Die AFAG-Könickes Messen als Familientradition
Neben der großen "NürnbergMesse" gehört seit 70 Jahren die "AFAG" fest zum Nürnberger Messeleben dazu, zum Beispiel mit der Verbrauchermesse Consumenta. In dem Familienunternehmen hat gerade die jüngste Söhne-Generation das Ruder übernommen.
Im Minutentakt fahren Züge aus ganz Deutschland im Nürnberger Hauptbahnhof ein. Nürnberg ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen. Perfekte Voraussetzungen für einen Messeplatz. Und tatsächlich: Wer in Nürnberg als Gast ein Hotelzimmer sucht, der hat zwar theoretisch eine riesige Auswahl – allein neben dem Hauptbahnhof steht ein gutes Dutzend Bettenburgen. Zu Messezeiten allerdings schrumpft die Zahl von bezahlbaren Zimmern fast auf null. Denn Messe ist eigentlich immer und die Stadt kennt kaum etwas, was sich nicht auf Messen vermarkten lässt.
Die Könickes – Messeveranstalter ohne Beton
Seit nunmehr 70 Jahren bestimmt eine Familie das Messeleben in Nürnberg entscheidend mit: Die Könickes. Sie sind Messeveranstalter ohne Beton, soll heißen: ohne eigene Ausstellungshallen. Sie mieten sich vor Ort in bestehende Messezentren ein. Ihre bekannteste Schau: die Consumenta, Bayerns größte Verbrauchermesse.
"Messen und Ausstellungen, das ist wie eine Sucht. Wenn man da drin ist. Das ist wie Zirkusluft. Also entweder man geht sehr schnell oder man bleibt. Dieses unbürokratische, dieses Kennenlernen von interessanten Leuten, weil dort kommen ja auch Leute, die innovativ sind und Ideen haben. Das ist schon toll."
Hermann Könicke, Messe-Chef außer Dienst
"Vielleicht sollte man beim Senior nochmal anfangen und beim Großvater. Der Großvater war im Kaffee- und Tee-Großhandel und hatte zwei Erfindungen und die hat er auf der internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden ausgestellt. Und der junge Helmut Könicke, mein Vater, unser Vater war mit dabei, da war er sechs, sieben Jahre alt. Und das hat ihn fasziniert und nicht mehr losgelassen. Das sehe ich so als erste emotionale Zündung."
Heiko Könicke, Messe-Chef außer Dienst
Die Anfänge der AFAG
Das Messereich der Familie Könicke, die AFAG, gibt es schon seit 1948. Der Name der Firma, ausgeschrieben "Arbeitsgemeinschaft für Messen und Ausstellungen GmbH", ist wenig griffig oder werbewirksam. Er spielt aber eigentlich auch keine Rolle, denn diese Familie will Menschen und Branchen zusammenbringen, nicht selbst im Mittelpunkt stehen. Schon 1911 zeigte Hermann Könicke Senior den von ihm erfundenen Kaffeefilter auf der Hygiene-Ausstellung in Dresden.
Die jüngste Söhne-Generation übernimmt das Ruder
Sein Sohn Helmut gründete 1948 die AFAG, seine Söhne Heiko und Hermann übernahmen den Messeveranstalter nach seinem Tod Mitte der 1980er Jahre. Und jetzt wieder ein Generationswechsel: 2017 erfolgt die Übergabe an ihre Söhne Thilo und Henning. Heiko und Hermann Könicke sind jetzt zwar eigentlich im Ruhestand, können aber weder ohne Einander, noch ohne ihr Geschäft.
Die goldene Messezeit
Hermann und Heiko Könicke erlebten sie noch mit: die goldene Messezeit, vor dem Siegeszug des Internets. Die Verbrauchermesse Consumenta, die anfangs noch "Einkaufstasche" hieß, glich in den 70er und 80er Jahren einem Volksfest. Deutschland frönte dem Konsum und die Familie Könicke stellte dafür die Spielflächen.
Thilo und Henning Könicke – von Kindesbeinen an im Messemodus
Sie sind Cousins und seit vergangenem Jahr offiziell die neuen Chefs der AFAG: Thilo und Henning Könicke. Beide bekamen die Faszination Messe schon in die Wiege gelegt.
"Ich war früher Klassensprecher. Wenn wir dann zusammenstanden und uns fragten, um Gottes Willen, wie sollen wir denn diesen Basar organisieren – dann hab ich gesagt, das ist doch ganz einfach. Wir haben eine Halle, die ist zehn Mal 20 Meter groß, macht 200 Quadratmeter."
Thilo Könicke, neuer AFAG-Messe-Chef, Sohn von Hermann Könicke
"Also ich habe schon relativ bald geahnt, dass ich hier sitzen werde. Das kam schon bald nach dem Berufswunsch Feuerwehrmann im Kindergarten. Es ging doch relativ schnell, nachdem die Zeit auf den Veranstaltungen doch sehr häufig war. Dass wir beide gemeinsam hier sitzen, das hat sich dann auch in den letzten zehn Jahren eigentlich sehr eindrücklich und auch sehr stark herauskristallisiert. Und da konnten wir dann auch noch ein bisschen uns ausprobieren, noch ein bisschen in anderen Umgebungen testen, wie das funktioniert und dann eben so durchstarten."
