Bewegende Familiengeschichte Billy Joel feiert seinen 70. Geburtstag
Am 9. Mai feiert der "Piano Man" Billy Joel seinen 70. Geburtstag. Der amerikanische Rockstar stammt aus einer deutsch-jüdischen Familie mit fränkischen Wurzeln. Zu seinem Geburtstag erzählen wir seine bewegende Familiengeschichte.
In der Geschichte der Familie Joel spiegelt sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts in allen Höhen und Tiefen. Es geht um Erfolg und Misserfolg, Geschäftsmänner und Geschäftemacher, um Glück und Unglück, um Politik, Terror und Musik. Die Geschichte beginnt in Nürnberg und endet in New York. Die Hauptrollen spielen ein fränkischer Unternehmer und ein amerikanischer Weltstar. Karl Joel und sein Enkel Billy, der jetzt seinen 70. Geburtstag feiert.
Musik – der rote Faden
Der Piano Man gilt als einer der erfolgreichsten Rockkünstler der Welt und sorgt immer noch für Rekorde. Fast jeder kennt seine Hits wie "Uptown Girl", "Just the way you are" oder "We didn't start the fire". Musik zieht sich wie ein roter Faden durch die wechselvolle Geschichte der jüdischen Familie Joel.
"Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen. Seltsamerweise sind fast alle meine Lieblingskomponisten Deutsche: Bach, Händel, Mendelssohn, Beethoven, Wagner, Schumann - und auch Mozart kann man ja dazurechnen. Irgendetwas in der deutschen Seele lässt sich am besten mit Musik ausdrücken: Sturm und Drang. Ich weiß auch nicht genau, was das ist. Aber mein Vater hatte es, ich habe es und mein Bruder Alex hat es auch."
Billy Joel, Rockstar
Das Wäscheversandhaus Joel in Nürnberg
Dass Billy Joels Familie aus Deutschland stammt, war lange Zeit unbekannt. Billys Großvater Karl Joel hatte in den 1920er Jahren in Nürnberg ein modernes Wäscheversandhaus gegründet und damit rasch Erfolg. Schon bald gehörte die Firma Joel zu den größten Versandunternehmen in Deutschland. Doch die Erfolgsgeschichte des jüdischen Unternehmens kam 1933 mit der Machtergreifung der Nazis ins Stocken. Der fränkische NS-Gauleiter Julius Streicher, ein fanatischer Anti-Semit, hatte es besonders auf Karl Joel abgesehen. In dem Hetzblatt "Der Stürmer" wurde der "Wäschejude Joel" immer wieder auf die widerwärtigste Art diffamiert und bedroht.
Familie Joel zieht nach Berlin um
Karl Joel machte sich nicht nur Sorgen um seine Firma, sondern vor allem auch um die Sicherheit seiner Frau und seines Sohnes Helmut. Dass er in Nürnberg keine Zukunft haben würde, war ihm klar. Einen Ausweg aus dieser Misere schien ihm in dieser Situation die weltoffene Hauptstadt Berlin zu bieten, wo das politische Klima liberaler war. Dank seiner guten Kontakte gelang es Karl Joel 1934 tatsächlich, mit seiner Firma und seiner Familie nach Berlin umzuziehen.
Entrechtung und Schikanen durch die Nazis
Zunächst sah es auch so aus, als habe er die richtige Entscheidung getroffen, die Joels konnten weithin unbehelligt leben wie eine ganz normale deutsche Familie und die Geschäfte liefen prächtig. Doch allmählich erhöhten die Nazis den Druck auf die jüdische Bevölkerung immer mehr, Entrechtung und Schikanen nahmen fast täglich zu – alles ganz "legal" auf der Grundlage der Nürnberger Gesetze. Karl Joel musste einen "arischen" Geschäftsführer einstellen und schmiedete wieder Fluchtpläne. Doch zuvor wollte er sein Vermögen retten und seine Firma verkaufen.
