Tracks der Woche #32/18 Blood Orange, eRRdeKa feat. Corssen, Santigold, Denzel Curry, Ider
Die Tracks der Woche auf Dr. Freuds Couch: Reden über tiefsitzende Ängste und übers Liebe machen, eine überraschende Offenbarung, düstere Gedanken und ein Duo in der Selbstfindungsphase.
Blood Orange - Charcoal Baby
Die langjährige Karriere von Dev Hynes, dem Mann, der hinter Blood Orange steckt, zeigt vor allem eins: Der Kerl ist unfassbar vielseitig. Er hat soundtechnisch schon einige Stationen durchlaufen, angefangen bei Indierock bis zu 80er-Jahre Synthie-Wave gemischt mit R'n'B-Elementen. Genauso unberechenbar ist auch die Auswahl seiner Kollaborationspartner: Foals, Florence And The Machine, Solange Knowles, Kylie Minogue - die Liste geht noch ewig so weiter. Trotz dieser scheinbaren Beliebigkeit gibt es gerade in letzter Zeit durchaus einen thematischen, roten Faden. Auf seinem neuen Album "Negro Swan", das Ende August erscheinen wird, geht es erneut um die andauernden Ängste der schwarzen und queeren Community. Mit seiner Single "Charcoal Baby" gewährt uns Blood Orange einen sehr persönlichen Einblick: Aufgebaut um ein gewieftes Gitarrenriff singt er mit seiner seidigen Stimme über den täglichen Kampf, der schon nach dem Aufstehen beginnt.
eRRdeKa feat. Corssen - Liebe
Es heißt ja immer, Deutschrap wäre aggressiv und würde die Kids nur zu Gewalt und Straftaten anstiften. eRRdeKa ist gerade sehr bemüht, dieses Vorurteil zu entkräften und fordert in seinem neuen Song "Liebe" wiederholt die Leute dazu auf, gefälligst mehr Liebe zu machen. Außerdem geht es in dem Track ums Bienenretten und Bärlauchpesto aus dem eigenen Garten - also um alles andere als die Rap-Standardthemen. Auf seinem Track "Funkeln" hat sich der gebürtige Augsburger Anfang des Jahres noch gefragt, ob er wirklich Glück und Liebe braucht, wenn er richtig gut verdient. Außerdem ist der Rapper ironischerweise bei Prinz Pis Label "Keine Liebe" unter Vertrag. Bisher war eRRdeKa also nicht unbedingt der Rapper fürs Herz. Sein neuer Track funktioniert aber nicht nur wegen den süßen Lyrics, sondern auch dank dem sehr lockeren Beat von Danny Drama, der gleich zwei Shoutouts in dem Track einsackt.
Santigold – Run The Road
Normalerweise wird ein Album ja von langer Hand geplant und auch schon längst vor dem eigentlichen Veröffentlichungstermin angekündigt und promotet. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: So haut zum Beispiel Beyoncé gerne mal eine Platte ohne Vorwarnung raus. Und auch Santigold hat Gefallen an der Überraschungsmethode gefunden: Zwei Jahre nach "99¢" und einer darauffolgenden, sehr ruhigen Phase um die Sängerin, legt sie jetzt mit ihrem Mixtape "I Don’t Want: The Gold Fire Sessions" spontan nach. Darauf finden sich zehn Tracks, die sich dem Dancehall verschreiben - was nicht zuletzt an Produzent Dre Skull liegen dürfte. Die erste Single "Run The Road" glänzt mit abgespacten Synthies, frechen Hi-Hats und geschmeidigem Klavier. Dazu kommt der absolut charakteristische Gesang von Santigold. Insgesamt ein Soundkonzept, das uns zurück an ihr außergewöhnlich gutes Debüt "Santogold" denken lässt.
Denzel Curry - 13LACK 13ALLOONZ (Black Balloons)
"13LACK 13ALLOONZ" ist der Inbegriff eines funky Bangers. Ein unbeschwerter Flow, bouncy Beats und ein diesiger Vibe bestimmen den neuen Song von Denzel Curry. Hinter der gut gelaunten Fassade verstecken sich aber Lyrics, die mit heiler Welt wenig zu tun haben. Der wiederholte Satz "Let it float" im Refrain klingt zwar erstmal ganz entspannt, ist aber eigentlich - wie der Rapper aus Florida in der Strophe klarstellt - eine Anspielung an den mörderischen Clown Pennywise aus dem Horrorklassiker "Es". Und auch die Guestparts von Twelve’len und GoldLink beschäftigen sich mit düsteren Themen. Der Featuretrack ist auf dem aktuellen Album "TA13BOO" (sprich: Taboo) zu finden, das Denzel Curry in sowas wie drei Akte aufgeteilt hat: Es beginnt mit dem "Light"-Part - der auch "Black Balloons" beinhaltet - und geht dann über in die Teile "Grey" und "Dark". "13LACK 13ALLOONZ" ist also der ideale Einstieg in das Gesamtkunstwerk Denzel Curry.
Ider - You've Got Your Whole Life Ahead of You, Baby
Jetzt mal ehrlich: Fast niemand Anfang 20 hat einen Masterplan fürs Leben. Klar, es gab immer Leute, die schon lange vorm Schulabschluss wussten, was sie mal machen wollen. Medizin studieren und die Praxis der Eltern übernehmen, zum Beispiel. Aber für die meisten von uns stellt sich die nervenaufreibende Frage: Was mache ich eigentlich mit meinem Leben? Die Reaktion, die wir darauf von der älteren Generation bekommen, lautet in etwa wie der Titel der neuen Single der Londoner Band Ider: "You’ve Got Your Whole Life Ahead of You, Baby". Ein zwar lieb gemeinter, aber kaum wirksamer Aufmunterungsversuch, wenn man mitten in einer Sinnkrise steckt. Weit beruhigender sind da die samtigen Stimmen von Megan und Lily, die hinter dem Duo Ider stehen. Dazu vermittelt das optimistische Musikbett ein Gefühl der Geborgenheit. Unterm Strich bleibt festzuhalten: Ob Karrieremensch oder Trödler - der verträumte Pop von Ider ist genau der richtige Alltagsbegleiter.
Sendung: Freundeskreis, 06.08.2018 - ab 10.00 Uhr