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Wiedergefunden oder nie verschwunden Das Mysterium um eine Gedenktafel in der Fürther Michaelskirche

Die Geschichte einer Gedenktafel an der uralten Michaelskirche in Fürth ist äußerst mysteriös. Die Tafel sollte im Zweiten Weltkrieg als "Metallspende" eingeschmolzen werden. Doch heute hängt sie wieder an Ort und Stelle. Eine Spurensuche.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 13.04.2022 | Archiv

Wiedergefunden oder nie verschwunden: Das Mysterium um eine Gedenktafel in der Fürther Michaelskirche

Es ist der 28. August 1932, ein Sonntagvormittag, um 11 Uhr. Vor dem Südportal St. Michael in Fürth findet ein feierlicher Festakt anlässlich des 300. Jahrestages des Todes von König Gustav Adolf von Schweden statt. Unter weihevollem Gesang des Kirchenchores St. Michael wird eine bronzene Gedenktafel enthüllt.

Gestaltet hat sie der Fürther Medailleur Konrad Mannert. Nach Vorlage eines Gemäldes und eines Kupferstichs fertigte er die rechteckige Relieftafel an, mit Hüftbild des schwedischen Königs im Halbprofil. Das Gewicht der Gedenktafel beläuft sich auf 40 Kilogramm, Eigentümerin ist die Evangelisch- Lutherische Kirchengemeinde St. Michael. Die Inschrift lautet: "Gustav Adolf König von Schweden, der Retter des deutschen Protestantismus im 30jährigen Krieg, weilte in Fürth im Sommer 1632 und besuchte wiederholt dies Gotteshaus"

Die Geschichte beginnt im "Schwedenjahr" 1932

Die Enthüllung der Tafel war Fürths Beitrag zum sogenannten Schwedenjahr 1932. Ein paar Jahre lang blieb es ruhig um das Kunstwerk, doch dann kam wieder ein Krieg – der Zweite Weltkrieg – und Denkmäler wie diese Tafel gerieten nach und nach immer stärker in den Fokus. Nicht wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung, sondern wegen ihrer Beschaffenheit.

Denkmäler als "Metallspende" im Zweiten Weltkrieg

1940 beschloss Generalfeldmarschall Hermann Göring die "Metallspende des Deutschen Volkes". Mit dem Ziel eine Metallreserve zu schaffen und kriegswichtige Rohstoffe aus dem Inland zu sichern. Dazu wurden Metallgegenstände vor allem aus Messing, Kupfer, Bronze, Eisen und Zinn gesucht, die zu bestimmten Sammelstellen befördert werden sollten um eingeschmolzen zu werden. Die Gemeinden mussten dazu Verzeichnisse aller Denkmäler anfertigen.

"Außer dieser Liste musste der Oberbürgermeister bzw. das Hochbauamt beurteilen, welchen Wert diese Denkmäler haben, wie sie eingestuft werden, ob der Erhalt eben wichtig ist, ob er zweifelhaft ist, oder ob auf diese Denkmäler verzichtet werden kann."

Werner Gietl

Der pensionierte Grundschullehrer Werner Gietl stieß bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für das Stadtarchiv Fürth jüngst auf entsprechende Akten zur Metallspende der Stadt und fand ein paar nachforschungswürdige Auffälligkeiten, die vor allem die Gedenktafel an Gustav Adolf betreffen. Das ging bereits damit los, dass man damals unterschiedlicher Meinung war, wie der künstlerische Wert der Tafel einzuschätzen sei.

"Der OB der Stadt Fürth hat gemeint, die Tafel wäre von historischem Wert und gleichzeitig sei sie künstlerisch wertvoll. Da man die Tafel nach dem Krieg vielleicht neu gießen könne, sei zweifelhaft, ob man sie freiwillig hergeben, oder erhalten soll. Das Landesamt war aber etwas anderer Meinung. Seltsamerweise hieß es dann da, sie wäre nicht von großem künstlerischen Wert, zwar historisch wichtig für die Stadtgeschichte, aber sie wäre trotzdem erhaltenswert, auf jeden Fall."

Werner Gietl

Die Gedenktafel wurde abgeholt – doch wurde sie auch eingeschmolzen?

Bereits an diesen Notizen erkennt man, dass die Gemeinden und Städte, aber auch andere Eigentümer von Denkmälern, wie die Kirchen, anfingen darum zu ringen, welche Denkmäler denn nun abgegeben werden konnten und welche unbedingt erhalten bleiben mussten. Mit zunehmender Kriegsdauer allerdings wuchs der Druck auf alle Beteiligten und die Kunstwerke wurden immer mehr Verhandlungsmasse.

Die Wilhelm-Löhe-Statue vor der Gedenktafel an der Michaelskirche.