Quelle und Neckermann sind interessiert – Neckermann macht das Rennen
Die Notsituation der einen bedeutete eine günstige Gelegenheit für die anderen. Die Konkurrenz bekam von Joels Verkaufsabsichten Wind und schlief nicht. Unter den Interessenten waren auch zwei bekannte Geschäftsmänner aus Franken: Gustav Schickedanz, Eigentümer des Fürther Versandhauses Quelle, und Josef Neckermann, ein ehrgeiziger Jungunternehmer, der bereits in Würzburg ein jüdisches Kaufhaus zum Schnäppchenpreis erworben hatte.
Karl Joel sieht keinen Pfennig
Neckermann bekam schließlich nach zähen Verhandlungen den Zuschlag und unterzeichnete am 11. Juli 1938 den Kaufvertrag. Für Joels Versandunternehmen, das geschätzte vier Millionen Reichsmark wert war, zahlte Neckermann kaum die Hälfte. Doch auch von dieser Summe bekam Karl Joel keinen Pfennig zu sehen, das Geld war auf einem Sperrkonto blockiert.
Flucht in die USA – über Kuba
Immerhin gelang Karl Joel und seiner Frau mit falschen Reisepässen die Ausreise in die Schweiz, wo ihr Sohn Helmut bereits seit einiger Zeit ein Internat besuchte. Von dort aus sollte die Flucht weitergehen in die USA. Joel hatte in weiser Voraussicht bereits im Frühjahr 1938, kurz nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich, eine Kreuzfahrt in die Karibik gebucht, nicht von einem deutschen Hafen aus, sondern von Southampton in Großbritannien. Der Plan war, bei einem Zwischenstopp in Kuba an Land zu gehen und dort bis zur Einreisegenehmigung in die USA zu bleiben. Die Amerikaner hatten nämlich strenge Kontingente für Flüchtlinge aus Europa eingeführt und schotteten sich ab – die Parallelen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte liegen auf der Hand. Fast vier Jahre lang mussten die Joels in Havanna warten, bis sie 1943 endlich nach New York ausreisen durften. Die meisten anderen Mitglieder der Familie hatten nicht so viel Glück, ihnen gelang die Flucht nicht, viele kamen in Konzentrationslagern ums Leben.
Alexander Joel, der Bruder des Rockmusikers, erklärt, was das für sie beide als Nachkommen von Flüchtlingen bedeutet:
"Ich glaube, die Geschichte vom Flüchten ist etwas, das ihn sehr mitnimmt und bewegt. Und die Familiengeschichte und die Flucht ist etwas, das wir, also er und ich auch nicht begreifen, wie das damals möglich war. Und es ist auch in Zeiten der Flüchtlingskrise, wenn man das so sagen kann, auch in Amerika mittlerweile etwas, das sehr aufwühlt. Also Herr Trump und seine Mauer und so weiter und so fort, das sind Dinge, die ihn sehr beschäftigen und irritieren. Also er wurde knapp nach der Flucht geboren, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, das ist auch etwas, das man sich klar machen sollte. Da hat er schon einiges mitgekriegt."
Alexander Joel, Dirigent
Billy Joel kommt am 9. Mai 1949 auf die Welt
Helmut Joel heiratete nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in New York Rosalind, die Tochter jüdischer Emigranten, und am 9. Mai 1949 kam ihr Sohn Billy auf die Welt. Die junge Familie zog in eine Neubausiedlung in Hicksville (Long Island). Das Leben, die Langeweile und die heimlichen Sehnsüchte in diesen gesichtslosen Vorstädten, wie es sie zigtausendfach in den USA gibt, sollten später zentrale Themen in den Songs von Billy Joel werden, Themen, die Millionen von jungen Leuten der "Baby Boom Generation" ansprachen.
Billy Joel spielt bereits mit fünf Jahren Mozart auf dem Klavier
Helmut Joel, der selbst gerne Pianist geworden wäre, brachte seinem kleinen Sohn das Klavierspielen bei. Schon früh zeigte sich dessen musikalisches Talent, und im Alter von fünf Jahren konnte Billy the Kid bereits ein Stück von Mozart auswendig spielen. Eltern und Großeltern förderten das Talent nach Kräften. Es war ihnen bald klar, dass das Kind richtigen Klavierunterricht bekommen musste. Billy setzte sich gerne an das Instrument, aber er hasste es, die Tonleiter auf und ab zu üben oder mühsam Notenblätter zu entschlüsseln. Stattdessen improvisierte er lieber vor sich hin. Diese wilde Spielfreude brachte ihm eines Tages sogar eine Ohrfeige seines klassikbegeisterten Vaters ein, der sich darüber aufregte, dass Billy eine Beethoven-Komposition zum Jux als Boogie spielte.
