Arabischer Frühling The revolution will be rap-atised
Am 26. November spielt der ägyptische Rapper Deeb beim on3-Festival die Songs, die er in Kairo während der Revolution zum Besten gegeben hat. HipHop hat den Arabischen Frühling von Anfang an begleitet und reflektiert.
Ein Abend Anfang Februar 2011. Der ägyptische Sänger Ramy Essam tritt mitten auf dem Kairoer Tahrir-Platz auf. Um ihn herum zehntausende von Demonstranten. Gemeinsam schreiben sie in dieser Nacht den Soundtrack der Revolution. Aus den Schlachtrufen der Demonstranten und der Gitarre von Ramy Essam wird das Lied "Arhal".
Ramy Essam wurde für sein musikalisches Engagement von der ägyptischen Polizei gefoltert. Er hatte es gewagt, seinen Unmut frei und offen zu äußern. Das war nicht immer selbstverständlich für ägyptische Musiker. Um der staatlichen Zensur zu entgehen, mussten sie Codewörter verwenden, sonst drohte Auftrittsverbot.
Auch der Rapper Mohammed el Deeb, einer der engagiertesten und begabtesten MCs Ägyptens, konnte früher nicht offen Kritik an der Regierung oder dem Präsidenten üben. Er sprach stattdessen von den "Big Guys" oder den "Korrupten".
"Dass HipHop zur Sprache der Revolution wird, liegt daran, dass wir hier mit Gedichten viel anfangen können", sagt Deeb. "Früher waren wir für unsere Lyrik weltbekannt. Vielleicht funktioniert deshalb HipHop hier so gut. HipHop kommt von der Straße, HipHop ist eine starke Sprache, stärker als die Nachrichten. Das ist unsere Sprache."
Deeb führt mit seinen Tracks eine lange Tradition der arabischen Welt fort: das gesprochene Wort, die interagierende Unterhaltung, den rhythmischen Dialog. Die Band Wust El-Balad nahm sich diese Tradition besonders zu Herzen - sie spielte am 11. Februar auf dem Tahrirplatz, dem Abend, als Husni Mubarak zurücktrat. Ihr "Sout al Horreya", "Der Klang der Freiheit", ist verbunden mit der Euphorie um das Ende der Ära Mubarak.
Andere Künstler wie Mohamed Mounir nehmen die Revolution und verarbeiten sie zu Pop-Metaphern. Im Song "Azzay" (in etwa: "Wie kommt es?") verwendet Mounir den Schlachtruf der Revolution "erfah rasak foo, enta masry": "Erhebe deinen Kopf, du bist Ägypter!" Bei Mounir lautet es dann: "Wie kann ich deinen Kopf hochhalten, wenn du mich runtermachst?" Die Revolution wird zur Geliebten. Bildstark und aufgeladen, offen für Interpretationen.
Auch Mahmoud Refat schlägt eine Brücke zwischen Politik und Kunst. Er hat eine neue Art elektronische Musik in Ägypten etabliert: Seit über zehn Jahren verbindet er Elektro mit Jazz und ägyptischen Sounds. Er sagt: Die Umbrüche vom Januar haben das Revolutionäre aus der Politik in die Musik gebracht. "Dass es viele neue Sounds gibt, ist sehr revolutionär, das spiegelt die Einstellung vieler junger Leute sehr gut wider, die man in den letzten Tagen auf der Straße gesehen hat, und die auch schon im Januar dabei waren. Du hörst ihre Einstellung in ihrer neuen Musik."
Was all die Revolutionsmusiker eint: Der Glaube daran, mit ihren Songs, mit ihren Performances das Land verändern zu können. Das zählt auch nach der Revolution.