Tracks der Woche #51/17 ORI, Jinka, Nilüfer Yanya, Lil Uzi Vert feat. Nicki Minaj, Andrew Applepie feat. Ed Prosek
Perfekt unperfekt: Die Tracks der Woche glänzen mit handgemachten Sounds, einem gelungenen Spagat, kompromisslosem Minimalismus, endloser Gelassenheit und unbändigem Fleiß.
ORI – On The Floor
Schritt für Schritt baut Ori Alboher aus Jerusalem seine Tracks auf. Ganz gemächlich, sodass jeder Baustein wirken kann und das oft düstere Endergebnis seine unwiderstehliche Sogwirkung entwickeln kann. Die neue Single "On The Floor“ von seinem zweiten Album "1986" ist da keine Ausnahme: Getragen von der erhabenen Stimme des 29-Jährigen ergießt sich eine mystische Soundlandschaft. Von überproduziertem Kommerz ist "On The Floor“ dabei weit entfernt, denn ORI spielt jedes seiner Samples selbst ein – und zwar zu Hause im Schlafzimmer. Da schleichen sich schon mal seltsame Soundschnipsel ein, die man nicht zuordnen kann, zum Beispiel dieses immer wiederkehrende Quietschen auf "On The Floor“. Was andere Produzenten vermutlich in der Nachbearbeitung ausradiert hätten, zelebriert der Wahlberliner. Ganz klar, das Unkonventionelle liegt dem Künstler mit dem Vollbart und der Pelzmütze.
Jinka – Shock Mounted
Auch wenn der Großteil des Videos zu "Shock Mounted“ Sängerin Jinka in einem seltsam ausgekleideten Raum zeigt, in dem sie hoch ästhetisch Zeitschriften liest und mit einer Mikrowelle hantiert, ist das Highlight ganz klar die kurze Cut-Scene, in der sie mit ausladendender Gestik vor einer Kinderbuchkulisse tanzt. Aber nicht nur visuell, sondern auch soundtechnisch bekommt man bei "Shock Mounted“ viel geboten, denn der Track schafft den idealen Spagat: Der Vibe ist extrem fröhlich, aber nicht nervig. Der in letzter Zeit so überstrapazierte Synthie klingt bei Jinka plötzlich wieder frisch und neu. Genau so entsteht schicker, cleverer Elektro-Pop. Welch ein Glück, dass die Newcomerin den Weg aus Transsilvanien nach Berlin gefunden hat, sonst wäre uns dieser spannende Sound vielleicht ewig verwehrt geblieben.
Nilüfer Yanya – Baby Luv
Nilüfer Yanya hätte es wie viele ihrer Kolleginnen machen und sich einen leicht zu merkenden Künstlernamen ausdenken können. Die 22-Jährige denkt aber gar nicht dran. Wer auf ungekünstelte Gitarrenmusik mit starker, leicht heiserer Frauenstimme steht, der wird sich ihren Namen wie ein Mantra einprägen. Die Newcomerin gehört ansonsten aber eher zur zurückhaltenden Art: Auf ihrer aktuellen Single "Baby Luv“ lässt sie alles weg, was nicht unbedingt nötig ist, und kreiert so einen besonders unvermittelten Klang. Ein bisschen hört man da auch ihre Heimatstadt London heraus. Ähnlich wie andere Künstler der Metropole – Kate Tempest oder King Krule beispielweise – hat sie diese ungeschliffene, ehrliche Art und ein ausgeprägtes Interesse an Politik.
Lil Uzi feat. Nicki Minaj – The Way Life Goes Remix
Wer braucht bei einem fast fünfminütigen Track schon ein Intro? Lil Uzi Vert und Nicki Minaj jedenfalls nicht, denn der gemeinsame Remix von "The Way Life Goes“ steigt gleich voll ein. Das macht Sinn, denn Nicki ist bekannt für ihr zügelloses Tempo und legt dementsprechend gleich mal eine Zusammenfassung auf den Tisch, warum sie seit acht Jahren die Queen of Rap ist. Der sedierte Part von Uzi dient da als perfekter Ausgleich. Dieser Gegensatz zeigt sich übrigens auch im Video: Während Nicki in einer Jagdhütte mit Buschmessern posiert, ist der Rapper bewegungsunfähig an einem Baum gefesselt. Aber selbst im Angesicht des Todes fällt der 23-Jährige nicht aus der Rolle: Tiefenentspannt lässt er bedröppelt dreinschauend alles über sich ergehen. Und Lil Uzi hat Grund zur Gelassenheit, denn 2017 war ein gutes Jahr für ihn: Sein futuristischer Trap-Sound kommt an, sein Debütalbum "Luv Is Rage 2“ hat es in den USA sogar auf Platz Eins geschafft.
Andrew Appelpie & Ed Prosek – Don’t Fuck This Up
Andrew Appelpie, der Regensburger Produzent mit dem köstlichen Namen, hat sich für seine neue Single "Don’t Fuck This Up“ mit dem kalifornischen Sänger Ed Prosek zusammengetan. Das Ergebnis ist ein Track, der mit seinem ruhigen Klavier-Intro erst mal nicht vermuten lässt, dass sich da wenige Sekunden später eine heftige Energieentladung anbahnt. Schwer zu sagen, welcher Part des Tracks mehr Spaß macht. Allerdings ist das Zusammenspiel zwischen Ed Proseks prägnanter Stimme und dem scheppernden, blechernen Bass schon wirklich kaum zu toppen. Spannende Produzenten gibt es momentan im Elektro-Bereich ja viele, aber kaum einer geht mit solch immenser Detailverliebtheit und handwerklichem Wissen wie Andrew Appelpie an die Sache ran. Dazu ist der Kerl auch noch extrem fleißig: Allein dieses Jahr hat er fünf Alben rausgehauen – die passenderweise Titel wie "This Amount of Songs Almost Broke the Internet Vol. 1" tragen.
Sendung: Freundeskreis vom 11.12.2017 - ab 10 Uhr