Keine jüdische Erziehung
In dieser Zeit nahmen auch die Spannungen im Hause Joel zu. Helmut Joel arbeitete häufig im Ausland. Die Religion spielte bei der Erziehung keine große Rolle. Man hielt es wie schon die Elterngeneration mit dem jüdischen Glauben sehr liberal und locker.
"In meiner Familie wurde seit mindestens drei Generationen keine Religion praktiziert, und soweit ich weiß, war das gar nichts Ungewöhnliches. Wir haben Weihnachten gefeiert und weil meine Freunde Italiener, Polen oder Iren waren, ging ich sonntags oft mit zur Messe. Ich dachte damals, das machen alle Kinder so. Ich hatte keine jüdische Erziehung."
Billy Joel, Rockstar
Vater Helmut Joel verlässt die Familie
Aber wenn er zu Hause war, gab es oft Streit mit Rosalind. Irgendwann ging die Ehe der Joels, die schon lange unglücklich miteinander waren, endgültig in die Brüche. Eines Tages schlug Helmut Joel die Haustür hinter sich zu, wie in einem schlechten Film – und kehrte nie mehr zurück. Billy war acht Jahre alt und erlebte die erste große Tragödie seines Lebens, unter der er lange gelitten hat. Das Gefühl des Verlassenseins ist eine Wunde, die nie heilt. Seinen Vater sah er erst viele Jahre später, als Erwachsener, wieder.
Billy wuchs bei seiner allein erziehenden Mutter auf, die sich mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht durchschlug. Doch obwohl das Geld knapp war, zahlte sie ihm weiter die Klavierstunden. Wie sich später herausstellte, war das die beste Investition in die Zukunft. Billy war von Musik wie besessen und spielte wie ein Verrückter am Klavier. Allerdings zeichnete sich mit der Zeit ab, dass sich der Junge unheilbar mit dem Rock`n`Roll-Virus infiziert hatte. Schon in der Grundschule verblüffte er mit seinen wilden Elvis-Presley-Parodien seine Mitschüler, besonders die Mädels. Und dann sorgte eine TV-Sendung für ein musikalisches Schlüsselerlebnis: Ed Sullivan präsentierte am 9. Februar 1964 erstmals die Beatles im amerikanischen Fernsehen – und Billy war von den respektlosen Pilzköpfen, die ein ganz neues Lebensgefühl ausdrückten, wie elektrisiert. Die Beatles lieferten auch den Teenagern in der Kleinstadt Hicksville ein perfektes Rollenmodell, das es nachzuahmen galt.
"Ich kann mich an den Moment erinnern, in dem ich mich entschloss, Musiker zu werden: Das war, als ich die Beatles in der Ed Sulivan Show sah. Ich hatte als Kind keinen Fernseher. Das ist lustig, denn mein Vater arbeitete damals für eine Fernsehgesellschaft. Wir hatten ein kleines Haus in Levittown, der Fernseher hing an der Wand und ging eines Tages kaputt, als ich ungefähr fünf Jahre alt war. Niemand kümmerte sich um die Reparatur. Daher hörte ich immer nur klassische Musik, ich war begeistert von Musik. Beethoven war mein Lieblingskomponist, er atmete und aß Musik, der Typ war die Musik in Person. Außerdem mochte ich Mozart, Chopin, Debussy, aber die Beatles… In der Nähe wohnte ein Kumpel, der einen Fernseher hatte – und einmal waren da die Beatles, das war im Februar 1964. John F. Kennedy, der Präsident, war im November 1963 ermordet worden. Das ganze Land hatte den Blues. Der Mann, der die Jugend, Fortschritt und die Zukunft verkörpert hatte, war auf einmal nicht mehr da. Dann kam Lyndon B. Johnson … Zur gleichen Zeit wollte Hollywood die Kontrolle über den Rock`n`Roll übernehmen. Man machte den Kids weiß, dass jeder ein Rockstar werden könne. Man ließ sogar Elvis Presley in grauenhaften Filmen auftreten. Es war auch die Zeit der Bürgerrechtsbewegung und viele Radiostationen weigerten sich, Ryhthm and Blues zu spielen. Und plötzlich tauch da diese Band auf mit Haaren wie Mädchen. Sie spielten ihre eigenen Instrumente und sie schrieben ihre eigenen Songs. Sie schauten so aus, wie die Typen, die wir kannten. Und John Lennon hatte diesen Ausdruck: Fuck you all. In diesem Moment dachte, ich das will ich auch machen."
