Serie // "Parfum" Nach allen Regeln der Klischeebibel

In dem Roman "Das Parfum" geht's um einen Mann, der einen Duft herstellen will, dem alle Menschen verfallen. Von dieser Geschichte ist die neue Serie "Parfum" inspiriert. Das Zeug zum Klassiker hat sie allerdings nicht.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 13.11.2018 | Archiv

Die Polizei untersucht die Leiche von K in der zdfneo Serie "Parfum" | Bild: ZDF und Jakub Bejnarowicz

Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... euch düstere Psychothriller über Schuld und Trauma gefallen, wie "The Sinner", euch die geil inszenierten tristen Landschaften von "Dark" in den Bann gezogen haben und ihr gern mal in den Geheimnissen anderer Leute kramt, wie mit "Riverdale" oder dem Film "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast".

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Nein, eine Neuverfilmung von Patrick Süßkinds Romanklassiker "Das Parfüm" ist "Parfum" nicht. Statt irgendwann mittendrin steht hier gleich am Anfang ein Mord: nackt, kahlrasiert und verstümmelt wird die Leiche von Katharina in ihrem Pool aufgefunden – ihre Schweißdrüsen an den Achseln und im Schambereich wurden präzise entfernt.

Gefunden hat sie ihr Nachbar Roman. Und wie sich herausstellt, ist Katharina, genannt K, mit ihm und seiner Frau Elena zusammen zur Schule gegangen. Mit zur Clique gehörten damals vor über 20 Jahren noch Moritz, ein heute gefragter Parfümeur in Paris, der Bordellbesitzer Butsche und Außenseiter "Zahnlos". Alle fünf werden von der Polizei verdächtigt, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. Und tatsächlich: Die Gruppe hat ein düsteres Geheimnis. Als Teenager waren sie fasziniert vom Roman "Das Parfüm” und fingen an, mit Düften zu experimentiert. Bei Blumen und toten Vögeln blieb es nicht lange, irgendwann verschwand auch ein Junge. Nur nachweisen können ihnen die Ermittler nichts.

Achtung, Klischee-Alarm!

Die Beziehungen innerhalb der Clique sind kompliziert. Alle waren in gewisser Weise von K, dem Opfer, besessen: Sie war das Mädchen, das immer schon alle einfach um den Finger wickeln konnte, eine richtig stereotypische "Femme Fatale". K hat gar keine Persönlichkeit – sie ist die aufmerksamkeitshungrige Verführerin, die die Männer leiden lässt und ihr Kind vernachlässigt hat. Mit Roman, ihrem Nachbarn, hatte sie seit ihrer Jugend eine Affäre. Dessen Frau Elena dagegen ist die unterwürfige Heilige: Seit Jahren wird sie von ihrem Mann verprügelt und erpresst. Und sogar die toughe Polizistin hat nur ihre einseitige Affäre mit dem Staatsanwalt im Sinn.

Auch die Männer sind reine, platte Klischees: gewalttätig, unfähig wirklich zu lieben. Sie missbrauchen, unterdrücken und manipulieren – oder sie sind schwach und impotent. Klischee-Frauen und Klischee-Männer werden in "Parfum" gegeneinander ausgespielt. Normale Beziehungen scheinen hier zwischen den Geschlechtern nicht möglich.

Besessenheit und Macht statt Liebe

"Parfum" ist wahnsinnig gut gemacht: Regie (Philipp Kadelbach von "Unsere Mütter Unsere Väter"), Kamera und auch die Besetzung (Wotan Wilke Möhring, Ken Duken, August Diehl...) ist super.
Leider stimmt das Wichtigste nicht - nämlich die Story: ZDFneo bewirbt die Serie als "eine radikale Interpretation des Zusammenhangs von Liebe und Gewalt" - so heißt es im offiziellen Presse-Statement von ZDF-Redaktionsleiter Günther van Endert. Aber was sich in dieser Serie zwischen den Protagonisten abspielt, hat nichts mit Liebe zu tun, sondern mit einem absolut egozentrischen Verlangen, zu besitzen, einzunehmen und ein perverses Machtbedürfnis zu befriedigen.

Zum Beispiel ist es nicht romantisch, wenn sich - wie in der Serie - ein 13-jähriges Mädchen von einer Gruppe Jungs unter Druck gesetzt fühlt, mit ihnen Sex zu haben. Und danach dick mit ihnen befreundet ist! So eine Handlung ist uncool. Das war es schon bei Stephen Kings "Es" und das bleibt auch 30 Jahre später noch so. Denn sie verklärt und normalisiert Missbrauch, nur um zu unterhalten.

Vermutlich wartet die zweite Hälfte der sechs Episoden noch mit einem irren Twist auf, der versucht mit diesen eindimensionalen, völlig ausgelutschten Geschlechterklischees zu brechen. Schade nur, dass ich das nicht mehr miterleben werde, denn nichts in den ersten drei Folgen, die mir zur Verfügung gestellt wurden, deutet darauf hin. Und deshalb werde ich auch keine weiteren drei Stunden mit dieser Serie verschwenden.

Alle sechs Folgen von "Parfum" sind ab dem 14.11. in der ZDF Mediathek abrufbar.

Sendung: Hochfahren, 15.11.2018 - ab 7 Uhr