Henning Könicke, neuer AFAG-Messe-Chef, Sohn von Heiko Könicke
Zusammen stehen die neuen AFAG-Chefs vor der Presse, zum Beispiel bei der Vorstellung der 70. iENA im Nürnberger Messezentrum. Bei den Erfindermessen der letzten Jahrzehnte wurden schon der erste Koffer mit Rollen, das erste Tastentelefon und der erste Katalysator der Welt präsentiert. Jetzt liegt es an der neuen Generation, das Interesse für Erfindungen und Innovationen zu wecken. Dieses Jahr flitzt ein ferngesteuertes Bobby-Car mit eingebauter Kamera über die Neuheitenschau der iENA. Daneben steht ein klassischer Mülleimer, mit mobiler Müllpresse darauf.
Behutsame neue Wege gehen
Thilo und Henning Könicke gehen behutsam neue Wege, verlegen Konferenzen zeitlich früher vor den Messebeginn, damit die Presse mehr Zeit hat, darüber zu berichten. Sie stellen die neue Freizeit-Messe im Fußballstadion vor – ein Showeffekt, der für Aufmerksamkeit sorgen soll. Ganz abnabeln von der Tradition kann und will sich die dritte AFAG-Generation allerdings nicht. Das fällt an diesen Tagen auch schwer, die Vorgänger sitzen im Publikum – wie so oft. Vater Heiko schreibt eifrig mit, stellt am Ende der iENA-Pressekonferenz seinem Sohn sogar als einziger eine Publikumsfrage. Die anwesende Presse staunt und schmunzelt.
Die AFAG – unscheinbar, aber sehr erfolgreich
Der Name AFAG ist wenig glanzvoll, der Hauptsitz des Messeveranstalters ist es auch nicht. Ein unscheinbares Bürogebäude in einem Gewerbegebiet im mittelfränkischen Wendelstein, vor den Toren Nürnbergs. Die Könickes stemmen mittlerweile mit ihrem Unternehmen mehr als ein Dutzend Messen und Kongresse, nicht nur in Deutschland, auch in Shanghai, Moskau, Istanbul, Las Vegas. Messen, die am Ende große Hallen füllen – aber zunächst hier in kleinen Büros, am Computer, Telefon und Flip-Charts entstehen.
Zur Familie gehört bei der AFAG nicht nur, wer den Namen Könicke trägt, sondern alle 65 Mitarbeiter, sagt Thilo Könicke. Das klingt ein bisschen wie Schöne-Welt-PR, ist in dieser Branche aber eigentlich unausweichlich. Was nicht auf Zuruf funktioniert, bringt Probleme. Gemeinschaft ist wichtig.
Blättern im "Messe-Familienalbum"
Heiko und Hermann Könicke, die beiden Senioren der Messefamilie, blättern in einem silbernen Jubiläumsprospekt. Den hatten sie ihrem Vater damals zum 65. Geburtstag geschenkt. Messe-Geschichte, die aber vor allem genau das ist: Geschichte. Denn die Branche interessiert sich wenig für Tradition. Wer sich nicht erneuert, der ist nicht mehr relevant. Das hat auch die Consumenta zu spüren bekommen. Nach einem deutlichen Besucherrückgang hat man die Messe neu ausgerichtet, neue Akzente auf Heimat und Regionalität gesetzt. Mit Erfolg: Die Verbraucherschau zieht wieder Besucher an.
70 Jahre AFAG – das Jubiläum wird nur verhalten gefeiert
"Unter uns. Es ist nicht ungefährlich, ein Jubiläum dauernd zu feiern. In unseren Märkten heute und in unserer Branche gilt so ein alter Betrieb, alter in Anführungszeichen, ja man nimmt es wahr. Man nimmt es auch durchaus positiv wahr. Aber die Leute wollen was Neues, was Frisches. Und das müssen wir bieten. Trotz dieses großartigen Jubiläums. Die erste Frage ist von der Presse: was haben Sie Neues. Und genauso ist der Verbraucher, der sagt: Was bieten die Neues. Das heißt, wir müssen bei jeder Veranstaltung mal einen alten Zopf abschneiden."
Heiko und Hermann Könicke, Messe-Chefs außer Dienst
Dafür ist jetzt die dritte Generation verantwortlich. An Gestaltungsmöglichkeiten wird es auch Thilo und Henning Könicke nicht mangeln. Die Messe, dieser ganz spezielle Mikrokosmos, lebt weiter – auch im Wettbewerb mit dem Internet.
"Eine Messe ist ein Live-Medium und das ist wichtig, dass man sich das immer wieder klarmacht. Die Haptik ist wirklich entscheidend. Und auch dort sieht man: Produkte, die im Internet vergleichbar sind, die verschwinden auch langsam von Messen. Also ein reines Produkt anschauen, kaufen will ich nicht. Sondern genau dieses Sehen, Schmecken, Hören, Riechen. Mensch, der macht besonders gute Wurst. Die probiere ich einfach mal. Da ist ein Winzer, da kann ich wirklich live probieren und bestelle nicht nur, weil mir eine fünf Sterne Bewertungen im Internet verrät, der ist jetzt gut."
Thilo Könicke, neuer AFAG-Messe-Chef
Messe ist und war in Nürnberg immer. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass es in Nürnberg eben keines Hinweisschildes am Hauptbahnhof bedarf: Nürnberg ist Messestadt. Die Familie Könicke hat mit der AFAG über Jahrzehnte mit viel Leidenschaft dazu beigetragen.