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Interview // Benedict Wells Jemand Zeit für nen 35 Jahre langen Filmdreh?

Die Bücher von Benedict Wells haben Leinwandqualität. Sein Roman "Becks letzter Sommer" wurde 2015 mit Christian Ulmen verfilmt. Ob er für seinen neuen Roman auch schon den Idealcast im Kopf hat, verrät er uns im Interview.

Von: Ron Kühler

Stand: 10.03.2016 | Archiv

Der Schriftsteller Benedict Wells zu Besuch bei PULS | Bild: BR

Drei Romane hat Benedict Wells schon veröffentlicht, darunter "Becks letzter Sommer" und "Fast genial". Ende Februar kam sein vierter Roman raus: "Vom Ende der Einsamkeit". Darin geht's über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit und über die Frage, was in einem Menschen unveränderlich ist. Wir haben mit ihm über seine Leidenschaft zum Schreiben gesprochen, ob man damit reich werden kann und wer die Hauptrolle spielen könnte - falls auch sein neuer Roman verfilmt werden sollte.

Wir haben von dir vorab eine ganze Liste an Musik geschickt bekommen, die wir gern für dich spielen dürfen. Darunter war zum Beispiel "Neighborhood #1" von Arcade Fire. Spielt Musik eine große Rolle für dich beim Schreiben?

Ich höre sehr gern Musik beim Schreiben, um mich in bestimmte Stimmungen hineinzuversetzen. Eigentlich mache ich zu jedem Buch eine Playlist mit mindestens 100 Titeln. Die läuft dann oft beim Schreiben - nicht immer, aber manchmal ist man zum Beispiel traurig und muss was Beschwingtes schreiben, dann hilft es, wenn man die passenden Songs dazu hört.

Was ist auf so einer Playlist so drauf?

Bei "Vom Ende der Einsamkeit" waren es Songs wie "Landslide" von Fleetwood Mac, "Down To The Sea" von Elephant Revival, "This Must Be The Place" von Talking Heads oder "I Still Do" von I Am Kloot. Wäre das Buch ein Film, wäre der Abspannsong "Across The Universe" in der Version von Fiona Apple.

Wie lang brauchst du für ein Buch?

Das ist unterschiedlich. Für "Vom Ende der Einsamkeit" habe ich sieben Jahre gebraucht, das dürfte aber auch das Maximum bleiben. Beim nächsten Roman werden es eher drei.

Du hast aber schon auch was zwischendurch gemacht oder? Oder hast du dann sieben Jahre durchgeschrieben?

(lacht) Ohne Pause, ohne Essen, ohne Schlaf.

Nee, ich meine das ernst: Wie lang braucht man für so ein Buch? Ich habe noch nie einen Text geschrieben - ah doch, meine Magisterarbeit, die war 100 Seiten lang - hat aber auch ein halbes Jahr gedauert... 

Ja, das dauert einfach, und das Buch hatte auch ursprünglich 800 Seiten. Ich hab's dann im Lauf der Jahre auf 350 Seiten gekürzt. Ich wollte auf die Essenz herunter, und dass es möglichst dicht und spannend erzählt ist. Außerdem wollte ich auch bewusst ein paar Lücken lassen, die dann der Leser selbst füllen kann, die ich nicht auserzählt habe. Das hat auf jeden Fall lang gedauert, wie auch die Sprache. Daneben hatte ich aber auch immer noch ein anderes Projekt. Weil ich es sehr gut finde, wenn man ein Manuskript auch mal ein paar Wochen weglegen kann. Teil des Schreibens ist ja auch, nicht zu Schreiben und darüber nachzudenken. Diese Zeit wollte ich mir diesmal nehmen.

Muss man sich aber auch leisten können. Ich glaube so Groschenromanautoren können das nicht. Bei denen geht's um Output.

Ich hatte großes Glück. Als ich in Barcelona gelebt habe, war ich wieder auf der Kellnerstufe gelandet, ich hatte keine Versicherung, alles war Mist. Und auf einmal war "Fast Genial" ein Erfolg, das hat mich gerettet. Das hat mir die Zeit gegeben, mich jetzt mal wirklich ein paar Jahre um das Buch zu kümmern.

Kann man denn reich werden mit Büchern?

Ja, aber ganz, ganz selten. Es gibt schon ein paar Leute, die wirklich reich damit werden. Aber um das zu erreichen, müsste man auch wirklich pausenlos ins Fernsehen. Und das möchte ich nicht. 

Warum nicht?

Ich find's gut, die Bücher mit meinen Geschichten zu verkaufen und nicht mit meinem Privatleben.

Aber es ist ja auch ein Geschäft, oder? Ich meine, du musst davon leben...

