Tracks der Woche #35/17 Dream Wife, Kelela, Jamila Woods feat. Chance The Rapper, Wolf Alice, Holy Oysters
Die Tracks der Woche halten an ihren Überzeugungen fest: Sie kämpfen für Frauenrechte, proklamieren die Auferstehung des R’n’Bs, treten Rassismus entgegen, vertrauen auf höhere Mächte und feiern es, anders zu sein.
Dream Wife – Fire
Die britische Band Dream Wife hat ihren Namen von der gleichnamigen romantischen Komödie aus den 50er-Jahren. Darin spielt Deborah Kerr eine für ihre Zeit äußerst emanzipierte Öl-Managerin, der ihre Karriere wichtiger ist als zu heiraten. Bei so einer Namensherkunft ist es auch nicht verwunderlich, dass in den Texten der All-Female-Band Dream Wife Frauenrechte ein Thema sind: "I am not my body. I am somebody“, heißt es auf der Single "Somebody“, die dieses Jahr am Weltfrauentag veröffentlicht wurde. Bei dem britischen Trio stimmt aber nicht nur die Message, sondern auch der Sound: Die Single "Fire“ steigt ziemlich unvermittelt mit einem grungy Gitarrenriff ein, das sofort seine hypnotische Sogwirkung entfaltet. Dann kommt die isländische Frontfrau Rakel Mjöll mit ihrer reizenden Stimme um die Ecke, die cooler nicht klingen könnte, und leitet damit ein sehr kurzweiliges Wechselspiel aus diesen beiden Naturgewalten ein.
Kelela – LMK
Der Style, die Location, die Kameraführung und die Choreographie – Kelela hat ganz offensichtlich die Musikvideos von Aaliyah und TLC studiert und sich für ihr eigenes Werk "LMK“ von der Ästhetik der Jahrtausendwende inspirieren lassen. Diese gelungene Hommage alleine wäre schon ein Grund, den neuen Track der 34-jährigen Sängerin zu mögen. Jetzt kommt aber noch dazu, dass Kelela eine Stimme hat, die geradezu perfekt dafür ist, dem R’n’B-Genre neues Leben einzuhauchen. Außerdem hat die Newcomerin ein ausgeprägtes Gespür für Stimmungen, denn auf "LMK“ erzeugt sie mit nur wenig Mitteln eine schwül-dampfige Clubatmosphäre. Obwohl sie schon ein paar Jahre im Geschäft ist und bereits auf diversen Platten internationaler Künstler zu hören ist – beispielsweise auf dem aktuellen Gorillaz Album "Humanz“ –, gab es bis jetzt noch kein Solo-Album der U.S.-Künstlerin. Das wird sich aber im Oktober mit ihrem Debüt "Take Me Apart“ ändern.
Jamila Woods feat. Chance The Rapper – LSD
Dass die Chemie zwischen Soul-Sängerin Jamila Woods und Chance The Rapper stimmt, haben die beiden bereits 2014 mit ihrer Hit-Single "Sunday Candy“ bewiesen. Jetzt feiert das Dream-Team mit dem neuen Track "LSD“ eine mehr als gelungene Reunion: Der zuckersüße Gesang der 27-Jährigen verbreitet positive Vibes und der entspannte Beat schreit förmlich nach Chance The Rapper. Der wiederum begeistert mit zurückgelehntem Rap und extrem niedlichen Super-Mario-Look. "LSD“ ist auf Jamila Woods‘ erstem Album "HEAVN“ zu finden, das sich inhaltlich intensiv mit Rassismus und Diskriminierung von Schwarzen in den USA beschäftigt – ohne dabei wütend oder militant zu klingen. Aber obwohl sich die Sängerin aus Chicago ihren Optimismus bewahren konnte, macht sie auf "LSD“ klar, dass es Dinge gibt, die keine Diskussion zulassen: "I won’t let you criticize. My city like my skin, it’s so pretty. If you don’t like it, just leave it alone“.
Holy Oysters – Just So You Know
Eigentlich haben sich die fünf Mitglieder von Holy Oysters über ihre gemeinsame Begeisterung für Jazz und Hip-Hop kennen gelernt. Zu hören ist davon nicht mehr besonders viel – aber zu sehen: Für ihr Video zu "Just So You Know“ haben die Pariser nämlich ihre Freunde von der HipHop-Kombo Alliance Crew verpflichtet, um zu ihrer Musik vor der Kamera zu flexen. Und das sieht erstaunlich gut aus, denn auch zu kühlen Synthie-Beats und hallendem Gesang kann man lässig seine Kette in die Kamera halten und auf der Couch rauchen. Der psychedelische Sound der Holy Oysters kommt übrigens nicht von ungefähr: Jedes Bandmitglied trägt ein Medaillon mit einem speziellen Symbol um den Hals, das für jeweils eine höhere Gewalt in einem Paralleluniversum steht. Egal ob nun mit übernatürlicher Unterstützung oder einfach Talent: Diese fünf Jungs bringen es fertig Songs zu machen, die wie eine Kreuzung aus Tame Impala und Temples klingen.
Wolf Alice – Beautifully Unconventional
"We kind of try and sit in our little corner and just stay the weirdos“, sagte Drummer Joel Amy im Interview mit NME über seine Band Wolf Alice. Was er wohl damit meinte ist, dass die Band sich nicht so richtig in eine Genre-Schublade stecken lassen will. Denn auch wenn das Londoner Quartett im weitesten Sinne Alternative-Rock macht, klingt kein Track wie der andere. Bestes Beispiel sind die neuen Songs vom bald erscheinenden Album "Visions of a Life“: Da hätten wir einmal Hardcore-Anklänge auf "Yoo Fuk“, ein bisschen Shoegaze auf "Don’t Delete The Kisses“ und – sozusagen als Brücke dazwischen – intelligenten Pop-Funk auf der aktuellen Single "Beautifully Unconventional“. Letzterer besticht vor allem mit den abgehackten Gitarren und ausbrechenden Vocals im Refrain. Übrigens haben die Londoner einen prominenten Fan der ersten Stunde: alt-J hatten Wolf Alice bereits 2015 auf Europatour mitgenommen und Sängerin Ellie Rowsell auch für das aktuelle Album verpflichtet.
Sendung: Freundeskreis, 28. August 2017 - ab 10 Uhr