Tracks der Woche #45/17 Nicky Blitz, Fever Ray, Alex Lahey, Jace feat. SDT, Rikas
Tracks der Woche wie aus dem Kuriositäten-Kabinett: ein surfender Elvis, ein singender Zombie, verwahrlostes Partyvolk, ein Lothar-Matthäus-Doppelgänger und ganz viel Tortellini.
Nicky Blitz – Blast Off
Packt die Hawaii-Hemden und die gestreiften Bretter aus – Surf-Rock ist zurück! Nicky Blitz ist dank seiner Herkunft – er kommt aus dem San Fernando Valley an der südkalifornischen Küste – geradezu prädestiniert, um den ungezügelten Sound der 60er-Jahre wieder salonfähig zu machen. Allerdings in seiner eigenen Variante. Denn obendrauf packt der Sänger seine bemerkenswerte Stimme im Stil des 50er-Jahre-Elvis. Flashbacks sind ganz klar das Ding des Multi-Instrumentalisten und Songwriters. Also warum nicht auch einfach mal ein Revival des eigenen Songs feiern? Die Single "Blast Off" tauchte schon vor ein paar Jahren kurz auf. Jetzt hat sie einen neuen Anstrich bekommen und erstrahlt in neuem Glanz: Zu "Blast Off“ lässt sich nicht nur hervorragend Twist tanzen, genauso kann man dazu wippend an der Bar stehen und sich dabei so cool wie James Dean vorkommen.
Fever Ray – To The Moon And Back
Viel Nebel, seltsame Schlauchkonstruktionen und ein eher mäßig fit aussehendes Wesen, das in einem Glaskasten liegt – das Video zu "To The Moon And Back” beginnt wie ein trashiger Horrorfilm. Dahinter steckt die für ihren düsteren Stil bekannte Künstlerin Fever Ray. Die Schwedin geht gerne mal den unkonventionellen Weg: 2009 hat sie nicht nur ihr selbstbetiteltes Album veröffentlicht, sondern auch den Soundtrack zu einer Sammlung feministischer Porno-Kurzfilme beigesteuert. Auf ihrer neuen Single "To The Moon And Back“ zeigt sich die Sängerin mit der mechanischen Stimme aber von einer ungewohnt liebevollen Seite: Über einem elektronischen Musikbett, das so niedlich ist wie Hello Kitty, verteilt die 42-Jährige kleine Liebeserklärungen – die allerdings auch mal ins Derbe abrutschen. Fever Ray ist sowieso immer für eine Überraschung gut: Ihr neues Album "Plunge“ hat sie ohne viel Tamtam einfach online gestellt.
Alex Lahey – I Haven’t Been Taking Care of Myself
Erst vor wenigen Monaten hat Alex Lahey mit "Every Day’s The Weekend” der Frustfeiern-Taktik einen Song gewidmet. Da ist ihre nächste Schlussfolgerung "I Haven’t Been Taking Care of Myself“ nur logisch. Schließlich ist das ein Gedanke, der so ziemlichem Jedem beim verkaterten Blick in den Spiegel schon mal gekommen ist. Die australische Sängerin schafft es aber, auch in dieser misslichen Lage positiv zu bleiben. Was soll‘s, wenn die Klamotten nicht mehr passen und die Haut aussieht wie damals mit 15 Jahren? Das wird schon wieder. Und ihre aktuelle Single ist nicht das erste Mal, dass die die 25-Jährige klassische Probleme ihrer Generation in poppige Indie-Tracks verpackt: Der Titel ihres Albums beispielsweise lautet "I Love You Like A Brother“. Alex Lahey schreibt ihre Songs mit viel Fingerspitzengefühl. Dabei hat sicherlich auch das intensive Studium der Songs von Tegan and Sara geholfen, mit denen sie auf Tour war.
Jace feat. SDT – Apfelladen
"Frise wie ein junger Lothar Matthäus”, rappt Newcomer Jace, der in Sachen "untragbare Frisur abfeiern" tatsächlich ziemlich weit vorne ist. Der Hamburger und seine Crew pushen gerade eine spannende Version von Trap nach vorne, die mit Tempo und Wortgewalt statt Zeitlupen-Gestammel überzeugt. Unterstützt wird Jace auf der Turn-Up-Single "Apfelladen“ vom Rest des Trios SDT, das seinen Sound ganz bescheiden mit den Worten ‚Rap aus Titan, Flows aus Honig‘ beschreibt. Außerdem hängen bei Jace auch noch die Produzenten Marú und Skool Boy mit drin und irgendwie auch Niklas Zeiner, der Videoproduzent mit dem Faible für VHS-Optik. Zusammen gibt das die Flavor Gang – und die hat Bock auf Randale. Der richtige Ort dafür ist auch längst gefunden: Während sich früher die zwielichtigen Jugendlichen noch am Busbahnhof getroffen haben, chillt man heute besser vorm Applestore – weil es da WLAN umsonst gibt und es außerdem Style hat.
Rikas – Tortellini Tuesday
Die ewig leidige Frage, was man heute kochen könnte, hat Sheldon Cooper aus "The Big Bang Theory“ mit einem strikten Essensplan ein für alle Mal gelöst. Die Indie-Band Rikas scheint da ähnlich gepolt zu sein: Ihre neue Single trägt den klangschönen Namen "Tortellini Tuesday“. Nach pedantischem Kontrollzwang klingt der Track aber trotzdem nicht. Im Gegenteil. Rikas machen lässigen Surf-Pop, zudem sie hier und da ein bisschen britische Beatmusik mischen. Das Ergebnis: Ein verträumter Song über ein Mädchen, das an einem Dienstag Geburtstag hat. "Unkompliziert" ist bei dieser Band das Stichwort. Mit ihrer charmanten Art haben sich die Stuttgarter auf diversen Festivals und als Vorband für beispielsweise Bilderbuch bereits eine ordentliche Fanbase erspielt. Wird also höchste Zeit, dass die vier Jungs ihre erste EP raushauen und bis dahin ist einfach jeder Tag "Tortellini Tuesday“.
Sendung: Freundeskreis, 6.11.2017 - ab 10.00 Uhr