Tracks der Woche #29/18 Let’s Eat Grandma, Bonaparte, Brockhampton, Moop Mama, TedLo
Die Tracks der Woche bringen uns etwas über Kommasetzung, aussterbende Arten, Begriffsdefinition, die Neuinterpretation des Klassikers 'Romeo & Julia' und die Kunst des ersten Eindrucks bei.
Let's Eat Grandma - Hot Pink
Let's Eat Grandma. Das ist nicht nur ein beliebter Beispielsatz von Englischlehrern, um die lebenswichtige Bedeutung von Kommasetzung zu erklären (mit Komma wird Oma zum Essen gerufen - ohne wird sie selbst zum Gericht), sondern auch der Name eines sehr spannenden Duos aus Norwich in Großbritannien. Auf ihrem neuen Album "I'm All Ears" ziehen die beiden soundtechnisch so ziemlich alle Register. Alleine schon die Längen der Songs sind ziemlich unkonventionell: Von 37 Sekunden bis über 11 Minuten ist alles dabei. Besonders sticht dabei die Single "Hot Pink" heraus: Verspielter, fast schon niedlicher Mädchengesang bezirzt uns und liefert poppige Wohlfühlmomente. Dann aber scheppert es plötzlich blechern, der Bass beginnt zu wummern, die zuckersüße Kruste des Tracks blättert ab und offenbart einen überraschend harten Kern, der sich auch in den Lyrics widerspiegelt.
Bonaparte - Das Lied vom Tod
Bonaparte sind vor allem für zwei Dinge bekannt: ihre ausgeprägte Anti-Haltung, die sie in ihrem Hit "Anti Anti" besingen und ihre epischen Live-Shows mit provokanter Performance-Kunst. Eine Seltenheit dagegen ist, dass Sänger und kreativer Kopf der Band Tobias Jundt deutsch singt, wie 2012 auf einem Feature mit Deichkind und jetzt wieder auf der neuen Single "Das Lied vom Tod". Der Sprachwechsel funktioniert aber gut, schließlich ist der Herr Schweizer und kann daher auch problemlos dadaistische Texte auf Deutsch schreiben. "Das Lied vom Tod" beklagt auf einem leicht gehetzten Beat, dass mittlerweile so gut wie jedes Musikgenre schon zigmal totgesagt wurde. Wo bleibt das noch nie Gehörte? Die Innovation? Passenderweise hat sich Bonaparte als Kunstfigur erst kürzlich neu erfunden: Auf der Bühne steht der Künstler jetzt lieber im schlichten, weißen T-Shirt und nicht mehr im schillernden Kostüm - umringt von einem ganzen Zirkus.
Brockhampton - 1999 Wildfire
Die texanische HipHop-Boyband Brockhampton liefert euch den Hype-Sound der Stunde. Was die Super-Group so heiß macht, dass sie sich längst einen Major-Deal geangelt haben? Das verrät ein Blick auf die neue Single "1999 Wildfire": Die erste Hälfte steht ganz im Zeichen von astreinem Rap mit verschiedenen Einflüssen, begleitet von Upbeat-Drums und Flötenspiel. Kurz vor Ende fackelt Crewmitglied Bearface mit einer Einlage, die sogar die Backstreet Boys vor Neid erblassen lassen würde, die Bude ab - ganz wie es der Titel ankündigt. Brockhampton sind gerade dabei, den Begriff "Boyband" neu zu definieren und bringen dabei mit ihrem ambitionierten Spirit richtig Würze ins amerikanische Rap-Game.
Moop Mama - Molotow
Mit der Rückeroberung der Straßen kennen sich Moop Mama ja aus: 2016 gingen sie mit ihren selbst gebauten, roten BMX-Bikes auf Guerilla-Tour, um ihr Album "M.O.O.P. Topia" zu promoten. Weil das zum einen laut und zum anderen meistens nicht so ganz ordentlich angemeldet war, erhielten die Münchner dabei den ein oder anderen Besuch von der Polizei - wegen Ruhestörung. Auf ihrer neuen Single "Molotow" zeigen sich Moop Mama aber plötzlich auf der anderen Seite: Rapper Keno erzählt aus der Sicht eines Polizisten von seiner verbotenen Liebe zu einem echten Rebel-Girl - sozusagen Romeo & Julia der Post-G20-in-Hamburg-Generation. Neben diversen Wortspielereien gibt es auf dem Track standesgemäß Bläserpower auf die Ohren, schließlich nennt sich das Genre von Moop Mama nicht umsonst Urban Brass. "Molotow" feierte seine Live-Premiere auf dem PULS Open Air und ist die erste Single vom neuen Album, das wohl bald erscheinen wird.
Ted Lo - Lemonade
Moment mal, ist das eine alte Aufnahme eines längst vergessenen Musiksenders? Und wer ist dieser Kerl, der da im braunen Pelzmantel mit nichts drunter außer einer Schlangenleder-Leggings am Mikrofon performt? Das sind nur zwei Fragen von vielen, die sich beim Musikvideo von "Lemonade" aufdrängen. Ted Lo weiß, wie man einen einprägsamen ersten Eindruck hinterlässt und fährt bei seiner allerersten Single "Lemonade" gleich mal die ganz großen Geschütze auf. Erfreulicherweise muss der Engländer mit seinem Witz und den Nahaufnahmen seines Hinterns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er musikalisch nichts draufhat - im Gegenteil. Der Newcomer versteht sein Handwerk: Er schreibt seine Songs zunächst auf der Akustikgitarre und fügt dann Schritt für Schritt Beats und Synthies hinzu bis dieser wunderschöne, psychedelische Fusionsound aus 70er-Jahre und modernem Touch entsteht.
Sendung: Freundeskreis, 16.07.2018 - ab 10.00 Uhr