Tracks der Woche #16/17 Inner Tongue, Joey Bada$$, Yukno, Noga Erez, Dan Auerbach
Ermittlungen im Fall "Tracks der Woche": ein wieder aufgetauchter Mittelscheitel, ein Hit wird neu aufgerollt, zwei Newcomer kommen aus der Deckung, eine Aktivistin legt Zeugnis ab und ein Mann mit vielen Gesichtern.
Inner Tongue - Underworld
Vor fast zwei Jahren erschien ein Mann mit akkurat gezogenem Mittelscheitel und schulterlangen, glatten Haaren auf der Indie-Bildfläche. Mit seiner Single "Fallen Empire" ist Inner Tongue damals aus dem Nichts aufgetaucht, hat die Fachpresse begeistert und ist danach genauso schnell wieder verschwunden. Vielleicht wollte er einfach nur abwarten, bis sich der Hype um seine Heimatstadt Wien wieder gelegt hat. Jetzt jedenfalls gibt es ein neues Lebenszeichen von ihm. "Underworld" ist ein Song, der so elegant dahinfließt wie die Bewegungen der Tänzerin im zugehörigen Video. Ein selten angenehmer Pop-Titel, der von anmutigen Synthie-Beats und der zarten Stimme des Österreichers getragen wird. Inner Tongue hat "Underworld" übrigens innerhalb eines Tages geschrieben. Da lässt sich nur erahnen, was uns auf seinem Debütalbum erwartet, an dem er gerade zusammen mit John Catlin - Mixer von Warpaint, Foals und Interpol - bastelt.
Joey Bada$$ - Devastated
Wer kennt das nicht? Man wacht auf einem Football-Feld auf, ist kurz irritiert, fängt dann an zu rappen und plötzlich steht da eine feierwütige Crowd inklusive Cheerleadern hinter einem. Zumindest in der Welt von Joey Bada$$ ist das ganz normal, zu sehen im Video zu "Devastated". Trotz seines Depri-Titels hat der Track einen für Joey Bada$$ ungewöhnlich positiven Vibe, denn das Mitglied des HipHop-Kollektivs Pro Era klingt normalerweise mehr nach Hinterhof als nach Stadion. Aber man wird ja wohl auch mal einen Feelgood-Hit raushauen dürfen. Und weil ihm der exzellent gelungen ist, verdient "Devastated" auch knapp ein Jahr nach seiner Veröffentlichung noch Aufmerksamkeit. Vor allem, weil der Text perfekt zum Werdegang des New Yorker Rappers passt. Angefangen hat er klassischerweise mit ein paar Mixtapes, dann kam eine EP und etwas später sein erstes Album "B4.DA.$$". Ganz nebenbei spielte er sogar noch eine Gastrolle in der Serie "Mr. Robot".
Yukno - Hund
Zwei Brüder aus der Steiermark, die deutschsprachige Musik machen!? Da zuckt der ein oder andere sicher erst mal innerlich zusammen, weil er spontan an Jodel-Schlager und strahlendes Zahnpasta-Lächeln vor einer Bergkulisse denkt. Aber keine Sorge, bei Yukno geht es musikalisch wie optisch ganz anders zu: Elektro-Indie-Pop ist das Stichwort. Zu hören auf der EP "König ohne Land" oder - noch besser - auf der nagelneuen Single "Hund". Darauf besingen Georg und Nikolaus Nöhrer auf clevere Art eine verflossene Liebe und ein bisschen auch das damit einhergehende Hundeleben: "Ich hab‘ den Tag umgebracht. Und du bringst mich um die Nacht." Damit die Melancholie bei dem eher schwerfälligen Text nicht überhandnimmt und das Ganze auch schön tanzbar bleibt, plätschern auf "Hund" lässige Beats kontinuierlich vor sich hin. Karrieretechnisch stehen die beiden zwar noch am Anfang, aber Yukno, die früher unter dem Namen Neodisco Musik gemacht haben, haben noch einiges vor.
Noga Erez - Off the Radar
Im vergangenen Jahr haben wir euch Noga Erez’ gefeierte Debütsingle "Dance While You Shoot" in den Tracks der Woche vorgestellt. Schon damals hatte die israelische Sängerin eine Menge Attitüde und akustisches Gespür bewiesen. Dank präzisem Songwriting und ihrer dunklen Stimme klingt die Sängerin - besonders in den Strophen - wütend und dabei trotzdem kontrolliert. Und das hat auch einen Grund: Lange Zeit wollte sich die junge Musikerin aus Tel Aviv nicht mit den politischen Umständen in ihrem Land befassen und sich mit ihrer Musik einfach nur ablenken. Aber dann kam irgendwann das Umdenken und deshalb regen ihre Songs nicht nur zum Tanzen an, sondern haben auch einen gesellschaftspolitischen Unterton. In ihrer neuen Single singt Noga Erez, unterstützt von einem flackernden Bass, über die Vorzüge des analogen Lebens. Anfang Juni erscheint dann ihre EP, die ebenfalls den Titel "Off the Radar" tragen wird.
Dan Auerbach - Shine On Me
Auch wenn Dan Auerbach momentan nicht mit den Black Keys unterwegs ist, ist der Frontmann der Band trotzdem kein "Lonely Boy" - wenn ihr versteht. Erstens hat er zwischenzeitlich auch für andere Künstler wie Lana Del Rey und Cage The Elephant produziert und so bestimmt ein paar neue Freunde gewonnen. Zweitens hat das Multitalent ja auch noch andere Bandprojekte, wie zum Beispiel The Arcs. Und drittens arbeitet der Autodidakt gerade sowieso an seiner nächsten Solo-Platte. Die vorab veröffentlichte Single "Shine On Me" versprüht dank Chor und Akustik-Gitarre eine fette Portion ansteckender Euphorie und klingt dabei wie aus einer anderen Zeit. Man wähnt sich beim Hören auf einer Wiese, auf der Menschen in langen Gewändern Tamburin spielen. Dazu gibt es ein trippy Video, in dem der Sänger gegen autofahrende Möpse, Frösche und Katzen ein Demolition-Derby gewinnt und anschließend in der Talkshow eines gelben Aliens auftritt.
Sendung: Freundeskreis, 18.04.2017, ab 10 Uhr