Tracks der Woche #09/18 Nilüfer Yanya, Kid Simius feat. Kilnamana, Tiger Tiger, DMA’s, Courtney Barnett
Bei den Tracks der Woche lässt die Vergangenheit grüßen. Mit dabei: eine verflossene Liebe, niedliche Kindheitserinnerungen, streitende Jugendhelden und Grunge-Attitüde wie in den 90ern.
Nilüfer Yanya – Thanks 4 Nothing
In einem Hotelzimmer aus den Untiefen der 70er-Jahre breitet Nilüfer Yanya ihre Tarotkarten aus und singt mit ihrer unvergleichlichen Stimme von einer verflossenen Liebe. In der nächsten Szene des Musikvideos zu "Thanks 4 Nothing" zeigt sie sich dann plötzlich als Anführerin eines seltsamen Kults. Passt ja auch, denn wenn man verliebt ist, verhält man sich manchmal tatsächlich so irrational, wie ein gehirngewaschenes Mitglied einer Sekte. Wer sich noch an den Vorgänger "Baby Luv" erinnert, erkennt hier ein Muster: Mit "Thanks 4 Nothing" demonstriert die 22-jährige Nilüfer Yanya einmal mehr ihre Vorliebe für hinreißende Jazz-Pop-Songs. Der beschwingte Track profitiert von der minimalistischen Instrumentierung aus tippelndem Schlagzeug und hallenden Gitarren, denn so konzentriert sich alles ganz auf die emotionsgeladene Stimme der Sängerin aus London.
Kid Simius feat. Kilnamana – Flashback
Kid Simius, der immer zu Späßen aufgelegte DJ von Materia und seines Zeichens leidenschaftlicher Koteletten-Träger, schaut mit seiner neuen Single "Flashback" zurück in seine Kindheit – inklusive herziger Familienvideoausschnitte im Musikvideo. Karrieretechnisch geht es für den Spanier dabei immer weiter nach oben: Als Teil der Green-Berlin-Crew bekannt geworden, hat Kid Simius mittlerweile mit zwei Soloalben seine unzähligen Facetten gezeigt. Dubstep, Electronica, technoider Sound - Kid Simius hat das alles drauf. Und mit "Flashback" schlägt der Produzent zusammen mit Kilnamana, der Band seines Bruders, schon wieder neue Töne an. Ein reduziertes Beatgerüst, zarter Bass und luftige Synthies prägen den Sound. Ganz ohne Wummern geht’s aber einfach nicht bei Kid Simius, deshalb gibt es eine eigene "Flashback"-EP, auf der der Song von zwei geschätzten Kollegen neu interpretiert und geremixt wurde.
Tiger Tiger – Motion
Wenn man in einer Location wie dem Milla Club im Münchner Glockenbachviertel für das Booking zuständig ist, kann man schon mal auf die Idee kommen, ein eigenes Musikprojekt zu starten. Ganz besonders, wenn man wie Cornelia Breinbauer schon Banderfahrung hat: Als Soki Green war die Münchnerin für feinfühliges Songwriting zuständig und saß außerdem am Klavier. Für ihr Projekt Tiger Tiger hat die gebürtige Chiemgauerin ein ganz neues Soundkonzept entwickelt, geprägt von Vocoder, Midi-Keyboard und diversen Synthesizern. Diese Kombi kann sich in dem über vier Minuten langen Track "Motion" ideal entfalten. Erst hallen nur ein paar Textfetzen durch den sphärischen Musikraum, später ertönt eine Art gesprochener Gesang in Björk-Manier. "Motion" ist sicherlich kein konventioneller Popsong, der sich schon nach den ersten Takten komplett erschließt. Dafür kann man gerade deswegen immer wieder Neues entdecken und völlig in diesem Lied versinken.
DMA’s – In the Air
Wie es klingt, wenn Australier Britpop machen? Im besten Falle so wie die neue Single "In the Air" von DMA’s. Unheimlich vertraut hört sich das an, was diese drei Jungs da liefern. Sobald man sich so gekonnt wie DMA‘s in diesem Genre bewegt, wird in der Fachpresse früher oder später auch der Oasis-Vergleich bemüht. Und so hat es auch nicht lange es gedauert, bis die Gallagher-Brüder höchstpersönlich von den Newcomern Wind bekommen haben. Was nun aber das Urteil über die Band angeht, sind sie sich – wie könnte es anders sein – nicht einig: Während Noel die Australier am liebsten vom Bühnenrand ausbuhen möchte, ist Liam erklärter Fan. Lasst uns diesen Disput mal stellvertretend für die beiden Streithansln klären: DMA’s haben enormes Potenzial. Hört euch nur mal die Ballade "In The Air" an, die einen in eine akustische Wolldecke packt, während Sänger Tom O’Dells anschmiegsame Stimme dazu imaginäre Kerzen anzündet.
Courtney Barnett – Nameless, Faceless
Niemand schafft es mit einer so sanft anmutenden Stimme so bissige Texte zu singen wie Courtney Barnett. Die Australierin wäre sicher eine gute Stand-Up-Comedian geworden, denn sie ist eine aufmerksamer und kritischer Beobachterin ihrer Umgebung. Beispiele gefällig? "I think you’re a joke but I don’t find you very funny" oder "I wanna walk through the park in the dark. I hold my keys between my fingers". Letzteres Zitat stammt aus ihrem neuen Track "Nameless, Faceless", der mit klirrenden Gitarrenmelodien und Grunge-Attitüde daherkommt. Inhaltlich ist "Nameless, Faceless" eine Ansage an frauenfeindliche Internet-Trolle, die feige Hasskommentare schreiben – oder Schlimmeres. Passend dazu hat Barnett im Refrain sogar ein Zitat von Magaret Atwood, der Autorin des dystopischen Romans "The Handmaid’s Tale", eingebaut. So geht vielschichtiges Songwriting!
Sendung: Freundeskreis, 26. Februar 2018 - ab 10 Uhr