Gaslighting Wenn Psychoterror das Leben zerstört
Immer wieder sagt ihre Mutter Carola, dass ihre Wahrnehmung falsch ist. Irgendwann denkt Carola deswegen, sie sei verrückt. Dabei war sie das Opfer von heftiger Manipulation, dem Gaslighting.
Carola heißt eigentlich anders, ist Ende 30 und wohnt in der Nähe von Karlsruhe. Sie möchte nicht erkannt werden, denn sie hat lange geglaubt, sie sei verrückt. Ihre Studienzeit war geprägt von täglicher Todesangst, unzähligen Arztbesuchen, Flucht aus Seminarräumen, Verkriechen in ihrem Zimmer und Therapieversuchen. Von einem unbeschwerten Studentenleben, war Carola meilenweit entfernt.
"Ich habe schon fast mein gesamtes Leben mit Depressionen, Panikattacken, Angststörung zu tun."
Carola
Von klein auf manipuliert
Angefangen hat es, als Carola noch klein war. Ihre Mutter redete ihr ein, man könne ihr nicht über den Weg trauen. Der Familie und Freunden erzählte Carolas Mutter Lügen über sie. "Wie schwierig ich sei, wie anstrengend und sie wurde nicht müde, mir zu sagen, wie sehr andere Menschen sie dafür bewunderten, dass sie mit mir schrecklichem Kind überhaupt fertig würde", beschreibt Carola die täglichen Tiraden. Carolas Mutter hat sie ihr Leben lang manipuliert. Ihr eingeredet, Dinge seien nicht so geschehen, wie sich Carola daran erinnerte.
"Auf dem Höhepunkt dieser Krisenjahre konnte ich oft nicht mehr unterscheiden, was Innen und was Außen ist. Das heißt, ich hörte beispielsweise Bremsen eines Autos quietschen und dachte, es sei meine Lunge, die pfeift und dass ich gleich sterben würde."
Carola
Als Carola angefangen hat zu arbeiten, wurde es langsam besser. Im Internet googelte sie Mutter-Tochter-Beziehungen und stieß auf den Begriff Gaslighting.
Was ist Gaslighting?
Gaslighting ist eine Form der psychologischen Manipulation, sagt die Psychologin Dr. Bärbel Wardetzki. Der Unterschied zu anderen Manipulationsarten ist, dass die Täter absichtlich versuchen, andere zu verunsichern und ihnen bewusst zu schaden.
Der Begriff Gaslighting wurde durch den Film "Das Haus der Lady Alquist" aus den 1940er Jahren bekannt. Darin versucht ein Heiratsschwindler an das Geld einer reichen Frau zu kommen. Dafür manipuliert er immer wieder Gegenstände im Haus, lässt sie verschwinden und redet der Frau ein, sie seinen nie da gewesen. Nach und nach treibt er sie so in den Wahnsinn. Damit ist Gaslighting eine besonders schwere, weil schädigende, Form der Manipulation.
Die eigene Welt mit Freunden, dem Partner und Familie besprechen – das machen wir alle, jeden Tag. So checken wir, ob wir richtigliegen. Wenn dann ein Mensch, der einem nahesteht, immer wieder in Frage stellt, was man selbst gesehen, gefühlt oder getan hat. Das kann in einer Eltern-Kind-Beziehung sein, wie bei Carola, oder zum Beispiel in einer Liebesbeziehung.
"Es geht um Macht und dass ich sie behalte, dass ich den anderen dominiere. Ein Gaslighter ist ein Mensch, der eigentlich wenig Achtung vor dem Anderen hat und möglicherweise nur in seinem eigenen System kreist."
Dr. Bärbel Wardetzki, Psychologin
Je früher es beginnt, desto dramatischer
Besonders schwerwiegend ist es, wenn die Manipulationen im Kindesalter anfangen, erklärt Dr. Wardetzki. Denn als Kind ist man abhängig von der Zuwendung der Eltern, "damit wir überhaupt überleben." Deswegen glauben Kinder das, was die anderen - vor allem die eigenen Eltern - sagen. Das kann natürlich zu einer enormen inneren Verwirrung führen, sagt Dr. Wardetzki.
Wird diese Verwirrung nicht korrigiert, gibt es keinen Außenstehenden, der dem Kind zeigt, dass es richtig empfindet, kann der oder die Betroffene auch als Erwachsener an Selbstzweifeln zerbrechen.
"Dadurch wurde jedes Treffen mit anderen Menschen zu einer Qual, egal ob beruflich oder privat. Ich überlegte anschließend stundenlang, ob ich mich wohl in irgendeiner Weise unmöglich verhalten hatte, ohne es zu merken. Ich habe fest damit gerechnet, dass man mir Job oder Freundschaft kündigen würde."
Carola.
Carola hat einen Ausweg gefunden
Carola hat eine Verhaltenstherapie gemacht und hat es so geschafft, die Folgen des Gaslighting durch ihre Mutter zu überwinden. Dass die Wunden aber jemals ganz heilen werden, glaubt Carola nicht.
"Ich glaube nicht, dass es jemals vollkommen ok sein wird. Aber ich bin heute zumindest weit von dem entfernt, wie es mir vor 15 Jahren noch ging. Das ist schon mal ganz gut."
Carola
Dass sie das heute so sagen kann, liegt daran, dass sie jetzt Strategien kennt, mit denen sie die Manipulationen aufdecken kann. Damit andere Betroffene nicht das Gleiche durchmachen müssen wie sie, hat sie folgende Tipps:
"Glaubt an Euch selbst. Sprecht mit anderen, sucht Euch Verbündete, ob Freunde oder Familie. Sucht Euch Hilfe. Therapeuten können feststellen, ob ihr von Gaslighting betroffen seid und euch raushelfen. Brecht den Kontakt zum Täter ab und erwartet keine Einsicht vom Täter, die werdet Ihr wahrscheinlich nicht bekommen."
Carola
Buchtipp
Bärbel Wardetzki, Sonja R. (2018): Und das soll Liebe sein? Wie es gelingt, sich aus einer narzisstischen Beziehung zu befreien
Sendung: Filter vom 16.11.2018 - ab 15 Uhr