Genau, und jetzt kommt's: Es ist für mich kein Geschäft. Es ist wirklich Leidenschaft. Und auch wenn das pathetisch klingt: Es sind für mich keine Pseudoworte, ich mein's ernst. Ich kann auch einen Nebenjob haben, um davon zu leben. Ich möchte einfach nicht dauernd ins Fernsehen und überall sagen: "Hier ist mein neues Buch". Weil es dann eben doch irgendwann ein Geschäft für mich wäre. Und das will ich vermeiden. Ich möchte, dass es meine Leidenschaft bleibt.

Das ist ein sehr hehres Ziel in deinem Leben.

Ja, aber ich will mir da auch eine gewisse Empfindsamkeit bewahren und eben nicht so einen zynischen Blick auf das bekommen, was ich mache. Es macht mir ja Spaß. Ich habe kein Problem damit, wenn's denn sein sollte, nebenbei wieder was zu machen und zu arbeiten. Hauptsache ich kann weiter aus Spaß heraus schreiben, und nicht weil ich Geld verdienen muss.

Wenn man sieben Jahre an einem Buch schreibt, weiß man dann danach noch, was auf der ersten Seite steht? Oder muss man dann ab und zu auch selbst nochmal nachgucken?

Nein, ich schreibe ja mehrere Fassungen. Es gibt viele Autoren, die schreiben nur eine einzige Fassung, allerdings sitzen sie auch Jahre daran. Ich selbst schreibe dagegen lieber zehn, zwölf Fassungen und schaue immer wieder auf das zurück, was ich gemacht habe. Und versuche mich dann von Fassung zu Fassung zu verbessern.

Dein Debütroman "Becks letzter Sommer" wurde letztes Jahr sogar verfilmt. Schon Jahre davor hast du Christian Ulmen einen Brief geschrieben, mit der Bitte, dass er die Hauptrolle spielt. Letztes Jahr lief der Film dann tatsächlich im Kino - mit Christian Ulmen als Beck.

Was für ein Irrsinn, dass das wirklich funktioniert hat. Ich war damals, als ich das Buch schrieb, 21 und habe dauernd Absagen bekommen. Man schwankt eigentlich ständig zwischen den beiden Extremen "ach das klappt nie" und "wenn dann die Verfilmung kommt, dann könnte Christian Ulmen die Hauptrolle spielen". Als das Buch dann erschien, habe ich mitbekommen, dass es einen Link zwischen Ulmen und meinem Verlag gab. Da dachte ich mir, versuchen kannst du's ja mal, und hab ihm dann eben 2008 einen Brief geschickt. Ich musste ihn allerdings ungefähr 10 Mal neu schreiben, weil ich jedes Mal einen Fehler reingemacht oder mich verschrieben habe.

Also hast du ihn mit der Hand geschrieben?

Ja, natürlich.

Und mit Füller...

Nee, nee, mit dem Karstadt Kugelschreiber. Ich hab ihm dann jedenfalls den Brief geschickt und danach hab ich erstmal nichts gehört. Und dann kam Monate später plötzlich eine Mail von ihm: "Ja, ich würde es eigentlich gern machen, lass uns doch mal treffen." Und ich dachte mir "Waaas?!". Und dass es dann wiederum sechs Jahre später tatsächlich geklappt hat und das Ding ins Kino gekommen ist, war dann natürlich unglaublich.

Wenn du mit Hand Briefe schreibst - schreibst du aber nicht auch noch deine Bücher mit Hand, oder?

Nein, ich hasse es eigentlich mit der Hand zu schreiben, deshalb brauchte ich ja auch zehn Versuche bei dem Brief. Ich schreibe lieber mit dem Computer.

Wem hast du denn jetzt für den neuen Roman einen Brief geschrieben? Wer soll bei "Vom Ende der Einsamkeit" die Hauptrolle spielen?

Ach, soweit denke ich dieses Mal gar nicht. Weil die Handlung sich ja über 35 Jahre erstreckt und ich glaube, wenn das wirklich verfilmt werden sollte, dann müsste da jemand her, der eine starke eigene Vision hat. Und ich würde da auch sagen, bitte mach einfach wie du denkst, und würde mich komplett raushalten.

Da gab's doch diesen Film, in dem so ein Junge über 12 Jahre gefilmt wurde...

Ja, "Boyhood", einer meiner Lieblingsfilme.

Da hättest du doch ein neues Projekt – ein 35 Jahre langer Filmdreh!

(lacht) Wir wollen's ja nicht übertreiben. "Boyhood" war super, den kann man eh nicht übertreffen.

Dann wäre er kurz vor der Rente fertig, der Film...

Ich kann ja jetzt damit anfangen.


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