Interview // Laurie Penny "Zombiestories sind die idealisierte Version des rechten Flügels"
Die Feministin Laurie Penny lieben wir spätestens seit ihrem Manifest "Fleischmarkt". Jetzt schreibt sie Sci-Fi-Kurzgeschichten. Im Interview erklärt sie, wie das zusammenpasst und warum Zombiefans Angst vor der Revolution haben.
PULS: Laurie, man kennt dich ja vor allem für deine politischen Essays. Warum schreibst du jetzt Fiction?
Laurie Penny: Ich habe schon immer gerne Fiction gelesen. Als Kind wollte ich immer Schriftstellerin werden. Aber dann als Jugendliche wurde ich ziemlich krank und ich habe aufgehört zu schreiben. Als vor drei Jahren mein Vater unerwartet starb, hatte ich keinen Kopf für Politik, aber ich musste schreiben. Also habe ich wieder angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben. Ich lese auch fast nur Fiction. Als ich klein war, war eine meiner größten Ängste – neben einem Atomkrieg und einer Umweltkatastrophe – dass ich schon alle Bücher ausgelesen hatte. Klingt doof, aber als Kind weiß man eben nicht wie viele gute Bücher es gibt. Unterbewusst will ich deshalb wohl ein Buch beisteuern, weil man das in einer Gemeinschaft eben so macht: Wenn du etwas benutzt, dann gibst du auch etwas zurück - sofern du kannst. Deswegen will ich auch irgendwann einen Roman schreiben – weil es schrecklich wäre, wenn uns irgendwann die Bücher ausgingen.
In deinen Kurzgeschichten schreibst du meistens über außergewöhnliche Frauen. Was braucht ein guter weiblicher Charakter?
Diese Diskussion über "starke weibliche Charaktere," die es in der Science-Fiction-Community und unter Fernsehleuten gibt, finde ich bescheuert. Das ist ein komisches Konzept. Wir müssen starke Charaktere schreiben – und wenn die dann zufällig Frauen sind, ist das super. Vor allem männliche Autoren haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie eine starke Frau auszusehen hat - und diese Vorstellung entspricht definitiv keinem starken Charakter: Eine starke Frau trägt Leder und tritt Leuten in den Arsch und sie hasst das Patriarchat – aber sie bekämpft es nicht auf der Systemebene, sie bekämpft nur Männer. Es gibt viele Arten, stark zu sein. Und manchmal ist es auch okay, nicht stark zu sein. Das wollte ich auch zeigen.
Was ist dir wichtig beim Schreiben von Science Fiction?
Ich will keine Geschichten über krasse Triumphe schreiben. Das finde ich langweilig. Ich will zeigen, wie meine Figuren kämpfen und gewinnen. Und was sie opfern müssen, um zu gewinnen. So werden Geschichten mit männlichen Männern schließlich schon immer aufgebaut und erzählt.
Was liest du denn selbst gerade?
Viel zu viel. Wenn ich andere Dinge so extensiv betreiben würde wie Lesen, würden die Leute glauben, ich hätte ein Problem. Gerade bin ich in der Jury eines Literaturwettbewerbs und lese deshalb viel in die Richtung. Das ist spannend, weil ich so die aktuellen Literaturtrends mitbekomme.
Die da wären?
Viel Dystopisches. Die aktuelle Autoren-Generation scheint mit dem Gefühl aufgewachsen zu sein, dass es mit der Welt ziemlich bald vorbei ist.
Stimmt. Man muss sich ja nur mal den Zombie-Boom ansehen.
Ich bin sowas von gelangweilt von Zombiestories. Sie sind die idealisierte Version des libertären rechten Flügels: Du hast eine kleine Gruppe an Leuten, du hast Waffen und du kriegst die Zombies nur in den Griff, indem du sie abknallst. Man kann nicht mit ihnen reden, sie sind eine riesige Masse. Sie kommen langsam, aber es gibt immer mehr von ihnen und sie sind immer hungrig. Wenn das keine Metapher für die Angst der Leute vor Revolution ist, dann weiß ich auch nicht.
Wie passen deine Science-Fiction-Kurzgeschichten denn in dein Non-Fiction-Werk?
Science Fiction ist immer politisch, ob du willst oder nicht. Wenn du über die Zukunft schreibst, selbst über die nahe Zukunft, schreibst du ausgehend von deiner Einstellung zur Welt. Wenn du fest daran glaubst, dass der Kapitalismus das Endziel der Menschheit ist, wirst du eine bestimmte Sorte Buch schreiben. Und wenn nicht, dann eben eine andere. Dementsprechend sind alle Dinge, mit denen ich mich beschäftige, auch unterschwellig in meinen Kurzgeschichten zu finden: Geschlechter, Macht, Sozialismus und Anarchismus – alles drin. Vieles davon ist aber auch einfach meinem Leben entnommen.
Zum Beispiel?
In dem Buch gibt es eine Geschichte über Goblins. Die basiert auf meinen Erfahrungen mit dem britischen Prüfungssystem. In der Geschichte konnte ich meine ganze Frustration darüber loswerden. Hätte ich einfach aufgeschrieben, wie schlimm Prüfungen sind, wäre das langweilig gewesen. Also habe ich Goblins reingeschrieben und die Geschichte ins All versetzt. Ich bin mittlerweile eine Person des öffentlichen Interesses. Das ist nützlich und toll, aber es bedeutet auch, dass es jetzt Dinge gibt, über die ich öffentlich nicht mehr reden kann. Und selbst wenn ich es könnte, würde ich es nicht wollen. In Geschichten kann ich viel freier verarbeiten, was mir passiert – aber eben auf eine schräge Art und Weise.