Ruhmeshalle Massive Töne - Kopfnicker
"Bambule" von Absolute Beginner hat den Deutschrap-Hype 1998 ausgelöst. Trotzdem ist "Kopfnicker", das Debüt von Massive Töne, 1996 schon die einflussreichere Platte gewesen.
Mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich diesen Beat das erste Mal im Radio gehört habe. Diesen ständig sich wiederholenden einzelnen Klavierakkord über staubtrockene Drums gelegt, mit gescratchten Sprachfetzen als Refrain und deutschem Rap drüber. Was geht da ab? Wer ist das? Ich hab auf meinem Kassettenrekorder sofort auf Aufnahme gedrückt. Knapp sechs Minuten später meint der Moderator: Vom neuen Album der Massiven Töne – "Kopfnicker". Das war mir schon fast egal: zurückspulen, noch mal hören, zurückspulen, noch mal hören. Eine Offenbarung.
Es ist nicht wo du bist, es ist was du machst
"Kopfnicker" hat 1996 Rap in Deutschland erst zu Rap gemacht. Schowi, Ju, Wasi und DJ 5ter Ton haben allen anderen Rappern im Handumdrehen und ohne jegliche Battlezeilen gezeigt: Ihr habt alle keinen Flow! Die ach so kantige deutsche Sprache kann doch butterweich fließen. Das muss ihnen bis heute erst einmal nachgemacht werden.
"Es ist nicht wo du bist, es ist was du machst." Eine der ureigenen Messages von HipHop, eine, die Deutschrap jahrelang dominiert hat, eine, die von den Massiven als erste ganz groß geschrieben wurde. Es reicht nicht nur, aus einer bestimmten, grad angesagten Stadt zu kommen - es geht darum, eigen zu sein, ein Original. Es geht um Rap als Wortkunst. Kurz: um Styles und Skills.
"Kopfnicker" war auch musikalisch so revolutionär, dass man erst einmal total erschlagen versucht hat, sich das Album zu erklären. Das hier klingt nach Wu-Tang, das nach Gangstarr, hier was nach A Tribe Called Quest. Aber das führte alles nur ins Leere. Klar, es handelt sich um Beats nach amerikanischem Vorbild. Aber schnell hatte man kapiert: Das kommt aus Stuttgart – fertig.
"Am langen Samstag im Monat war ich krank, ich packte meinen Rucksack und verschwand, dorthin, wo man mich richtig kennt. Ich und die Massiven Richtung Süden, wir glänzten vor hunderten HipHop-Fans während ich schwänzte."
Massive Töne - Nichtsnutz
Wenn Wasi auf "Nichtsnutz" diese Zeilen rappt, ist HipHop tatsächlich zum Anfassen echt! Das HipHop-Gefühl, das man auf Underground-Jams Mitte der 1990er hatte: Wir sind anders und unbeachtet, aber hier sind wir, wir sind HipHop. Ohne "Kopfnicker" hätte es den Deutschrap-Hype zwei Jahre später nicht gegeben. Ein Meilenstein.