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Ruhmeshalle Feist - Let It Die

Flockige Songs und eine unvergleichlich zarte Stimme: Mit ihrem zweiten Album erobert Leslie Feist im Jahr 2004 die Herzen der Indie-Jungs und -Mädchen. "Let It Die" ist aber weit mehr als eine verspielte Pop-Platte.

Von: Hardy Funk

Stand: 05.02.2014 | Archiv

Feist | Bild: Frederique Veysset

Im Sommer 2004 ist meine Welt ganz einfach. Ich bin mit Haut und Haaren Fan des neuen, aufregenden Indie-Rock aus New York und London: Meine Helden heißen The Strokes, The Libertines und Yeah Yeah Yeahs: Rebellen mit krachenden Gitarren. Underground-Musik eben.

Sanfter Pop steht unter Mainstream-Verdacht und kommt mir nicht in die Tüte. Doch dann läuft bei einer Freundin eine CD, die das schlagartig ändert.

Feist klingt auf ihrem zweiten Album "Let It Die" so dermaßen blumig. Die kann unmöglich aus der Indie-Szene kommen, denke ich. Aber mir fällt schnell auf, dass das Album tiefer geht als gewöhnlicher Pop. Obwohl ihre Songs luftig und leicht klingen, singt Feist von Verlust, Unsicherheit und flüchtiger Liebe. Wie im Track "Gatekeeper", in dem sie von einem Pärchen erzählt, das im Sommer noch schrecklich verliebt ist und sich im Winter schon wieder gegenseitig langweilt.

Durch und durch goldrichtig

Glasklar, sanft, zerbrechlich, aber doch bestimmt: Am meisten beeindruckt mich Feists unverwechselbare Stimme. Sie schafft es, dass ihr Gesang nie nach harter Arbeit, sondern immer absolut natürlich klingt. Sie packt einen sofort. Selbst wenn Feist die Bee Gees covert.

Überhaupt covert Feist alles vom Volkslied bis zum Pop-Hit. Und auch bei ihren eigenen Songs bedient sie sich bei so ziemlich jedem Genre: Von Folk über Bossa Nova und French Pop bis zu Jazz. Dabei gelingt es ihr, dass am Ende kein zusammengewürfelter Genremix herauskommt, sondern ein stimmiges Album, auf dem sich selbst kitschiger R'n' B goldrichtig anfühlt.

Ein Wolf im Schafspelz

Zugegeben: Auf "Let It Die" hört man nicht, dass Feist schon mit fünfzehn in einer Punkband gespielt, einst mit Peaches zusammengewohnt hat und mit ihr getourt ist. Und auch nicht, dass sie früher mit Broken Social Scene im Studio und auf der Bühne stand. Aber auch wenn ihre Solosongs sanft und verspielt klingen: Im Kern sind sie äußerst ernst und verblüffend ehrlich.

Die Strokes, Libertines und Yeah Yeah Yeahs höre ich heute eigentlich nur noch, wenn sie zufällig in einer alten Party-Playlist auftauchen. "Let It Die" von Feist krame ich aber immer wieder heraus. Denn sie hat mich überrascht. Feist ist ein Wolf im Schafspelz. Und mit diesem Album hat sie mich gerissen.


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