Billy Joel, Rockstar
Nachclub statt Schule
Billy Joel kaufte sich eine schwarze Lederjacke und stieg bei der Schülerband "The Echoes" als Pianist ein – und verdiente zum ersten Mal in seinem Leben Geld mit seinem Klavierspiel. Kein Wunder, dass für ihn die Musik auf einmal viel wichtiger war als die Schule. Oft fehlte er wegen seiner nächtlichen Auftritte im Unterricht. In der lokalen Rockszene aber verschaffte sich der junge Pianist auch ohne Schulabschluss Respekt, wurde von Band zu Band weitergereicht, landete bei den Lokalmatadoren "The Hassles" und gründete mit einem Freund schließlich das Hard-Rock-Duo "Attila". Das kurze Intermezzo ist zu Recht heute vergessen.
Billy Joel musste viel Lehrgeld bezahlen
Mit Anfang Zwanzig entschloss sich Billy wie so viele, eine Karriere als Singer/Songwriter zu versuchen. Er unterschrieb leichtsinnig einen Plattenvertrag, in dem er einen Großteil seiner Urheberrechte abtrat. Der spätere Rockstar musste viel Lehrgeld zahlen. Doch der Erfolg ließ auf sich warten. Auch 1971 noch, als sein Debütalbum "Cold Spring Harbor" erschien, auf das er seine ganze Hoffnung gesetzt hatte. Auf Grund eines technischen Fehlers war die Langspielplatte mit zu hoher Geschwindigkeit aufgenommen worden, und Billy Joels Stimme klang wie Micky Maus.
Umzug nach Los Angeles – Billy Joel schreibt "Piano Man"
Frustriert von vielen Misserfolgen verließ der Künstler Long Island und zog nach Los Angeles an die Westküste, wo er sich als Pianist in Hotelbars durchschlug. Ein Glück, wie sich später herausstellte, denn sonst hätte Billy Joel wohl nie den Song geschrieben, der einmal zu seinem ersten Hit und zu seinem Markenzeichen werden sollte: "Piano Man".
Reise nach Wien – dort trifft Billy Joel seinen Vater und seinen Halbbruder
Endlich ging es aufwärts, und die atemberaubende Karriere des Jungen aus Long Island kam ins Rollen. In der Zeit seines künstlerischen Durchbruchs, Anfang der siebziger Jahre, fand Billy Joel auch wieder Kontakt zu seinem Vater, der nach der Scheidung nach Europa zurückgekehrt war und dort eine neue Familie gegründet hatte. Billy gelang es auf seiner ersten Europa-Tournee wider Erwarten, Helmuts Adresse herauszufinden. Beim ersten Wiedersehen erfuhr Billy zu seiner großen Überraschung, dass er einen kleinen Halbbruder hat: Alexander, der heute ein international gefragter Dirigent ist. Billy besuchte seinen Vater und seinen Bruder in deren neuer Heimat Wien und ließ sich dort zu dem Song "Vienna" inspirieren.
