Tracks der Woche #28/18 070 Shake, DENA, 88rising, James Vincent McMorrow, Lauran Hibberd
Das Sinnbild einer Frau mit zwei Gesichtern, ein minimalistisches Werk, asiatische Wortkunst, ein freischaffender Künstler und ein Denkmal für alle Außenseiter - die Tracks der Woche gehören eigentlich ins Museum.
070 Shake – Mirrors
Rapper werden nicht müde zu betonen, wo sie herkommen. Ein besonders beliebtes Stilmittel ist da die Postleitzahl: Als Albumtitel wie bei Yung Hurns "1220"oder direkt im Namen mitverbaut wie bei Newcomerin 070 Shake, die ein Teil des 070-Kollektivs aus New Jersey ist. Letztere hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, dass alle Augen auf sie gerichtet sind. Und das hat zwei Gründe: Erstens hat die 21-Jährige den Refrain für Kanye Wests Track "Ghost Town"beigesteuert und der ist so außergewöhnlich schön, dass sie damit Yeezy glatt die Show gestohlen hat. Zweitens hat diese Frau mit ihrer kürzlich veröffentlichten EP "Glitter"gezeigt, dass sie nicht nur gefühlvoll singen kann. Mindestens genauso fesselnd wird es, wenn 070 Shake anfängt, wie auf ihrer Single "Mirrors"zu rappen. Dann klingt sie androgyn, lässig und kaltblütig. Mitreißende Hook und tiefgründiger Rap, vorgetragen von ein und derselben Person – das ist eine Seltenheit.
DENA – So Wrong
Ein Hoch auf den Minimalismus! Besonders, wenn er so gut gemacht ist wie bei dem Track "So Wrong"von DENA. Mühelos gleitet die Stimme der Sängerin mit bulgarischen Wurzeln über die Akkorde des elektrischen Pianos und lädt uns dazu ein, uns eine dreiminütige Auszeit zu nehmen. DENA selbst lebt in Berlin, einer Stadt, die einem viel abverlangen kann. Ihre Musik aber ist dazu der genaue Gegenpol: So trägt ihr neues Album "If It’s Written" das Vertrauen, dass sich letztendlich alles fügen wird, bereits im Titel. Statt dem Erfolg hinterher zu hetzen und die Konkurrenz mit noch turbulenteren Promo-Aktionen zu übertrumpfen, verlässt sich DENA lieber auf ihr Talent und macht auf ihrem neuen Album so gut wie alles selbst. Ein bisschen Hilfe hatte sie aber schon: Auf der neuen Single "So Wrong"holt sie ihren kanadischen Kollegen Sean Nicholas Savage zu sich ans Mikro, was dem Track eine ganz persönliche Prise Magie verleiht.
88rising feat. Higher Brothers & BlocBoy JB – Let It Go
Kennt ihr noch die Crazy 88 aus "Kill Bill“? Diese durchgeknallte japanische Leibgarde mit den schwarzen Masken, die für ein paar besonders blutige Szenen im Film sorgen? Dass der Name des Rap-Kollektivs 88rising an diese Jungs erinnert, ist bestimmt kein Zufall, denn auch sie kommen scheinbar aus dem Nichts und sind bereit alles zu geben, um ihr Ziel zu erreichen: Sie wollen asiatischen Rap richtig groß machen. Zur Combo rund um Gründer Sean Miyashiro zählen unter anderem Trap-Teen Rich Brian (der sich früher Rich Chigga nannte), der südkoreanische Rapper Keith Ape und die chinesische Vierergruppe Higher Brothers. Zusammen promoten sie fleißig Namen und Sound ihrer Crew: Letztes Jahr gab es eine Boilerroom-Session der 88rising und bald kommt ihr erstes Album namens "Head in the Clouds“. Die zweite Kostprobe daraus ist der bouncy Track "Let It Go“, der nur so strotzt vor Energie: Schnell, federnd und dank eines kreativen Mix aus Englisch und Chinesisch sehr erfrischend.
James Vincent McMorrow – Me and My Friends
James Vincent McMorrow ist einer dieser umtriebigen Singer-Songwriter, der immer, wenn er gerade ein Projekt abgeschlossen hat, schon wieder das nächste im Visier hat. Für sein Debütalbum "Early In The Morning" bekam der Musiker 2010 nicht nur in seiner Heimat Irland viel Anerkennung. Es brachte ihm außerdem den Ruf ein, ein hervorragender Geschichtenerzähler zu sein. Auf "Me and My Friends"zeigt sich James Vincent McMorrow von einer ungewöhnlich unbeschwerten Seite. Sein heller Gesang klingt nicht wie sonst zerbrechlich, sondern ganz da und satt. Den Rest erledigen die gut gelaunten Bläser. Woher der Stimmungswechsel kommt? Der Sänger hat sich von seinem Label getrennt, macht jetzt wieder Musik wie zu Beginn seiner Karriere – in Eigenregie – und genießt diese Freiheit sichtlich. Und außerdem gibt es einen freudigen Anlass für den neuen Song: Die Geburt seiner Tochter.
Lauran Hibberd – Fun Like This
Wilde Houseparties bei den wohlhabenden Eltern der Klassenkameraden sind ein Muss in jedem amerikanischen Teenie-Film: Bierpong mit roten Plastikbechern, einem Betrunkenen wird mit schwarzem Filzstift das Gesicht beschmiert und irgendwann fällt jemand vom Dach in den Pool. Und während alle scheinbar die Zeit ihres Lebens haben, läuft ein blondes Mädchen im Grunge-Look leicht verloren durch die Partymeute und stellt fest: "I don’t wanna have fun like this“. Das 20-jährige Mädchen ist in diesem Fall Lauran Hibberd von der Isle of Wight, die in ihrem Song "Fun Like This"den klassischen Interessenskonflikt 'Partybreze vs. Einzelgänger' besingt. Begleitet wird ihre wirklich reizende Stimme von zurückhaltendem Gitarrensound. Ach ja, Indie, das Genre der Außenseiter und Querdenker. "Fun Like This"anhören ist wie den Film "Juno"schauen: Ab der ersten Sekunde sind die vermeintlichen Loser die eigentlichen coolen Kids.
Sendung: Freundeskreis, 09.07.2018 - ab 10.00 Uhr