TV & Serie // Twin Peaks Wenn deine Lieblingsschokolade auf einmal nach Rosenkohl schmeckt
25 Jahre haben Twin-Peaks-Fans auf eine neue Staffel gewartet. Jetzt ist sie raus und die Fans erkennen ihre Lieblingsserie nicht mehr wieder: Alles ist anders als früher. Und das ist gut so.
Stellt euch vor, die Lieblingsschokolade eurer Kindheit, die es schon lange nicht mehr gibt, ist auf einmal zurück. Ihr könnt euch genau erinnern, wie sie geschmeckt hat. Wie sie aussieht. Dann probiert ihr die Neuauflage - doch statt nach cremigem Nuss-Nougat, schmeckt sie nach Brokkoli und Rosenkohl. Genau so ist die dritte Staffel "Twin Peaks".
25 Jahre nach dem abrupten Ende gibt es endlich neue Folgen. Nur haben die kaum etwas mit dem Original zu tun. Die ersten vier Episoden spielen zu großen Teilen noch nicht mal in dem idyllischen Örtchen Twin Peaks. Statt im ewig nebligen Nord-Westen der USA, hängen wir irgendwo in der Wüste ab.
Hier treffen wir - 25 Jahre nach den Ereignissen des Originals - wieder auf den FBI-Agenten Dale Cooper. Aber beim genauen Hinsehen bemerkt man: Das ist ja gar nicht Cooper, sondern sein mörderischer Doppelgänger. Der ist aus der Black Lodge, einer Art Fegefeuer, entkommen und mordet sich seitdem quer durch die USA. Während der Doppelgänger ausbrechen konnte, ist der echte Cooper immer noch in der Black Lodge gefangen - seit 25 Jahren. Aber es scheint einen Ausweg zu geben: Ein sprechender Baum schickt Cooper wieder Richtung Welt. Nur landet der aus Versehen nicht in seinem eigenen Körper, sondern in dem eines weiteren Doppelgängers: Dougie.
Ein einziger langer WTF-Moment
Wer bis hier hin nichts verstanden hat: Keine Angst, ihr seid nicht allein. "Twin Peaks" war zwar vor 25 Jahren schon weird und kryptisch, aber so abgedreht wie in Staffel drei war die Serie noch nie. "Twin Peaks" - das war ein Mix aus Teenager-Soap, Kleinstadt-Drama, Krimi und Mystery-Serie. Davon ist heute nur noch das Mystery-Element übrig. Und das hat zwei Gründe: Der eine ist David Lynch und der andere unsere Seriensucht. David Lynch hat Anfang der 90er gemeinsam mit seinem Co-Autor Mark Frost neudefiniert, was eine TV-Serie sein kann. Lynch hatte zu diesem Zeitpunkt schon seinen Ruf weg als Regisseur von grotesk-albtraumhaften Filmen. "Twin Peaks" war für ihn ein Experiment, das voll aufgegangen ist. Aber Lynch hat nicht aufgehört zu experimentieren. Dabei hätte er es sich sehr einfach machen können mit der dritten Staffel: Ein bisschen Schnulzenmusik, ein bisschen neblige Wälder, ein bisschen Mystery-Kram - zack, fertig, Staffel drei. Stattdessen geht Lynch aber den Weg weiter, den er seit Jahren geht: Er zieht sein eigenes Ding durch und wir Zuschauer müssen ihm folgen.
Was uns zum zweiten Grund bringt: Vor 25 Jahren war "Twin Peaks" ein Wagnis. So eine Serie hatte es noch nie gegeben! Aber heute, wo jedes Jahr hunderte Serien an den Start gehen, sticht man mit einem "Twin Peaks" nicht mehr aus der Menge heraus: Allein in der letzten Zeit sind mit "Riverdale", "13 Reasons Why" und "The OA" drei Serien rausgekommen, die ohne "Twin Peaks" nicht denkbar wären. "Twin Peaks" muss sich also verändern, um eine Serie zu bleiben, die unsere Vorstellung von dem, was Fernsehen ist, verändert.
An der Grenze zum Trash
Diese Veränderungen sind interessant, aber auch anstrengend. Lynchs Experimente gehen bis an die Grenze des Anschaubaren: In einer der ersten Folgen irrt FBI-Agent Dale Cooper eine Viertelstunde stumm durch eine labyrinthartige Unterwelt. Das ist die ersten fünf Minuten noch cool, überschreitet dann aber schnell die Schwelle zum postmodernen Posertum. Aber in all diesem kryptischen Wirrwarr stecken Momente, für die es sich lohnt weiterzugucken: Szenen, die so absurd sind, dass man lachend auf dem Boden liegt; Horror, der schockt und ein ungutes Gefühl in der Magengrube hinterlässt.
"Twin Peaks" ist zwar in der dritten Staffel nicht mehr die Serie, die sie früher war, aber das macht nichts. Wer wissen will, wie weit Fernsehen gehen kann, der schaut rein und kommt vielleicht doch wieder auf den Geschmack.
"Twin Peaks" läuft jeden Donnerstag um 20:15 Uhr bei Sky Atlantic und kann Online bei Sky Go und Sky Ticket gestreamt werden.
Sendung: Hochfahren, 31.05.2017 - ab 7 Uhr