"Mein Vater war in Wien. Er kehrte nach Europa zurück, nachdem er meine Mutter verlassen hatte. Ich habe ihn zwischen meinem achten und meinem 23. Lebensjahr nicht gesehen. Er lebte also in Wien, in Österreich und ich fand das immer seltsam: Er hatte Deutschland wegen Hitler verlassen müssen und er kehrte ausgerechnet dorthin zurück, wo sich Hitler in jener Zeit oft aufgehalten hatte. Wien war während des Kalten Krieges so eine Art Schnittstelle zwischen dem Ostblock und dem Westen. Orson Welles hat dort den Film 'Der dritte Mann' gedreht. Wien war immer schon eine Schnittstelle, etwa zwischen dem Osmanischen und dem Römischen Reich. Ja, Wien ist gewissermaßen ein Symbol für so eine Schnittstelle, ein Ort, wo verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Es gibt gutes Bier in Wien, aber auch Schnaps aus Armenien. Ich habe also meinen Vater in Wien besucht und bin in der Stadt herumgelaufen, und da habe ich eine alte Frau gesehen, die die Straße gekehrt hat und ich fragte meinen Vater: Warum muss diese alte Frau die Straße fegen? Und er sagte: So hat sie etwas zu tun und fühlt sich nützlich. Wir behandeln alte Leute bei uns ziemlich schlecht und grenzen sie aus. In anderen Ländern schätzt man die Alten mehr, dort können sie sich als Teil der Gesellschaft fühlen. Das hielt ich für eine tolle Idee. Ich dachte, da brauchst du keine Angst vor dem Alter haben, denn da hast du noch was Sinnvolles zu tun. Wien wartet auf dich."
Billy Joel, Rockstar
Und der Dirigent Alexander Joel meint dazu:
"Er hat dieses Lied geschrieben 1976, als er nach Wien kam und ich habe ihn damals zum ersten Mal kennengelernt. Ich war damals fünf, und er hat mich abgeholt von der Schule, an meinem ersten Tag in der Schule. Und er hat dieses Lied geschrieben von den Eindrücken, die er von Wien hat. Und Wien ist meine Heimat. Deshalb bedeutet mir dieses Lied so viel. Ich nehme meinen Bruder als Musiker viel ernster, als ich mich selbst ernst nehme. Er ist ein großer Musiker." Alexander Joel, Dirigent
Weit über 100 Auftritte im Madison Square Garden
Billy Joel kann sich über eine erstaunliche Alterskarriere freuen. Er hat die wichtigsten amerikanischen Musikpreise kassiert und tritt in den größten Arenen auf. Obwohl er seit über 25 Jahren kein neues Rock-Album mehr veröffentlicht hat, ist er immer noch ein großer Publikumsmagnet. Seine aktuelle Konzertserie im Madison Square Garden in New York ist stets ausverkauft. Das Publikum feiert den Sänger und Pianisten wie einen Volkshelden und reagiert ebenso begeistert wie die Musikkritiker, die längst ihren Frieden mit dem einst oft unterschätzten Star geschlossen haben. Das Heimspiel in der Arena mit über 20.000 Sitzplätzen wiederholt sich seit 2014 einmal im Monat, zwölfmal pro Jahr. Insgesamt ist Billy Joel bis heute schon weit über 100 Mal im Madison Square Garden aufgetreten – öfter als jeder andere Künstler. Und er will dort weiter so lange spielen, wie ihn die Leute hören wollen. Ein Ende ist auch mit seinen jetzt 70 Jahren nicht abzusehen.
Billy Joel hat viele Stars kommen und gehen sehen und viele Musikmoden überstanden – New Wave, Punk, Disco, Grunge, Art- und Alternative-Rock, Techno, Ethno-Beat, Rap, Hip-Hop und wie sie alle heißen. Sein massenhafter Erfolg war vielen Kritikern immer suspekt. Zwanzig Jahre lang, von 1973 bis 1993, lieferte Billy Joel ein Hit-Album nach dem anderen ab und war fast pausenlos auf Tournee. Dafür zahlte er einen hohen Preis und strapazierte seine Gesundheit. Die Folgen waren persönliche Krisen und Alkoholprobleme. Doch der Piano Man rappelte sich immer wieder auf.
Keine neuen Rock- oder Popsongs – wohl aber neue Musik
"These are the last words I have to say." Die Prophezeiung im letzten Song namens "Famous Last Words" des Albums "River of Dreams" von 1993 hat sich zum Ärger der Plattenfirma und zur Enttäuschung zahlloser Fans erfüllt. Billy Joel hat keine Lust und kein Verlangen mehr, Popsongs zu schreiben, auch wenn alle Welt darauf wartet. Es scheint so, dass ein Kapitel für Billy Joel (vorerst) abgeschlossen ist. Neue Pop- und Rocksongs sind von ihm kaum noch zu erwarten, wohl aber neue Musik. Denn er komponiert nach wie vor und probiert vieles aus. Vor allem Instrumentalmusik in allen möglichen Variationen. Dahinter steckt wohl auch der Traum von sprachloser Kommunikation.
