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Lesen // "Running Girl" Erstes bayerisches Literaturstipendium für ein Comic

Yi Luo ist die erste Comiczeichnerin, die ein Literaturstipendium des Freistaats Bayern eingesackt hat! Wir feiern mit ihr, wir sind nämlich riesige Fans von ihrer Graphic Novel "Running Girl".

Von: Jasmin Körber

Stand: 18.06.2016 | Archiv

Weil Yi buchstäblich die Worte fehlen, bringt sie ihre Gedanken zu Papier - so beginnt sie Comics zu zeichnen | Bild: BR

Im Kino, im Fernsehen, sie sind überall: Comics. Oder besser: verfilmte Comics. Die amerikanischen Helden kennt fast jeder, aber wenn man mal jemanden fragt: Kennst du eigentlich Comics aus Bayern? - Dann sieht's düster aus. Dabei haben wir ganz großartige Autoren und Zeichner - zum Beispiel Yi Luo. Gut, das ist etwas geschummelt, die kommt nämlich eigentlich aus China, aber sie lebt schon seit Jahren in Augsburg. Jetzt hat Yi Luo einen Preis eingesackt: ein Literaturstipendium des Freistaats Bayern. Sie ist die allererste Comiczeichnern, die dieses Arbeitsstipendium bekommen hat.

Mit dem Preis kann sie fabelhaft weiter an ihrer Graphic Novel "Running Girl" arbeiten. In der erzählt Yi (oder besser ihre Hauptfigur Li) von ihrem neuen Leben in Deutschland.

Li hat ihr Leben in ihren ersten eineinhalb Jahren in Deutschland nicht so richtig unter Kontrolle. Sie ist aus China nach Deutschland gekommen, studiert in Augsburg und jobbt nebenher in einem Sushi-Restaurant. So richtig gut läuft es aber nicht. Nicht im Studium, wo sie sich solche Kommentare anhören muss: "Ihre Hausaufgabe liest sich als hätten Sie den Text mit einem Computerprogramm übersetzt. Man kann ihn kaum verstehen. Bitte lassen Sie in Zukunft einen Kommilitonen Korrektur lesen, bevor Sie ihn abgeben. Und vielleicht sollten Sie mal einen Deutschkurs besuchen." Und auch im Job läufts nicht besser - und das trotz der gut gemeinten Ratschläge ihrer Chefin: "Meine Chefin sagt, eine gute Bedienung rennt nicht. Weil die Kunden sehen sollen, dass sie alles unter Kontrolle hat." Und auch Freunde hat sie in Deutschland nach eineinhalb Jahren noch nicht gefunden. Das Problem: die Sprache. "Ein fremdes Wort führt oft zu vielen weiteren Wörtern, die ich nicht verstehe."

Dabei war Li daheim in China eigentlich immer die Streberin. Die mit den besten Noten im Deutschunterricht. Die, die ihr Leben im Griff hatte. Und jetzt rennt Li überall hinterher – im Studium, im Job und in der Liebe. Denn "Running Girl" dreht sich vor allem um das Henne-Ei-Problem eines jeden Auslandsaufenthalts: Einerseits fühlt Li sich einsam und klammert sich deshalb an Altbekanntes in der Heimat – sie braucht den Kontakt zu ihrem daheimgebliebenen Freund in China. Andererseits heißt genau das: weniger Zeit für ihr neues Leben, weniger Zeit für neue Freundschaften. Und damit mehr Einsamkeit. Bis es bei einem Skypegespräch mit ihrem Freund kommt, wie es kommen muss: Lis Freund in China trifft sich mit einer anderen Frau - Ausgang ungewiss.

Letzendlich ist das Lis Glück. Künstlerin Yi Luo erzählt in der autobiographischen Graphic Novel "Running Girl" in wunderschöner Aquarell-Optik, genial gestaltet und phantasievoll erzählt. Weil ihr die Worte auf Deutsch fehlen, fängt sie nämlich einfach an, Comics zu zeichnen. Und sie trifft mit "Running Girl" den Nerv von allen, die schon mal längere Zeit im Ausland gelebt haben – und die das Gefühl kennen, dass alles Neue am Ende doch fremder ist als gedacht. Dass man gerade am Anfang irgendwie immer zwischen den Zonen lebt ohne irgendwo richtig anzukommen – und dass man einfach nur jemanden braucht, der einem den schmerzhaften, aber nötigen Arschtritt verpasst. Denn der macht den Abschied leichter – um Neues zu beginnen.


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