bleibenden Eindruck hinterlässt? Weil er Alternative-Rock macht, wie er sein sollte: schnell, aufregend, clever und rebellisch. Dazu kommt die absolute Hingabe des Newcomers: Yungbluds Tracks hört man an, dass er alles in seine Musik steckt, was er hat. Seine dritte Single "Tin Pan Boy" hat die rotzigen Gitarren, die unerschrockenen Lyrics, die Rockstar-Attitüde und die nötige Wut im Bauch. Kaum auszudenken, was passieren mag, wenn dieser Jungspund über die nächsten Jahre auch noch Bühnenerfahrung sammelt. Dass es irgendein Major-Label schaffen wird, den hyperaktiven Rabauken zum Stillhalten zu kriegen, können wir jedenfalls ziemlich sicher ausschließen.
Yaeji – Drink I’m Sippin On
Der Trap-Beat wummert lässig vor sich hin, während Yaeji die ersten Zeilen ihres Tracks "Drink I’m Sippin On" zum Besten gibt. Aber anstatt wie viele Genre-Kollegen, die Lyrics schlampig ins Mikro zu nuscheln, flüstert einem die New Yorkerin sanft und klar ins Ohr. Gut, verstehen tut man trotzdem nichts, weil ein Großteil des Tracks auf Koreanisch ist. Aber wer hätte das gedacht: Koreanisch hat einen wunderschönen Flow. Wo Trap und House ansonsten gerne mal distanziert und abgehoben rüberkommen, erzeugt Kathy Yaeji Lee mit ihrem Genre-Mix die intime Atmosphäre eines ausgiebigen Schaumbads. Der Wohlfühlfaktor spielt bei der Newcomerin sowieso eine entscheidende Rolle: Während ihrer Live-Auftritte lässt sie gerne mal Curry für die Crowd servieren. Was für eine geniale Idee. Ohnehin hat diese Frau ein Auge fürs Gesamtkonzept: Von der Produktion bis zu den Visuals – bei Yaeji kommt alles aus einer Hand.