Die Familie und seine alten Freunde geben dem Weltstar, der trotz Reichtum und Ruhm im Grunde immer noch der einfache Junge aus Hicksville geblieben ist, Halt und das nötige Vertrauen. Auch die meisten Mitarbeiter in seinem kleinen Team kennt er seit vielen, vielen Jahren. Er weiß, dass er sich auf sie verlassen kann.
Mit seiner vierten Frau Alexis hat Billy Joel zwei kleine Töchter
Billy Joel muss sich und anderen nichts mehr beweisen. Er hat fast alles erreicht und ist mit sich und seinem Leben im Reinen. Nach drei gescheiterten Ehen lebt er seit 2010 mit seiner vierten Frau Alexis Roderick zusammen in Long Island. Mit ihr hat er noch einmal zwei kleine Töchter bekommen, die beide noch im Kindergartenalter sind.
Alexa Ray Joel, seine ältere Tochter, ist schon Mitte dreißig und tritt manchmal zusammen mit ihrem Vater als Sängerin auf. Auch sie ist Songwriterin und hat ein Faible für Blues, Soul und Rockmusik. Dagegen hat Billys Bruder Alexander klassische Musik studiert – und damit einen alten Traum ihres Vaters erfüllt. Billy Joel hat sich immer nach der Anerkennung seines Vaters gesehnt, der Popmusik nie ganz ernst genommen hat. Er hätte wer weiß was darum gegeben, wenn der Vater ihn genauso bewundert und unterstützt hätte wie seinen zweiten Sohn.
Nürnberg – die Stadt der Familie Joel
Sein erstes offizielles Operndirigat hatte Alexander übrigens 1995 in Nürnberg, der Stadt, in der Helmut Joel geboren wurde und in der er nun begraben ist, im Familiengrab auf dem Jüdischen Friedhof, neben seinem Vater Karl.
"Nürnberg ist die Stadt unserer Familie, also wird das immer eine Bedeutung haben. Ich glaube, wir haben beide eine besondere Affinität zur deutschen Musik, also zur deutschen Kultur in dem Sinne. Ganz klar, Beethoven ist sein Lieblingskomponist, bei mir auch Beethoven zu einem gewissen Sinne, auch Mahler, gut Mahler war Österreicher – die deutsche Kultur im erweiterten Sinne, wenn man das so sagen darf. Die deutsch-österreichische Kultur wird für uns immer eine große Bedeutung haben."
Alexander Joel, Dirigent
Die beiden Brüder haben ein enges Verhältnis zueinander und bewundern sich gegenseitig.
"Uns verbindet der Humor, ein sehr schwarzer, jüdischer Humor und ein gewisser Zynismus über die Welt. Wir e-mailen regelmäßig und sehen uns mindestens ein, zwei Mal im Jahr. Wir haben sehr viel Kontakt."
Alexander Joel, Dirigent
Kurz nach dem 70. Geburtstag wird es in London ein kleines Familientreffen geben. Die beiden Brüder haben zufällig fast gleichzeitig Auftritte in England: Billy gibt im Juni im berühmten Wembley-Stadion sein einziges Europa-Gastspiel in diesem Jahr, Alexander ist wieder mal an der Königlichen Oper engagiert.
"Ja, in London dirigiere ich in der Royal Opera in Covent Garden 'Tosca' mit Angela Gheorghiou, wo ich mich sehr freue, und das ist am 20. Juni. Er singt am 22. in Wembley. Also wir sind zur gleichen Zeit in London, und ich werde seine Aufführung sehen und er wird meine Aufführung sehen. Er kommt mit seinen Töchtern, und ich komme auch mit meiner Frau und meiner Tochter. Und unsere Töchter sind ähnlich alt, die werden hoffentlich eine schöne Zeit miteinander verbringen. Ich wünsche ihm noch viele glückliche und gesunde Jahre."
Alexander Joel, Dirigent