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Asche auf des Gegners Haupt! 100 Jahre Politischer Aschermittwoch in Bayern

Im niederbayerischen Vilshofen, wo seit Jahrhunderten ein Aschermittwochsviehmarkt stattfand, gab es am 5. März 1919 - vor genau hundert Jahren - den ersten Politischen Aschermittwoch.

Von: Thomas Grasberger

Stand: 19.02.2019 | Archiv

Asche auf des Gegners Haupt!: 100 Jahre Politischer Aschermittwoch in Bayern

Am Anfang war das Rindviech. Denn begonnen hat alles mit dem Viehmarkt im niederbayerischen Vilshofen. Den gab's schon im sechzehnten Jahrhundert. Und seit 1888 findet er alljährlich am Aschermittwoch statt. In guten Zeiten trieben die Bauern zweitausend Rinder nach Vilshofen, an die zehntausend Besucher belagerten die Stadt - erst pilgerten sie an die Stände und dann in die Wirtshäuser. Nach zwei, drei Maß wurde dort natürlich auch über Politik diskutiert. Kein Zufall also, dass ausgerechnet in Vilshofen der erste politische Aschermittwoch stattfand: Vor genau hundert Jahren: In den höchst turbulenten Zeiten von Revolution und Räterepublik 1918/1919.

"Der Bayerische Bauernbund Vilshofen hielt am gestrigen Aschermittwoch im Wieningersaal eine Volksversammlung ab, welche sehr zahlreich besucht war."

Vilshofen, 6. März 1919

Erst 1927 rief der Bayerische Christliche Bauernverein wieder zu einer Aschermittwochs-Kundgebung – quasi als konservative Antwort auf die radikal-revolutionären Bauernbündler. In der heißen Endphase der Weimarer Republik kamen dann noch zahlreiche weitere Parteien und Wählergruppierungen dazu - der Bauern- und Mittelstandsbund, die Bayerische Volkspartei, die Kommunisten. Und natürlich die Nationalsozialisten. Die nutzten nach der Machtergreifung die volle propagandistische Wirkung des Vilshofener Polit-Spektakels. 1936 berichtete sogar die Wochenschau darüber - reichsweit! Danach aber kam bald das kriegsbedingte Aus. Der Neuanfang 1946 wurde von der separatistischen Bayernpartei organisiert, sagt Ludwig Maier, der frühere Kreisheimatpfleger von Vilshofen:

"4000 Menschen, 1000 im Saal, im Konzertsaal. Und 3000 vor den Toren, die draußen mitgehört haben, bei eisiger Kälte. Des war keine Folklore ned, de Leut haben wissen wollen, wie es weiter geht nach den zwei verlorenen Kriegen."

Ludwig Maier, früherer Kreisheimatpfleger von Vilshofen

Franz Josef Strauß am Rednerpult im Wolferstetterkeller in Vilshofen am 24.02.1971.

Doch so richtig groß wurde der Politische Aschermittwoch erst zu Beginn der 50er Jahre mit Franz Josef Strauß. Seine Hochzeit erlebte er in den Siebzigern, erzählt der Vilshofener CSU-Politiker Klaus Rose.

"Es war tatsächlich so, dass der Strauß, der mal etwas später kam mit der Ehefrau, nicht mehr reinkam in den Saal bei dem normalen Zugang. Den hat man dann hinten beim Fenster raufgeschoben. Und beim Fenster auch reingeschoben. Auch die Marianne. Und das ist was gewesen, was man zwar im Nachhinein lustig gefunden hat, aber es war halt untragbar."

Klaus Rose, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Vorredner von Franz Josef Strauß

In der Nach-Strauß-Ära hat der Aschermittwoch an Zulauf und Unterhaltsamkeit eingebüßt - aber da war er längst zur festen Institution im politischen Terminkalender Bayerns und Deutschlands geworden, ein Ritual, das heute längst nicht mehr nur in Niederbayern zelebriert wird.

Die Stadt Vilshofen feiert das Jubiläum „100 Jahre Politischer Aschermittwoch in Vilshofen an der Donau - 1919-2019“ mit einer Ausstellung in der Rathausgalerie, direkt am Vilshofener Stadtplatz.

Öffnungszeiten:
Dienstag, 5.3. – 16 Uhr - Eröffnung der Ausstellung am Vorabend des Politischen Aschermittwochs,
Aschermittwoch, 6.3. - 9-17 Uhr mit Fisch- und Käseverkauf,
vom 7.-24.3. - Do. 14-17 Uhr / Fr. 14-17 Uhr / Sa. 9-17 Uhr / So. 14-17 Uhr


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