Tracks der Woche #17/18 Rikas, Twin Shadow, Nicki Minaj, Ben Khan, Bloxx
Die Tracks der Woche im Zeichen der Botanik: Palmen in Stuttgart, Ungewissheit im Datendschungel, kein Blatt vorm Mund, gut versteckt im Dickicht und süchtig machende Jungpflanzen.
Rikas – Picasso
Stuttgart verbindet man jetzt normalerweise nicht unbedingt mit Copacabana-Feeling. Aber das kann ja noch werden. Die vier Jungs von Rikas arbeiten jedenfalls gerade an einem Image-Wechsel und mit ihrer prickelnden Mischung aus Surf-Pop, 60er-Jahre-Beatmusik und Jangle Pop könnte das ganz gut klappen. Nicht ganz ironiefrei heißt ihre aktuelle EP “Swabian Samba“. Die daraus entnommene Single “Picasso“ liefert funky Gitarren und verträumt-unbeschwerte Vocals – das hätte easy ein leicht verdaulicher, guter Sommerhit werden können. Aber Rikas haben sich da noch einen Twist überlegt: Am Ende des Tracks packen sie eine zweiminütige, wirklich betörende Jam-Session oben drauf. “Picasso“ ist so facettenreich wie unkompliziert – ein Spagat den nicht viele schaffen. Angefangen haben Rikas als Straßenmusiker, bevor sie sich dann zur Vorband für Bands wie Bilderbuch hochgearbeitet haben. Diesen Sommer werden sie dann diverse Festivalbühnen beschallen.
Twin Shadow – When You’re Wrong
Mit seinen Erklärungen zum angekündigten Album “Caer“ verbreitet Twin Shadow schon ein bisschen Endzeitstimmung: Es soll darauf um unsere veränderte Wahrnehmung der menschlichen Existenz gehen, die mit der zunehmenden Technisierung einhergeht. An dieser Ungewissheit kann man verzweifeln – oder sie als Chance sehen. George Lewis Jr. aka Twin Shadow jedenfalls nutzt seine neue Single "When You‘re Wrong" um zu zeigen, dass er sich soundtechnisch seit seinem letzten Album "Eclipse" ziemlich weiterentwickelt hat. Seine ohnehin prägnante Stimme klingt gesetzter und trägt geradezu mühelos die Emotionalität des Tracks. Die präsente Bassline gibt “When You’re Wrong“ die nötige Substanz, während kleinere Spielereien wie der Chor im Hintergrund Abwechslung ins Spiel bringen und dem Ganzen Fülle verleihen. Zusätzlicher Fun Fact für alle Zocker: Twin Shadow taucht als DJ des spieleigenen Radiosenders in “Grand Theft Auto V“ auf.
Nicki Minaj – Barbie Tingz
Zu welchem Track tänzelt Comedian Kevin Heart leichtfüßig durch den Backstagebereich? Was hört Rapper Tyga, wenn er am Pool mit Drink in der Hand richtig ausrasten will? Ihre Instagram-Videos verraten es uns: Die neue Single “Barbie Tingz“ von Nicki Minaj. Die Rapperin hat sich nach ihrem imposanten Album “The Pink Print“ viel Zeit gelassen, um richtig auszuholen und dann umso heftiger zurückzuschlagen. “Barbie Tingz“ strotzt nur so vor Energie und ist mit dem typischen 808-Beat die ideale Plattform für Nicki Minaj, ihr Markenzeichen auszupacken: Nein, nicht ihr Hintern, sondern ihre dreckige Art zu Rappen. Da dürfen der ein oder andere Diss und der obligatorische Shoutout an die beiden Label-Kollegen Drake und Lil Wayne nicht fehlen. Die letzten Jahre gab es von der Rapperin vor allem Feature-Tracks, jetzt ist es mal wieder Zeit für einen Alleingang, der klarmacht, warum sie die derzeit erfolgreichste Rapperin weltweit ist.
Ben Khan – 2000 Angels
Wie ein scheues Reh wirkt der Produzent Ben Khan im Vergleich zu vielen seiner Kollegen. Dass er so wenig Wirbel um seine eigene Person macht, hat zwei Gründe: Erstens ist er ohnehin kein besonders extrovertierter Typ und zweitens soll sein musikalisches Schaffen im Vordergrund stehen. Das funktioniert bis jetzt ganz gut: Auch ohne Promo-Zirkus haben seine beiden EPs seine Fanbase in den letzten Jahren kontinuierlich wachsen lassen. Jetzt steht das Debütalbum ganz oben auf der Prioritätenliste des Engländers. Erste Kostprobe daraus ist die atmosphärische Single “2000 Angels“, die eine gewisse innere Unruhe vermittelt. Ein so minimalistisches wie dramatisches Intro wird gefolgt von bedrohlich pochendem Bass und Synthie und gedämpften Falsetto-Lyrics. Perfekt visualisiert hat Ben Khan die Stimmung im Musikvideo, das aussieht wie ein Crossover aus Science-Fiction-Streifen a la “The Matrix“ und Horror-Klassikern wie “Blair Witch Project“.
Bloxx – Novocain
Im breitgefächerten Rock-Genre hat es Tradition über Drogen zu singen (es heißt ja schließlich nicht umsonst Sex, Drugs and Rock’n’Roll) – ob nun kodiert wie The Beatles in “Lucy in The Sky With Diamonds“ oder ganz offensichtlich wie The Velvet Underground auf “Heroin“. In diese scheinbar endlose Liste reihen sich auch die vielversprechenden Newcomer Bloxx ein. Nach ihrer Single “Coke“ ist der Namenspatron ihres aktuellen Tracks das von Zahnärzten eingesetzte Anästhetikum Novocain. Müssen wir uns Sorgen machen um die Band aus London? Oder geht es hier nur um die Analogie des lähmenden Gefühls, das man hat, wenn darauf wartet, dass der oder die Angebetete sich endlich bei einem meldet? “Novocain“ ist jedenfalls alles andere als taub und gefühllos. Die straffen Gitarrenriffs, das schellende Schlagzeug und der von der androgynen Stimme von Sängerin Ophelia getragene Chorus haben allerdings durchaus Suchtpotenzial.
Sendung: Freundeskreis, 23.04.2018 - ab 10.00 Uhr