Die Gedenktafel an Gustav Adolf blieb zunächst von der ersten Sammelaktion verschont, fand sich dann aber bei der zweiten Welle der Metallspende 1942 auf einer umfangreicheren Liste wieder. Es war der Kirchenrat und Pfarrer von St. Michael Gustav Schmetzer, der der Zuführung zur Metallspende schließlich zustimmte, wenn dafür ein anderes kunsthistorisch viel bedeutenderes Denkmal – die Wilhelm-Löhe-Statue vor St. Michael, erhalten bleibt. Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung stimmte zu. Die Gedenktafel wurde abgenommen. Am 16. Juli 1942 notiert das Tiefbauamt: "Die aufgeführten Denkmäler sowie die Gedenktafel an König Gustav Adolf wurden zum Bauhof gebracht und eingelagert."

Doch was genau passierte dann mit den abgeholten Kunstwerken? Die Spuren werden zunächst schwammig, dann verlieren sie sich ganz. Die Gedenktafel galt zunächst als verschwunden und eingeschmolzen. Aber heute tauchen immer mehr Fragen auf. Denn wer jetzt vor dem Südportal St. Michael steht kommt nicht umhin festzustellen, dass das eigentlich abgeholte Relief wieder an Ort und Stelle hängt. Kirchenführer Hans-Otto Schmitz.

"Zunächst einmal haben wir sehr lange rumgerätselt, ob sie verschwunden war und später eben nicht wiederauftauchte, sondern nachgegossen worden ist. Wie ja auch anfangs vorgeschlagen bei der Abnahme. Das hat lange Zeit auch nicht wirklich jemanden interessiert. Die Tafel war da und dann kam irgendwann mal die Frage auf, ist das die Originaltafel oder ist das ein Nachguss."

Hans-Otto Schmitz, Kirchenführer

Der pensionierte Lehrer Werner Gietl forscht im Stadtarchiv Fürth weiter. Fotos aus den späten 1940er Jahren belegen, die Gedenktafel war tatsächlich entfernt worden. Das Einschmelzen der Güter also wahrscheinlich, denn die zuständige Firma Hetzel und Co brachte andere Gegenstände der gleichen Metallspende in ein Kupferwerk nach Polen. Zur Gedenktafel Gustav Adolf aber keine Notiz. Bis Kirchenführer Hans-Otto Schmitz in einer tagebuchähnlich geführten Kriegschronik des ehemaligen Pfarres Schmetzer blättert und eine nachträgliche, handschriftliche Notiz findet.

"Im Jahr 1949 in einem Depot aufgefunden und an alter Stelle wieder angebracht."

Kriegschronik von St. Michael 1939 – 1947

"Dieser eine Satz, im Original habe ich ihn nachgeschaut. Ich war im landeskirchlichen Archiv in Fürth, wo diese älteren Akten gelagert sind, und konnte das einsehen. Und habe gesucht, ob ich irgendetwas finde zu der Tafel, wo die war? Da steht ja nur wurde 'in einem Depot aufgefunden'. Wie sie dahingekommen ist, wann sie wieder hier in St. Michael befestigt worden ist? Das Ganze ist irgendwie seltsam. Alle andere sind verschwunden, alle anderen sind eingeschmolzen, warum ausgerechnet jetzt diese Tafel woanders gelandet ist, als in diesem Kupferwerk, bleibt momentan offen. Ich weiß es nicht."

Werner Gietl

Die Geschichte der Gedenktafel – bis heute rätselhaft

Und hier beginnt das Reich der Vermutungen. Gab es vielleicht Leute, die die Gedenktafel bewusst abgezweigt hatten, versteckten und vor der Einschmelzung bewahrten? Vielleicht Kirchenrat Schmetzer selbst? In den Kriegswirrungen sind die Spuren so schnell verloren, da fragt doch keiner mehr so genau nach. Andere Theorien?

"Ich traue da schon ein gutes Stück der Bauernschläue von Pfarrer Schmetzer. Zum anderen: Gustav Adolf hatte eine Tochter, die nach ihm den Königsthron bestieg: die Christine. Und diese Christine hat irgendwann die Seiten gewechselt und wurde katholisch und ich behaupte jetzt, die hat posthum einen vollkommenen Ablass für ihn erwirkt und deshalb kam die Platte nicht ins Purgatorium des Schmelzofens."

Hans-Otto Schmitz, Kirchenführer

Mh, unwahrscheinlich – aber wer weiß. Oder vielleicht hat man das Einschmelzen einiger Teile einfach nicht mehr geschafft und das Denkmal fand ganz offiziell den Weg zurück nach Fürth, nur fehlen die Belege dafür. Klar, im Nachkriegsdeutschland waren die Nöte und Sorgen zunächst einmal andere, da war man froh um jedes Stück, jedes wertvolle Gut, das wiederauftauchte.

Das Abenteuer geht weiter

Wir stehen also rätselnd vor dem Relief an St. Michael und zum Schluss holt Kirchenführer Hans-Otto Schmitz ein Dokument aus seiner Mappe hervor, das er kurz zuvor erhalten, aber noch nicht ausgewertet hat. Daraus geht angeblich hervor, dass die Zinnwerke Wilhelmsburg bei Hamburg im Zuge einer Kirchenglockenrückführung die Gedenkplatte der Kirche St. Michael zum Rückkauf angeboten hätten. Eine heiße Spur, oder eine weitere Sackgasse? Das Abenteuer geht weiter – halleluja.


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