Erni Singerl Erinnerung an eine große Komödiantin
Sie zählte zu den bekanntesten Volksschauspielerinnen und war über 60 Jahre eng mit dem Bayerischen Rundfunk verbunden. Erni Singerl spielte mit den ganz Großen ihrer Zeit und das Publikum liebte und feierte sie.
Den Wunsch, Schauspielerin zu werden, fasst Erni Singerl nach einem Auftritt im Schwabinger Krankenhaus in München. Neun Jahre ist sie alt, heißt damals noch Ernestine Kremmel und feiert großen Erfolg als Weihnachtsengerl. Ihr Publikum ist zu Tränen gerührt, wird berichtet. Von da an ist ihr Entschluss gefasst, sie will Schauspielerin werden.
Angespornt von ihrem Erfolg und der Entschlossenheit einer begeisterten und regelmäßigen Kinderfunk-Hörerin zieht sie mit ihrer Ziehharmonika los zum Münchner Funkhaus. In der Musikredaktion findet die Zehnjährige Gehör und Gefallen und darf vorsingen. Ihre Darbietung "Der Hansl am Bach hat lauter guats Sach'" kommt sehr gut an und einer Karriere im Kinderfunk steht nichts mehr im Wege.
Harte Arbeit für leichte Unterhaltung
Das Schauspielerische und die Singerei liegen eigentlich so gar nicht in der Familie Kremmel. Erni wächst in München-Schwabing auf. Ihr Vater ist Lokführer und hat für seine Tochter eine eher solide Ausbildung auf der Handelsschule als Näherin im Sinn, welche die Tochter dann auch besucht. Mit 16 Jahren entdeckt sie eine Annonce in der Zeitung. Die berühmte Volksbühne "Das Theater am Platzl" sucht Nachwuchskünstler für Tanz, Gesang und allerlei künstlerische Darbietungen. Sie bewirbt sich und überzeugt Direktor Ferdinand Weisheitinger, damals besser bekannt als populärer Münchner Volkssänger Weiß Ferdl. Er wird ihr Lehrer, Förderer und ihr großes Vorbild. Nur der Name gefällt dem Chef überhaupt nicht. Das sei ja wohl kein geeigneter Künstlername und so entscheidet er, dass sich Ernestine Kremmel fortan Kramer Resi nennt. Diesen Namen behält die Schauspielerin bis sie im Krieg einen Bahnangestellten namens Singerl heiratet.
Im "Platzl" feiert Erni Singerl große Erfolge. Sie spielt Theater, tanzt und singt. Allerdings wird durch den anhaltenden Krieg das Theaterspielen immer schwieriger und ist bald schon gar nicht mehr möglich. Erni Singerl bringt sich und ihre Tochter Helga mit Näharbeiten durch die schwere Zeit. In den Nachkriegsjahren kann Singerl endlich wieder auf die Bühne. Auch im Radio feiert sie Erfolge mit Sendungen wie "Weißblaue Drehorgel" (ab 1952) und "Glücksradl" (ab 1963). In den 50er Jahren erhält sie auch Film-Angebote, bis 1959 der große Durchbruch kommt: der Komödienstadel im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks.
Die Kunst der Pointe
Über vier Jahrzehnte mimt die Vollblutkomödiantin auf der Stadel-Bühne die unterschiedlichsten Frauencharaktere: am liebsten "einfache Frauen, die’s Herz am rechten Fleck ham", wie sie in einem Interview erzählt, aber auch resolute mit losem Mundwerk. Einzigartig ist ihre Mimik, das legendäre Singerl-G’schau eben, mit dem sie minutenlang eine Szene bestreiten kann. Genauso unverwechselbar ist ihre Stimme. Singerls absoluter Erfolgsgarant aber ist ihr Humor, ihre Art, Pointen zielgenau zu setzen. So beschreibt sie sich selbst in Interviews als "alte Pointenbestie".
"Erni Singerl ist von einer traumwandlerischen Pointensicherheit. Sie kann ein Telefonbuch vorlesen, dann lachen die Leut auch an der Stelle, wo sie möchte, dass sie lachen. Und das beherrschen nur ganz wenige."
Schauspielkollegin Marianne Lindner im Buch 'Bayerische Volksschauspieler' von Sybille Krafft
Auftreten und Spielen als Lebensmotor
Über 60 Jahre spielt Erni Singerl auf der Bühne und vor der Kamera. Mehrfach wird sie für ihr Können ausgezeichnet. Neben dem Komödienstadel wirkt Singerl auch in zahlreichen Filmen und Serien mit. Unvergessen ist sie als Haushälterin Irmgard in der Serie Monaco Franze. "Helmut Dietl hat mir die Rolle auf den Leib geschrieben und man konnte jeden Satz so sagen, wie er ihn geschrieben hat", erzählt Singerl der Autorin Sybille Krafft in einem Interview. Auch Franz Xaver Bogner versteht es, ihren Rollentext so zu schreiben, wie sie ihn sprechen würde. Für ihn steht sie in der Serie "Kir Royal" vor der Kamera als Mutter von Klatschreporter Baby Schimmerlos. Für Erni Singerl ist die Rollensprache sehr wichtig. "Ich muss reden, wie ich red‘, nur dann glauben mir die Leut‘ auch, was ich sag‘", bringt sie es 1997 in einem Interview mit der Abendzeitung auf den Punkt.
Es gibt während ihres Schaffens kaum eine Serie im Bayerischen und Deutschen Fernsehen, in dem die Singerl nicht mitspielt. Natürlich ist sie im Pumuckl dabei, in der Polizeiinspektion 1, im Königlich Bayerischen Amtsgericht, im Cafe Meineid und im Tatort, um nur ein paar zu nennen, nebenbei hat sie zahlreiche Auftritte im Hörfunk, spielt Theater und wirkt in zahlreichen Filmen mit.
Mitunter wird die Volksschauspielerin auch als "bayerische Heidi Kabel" bezeichnet. Mit ihrem norddeutschen Pendant steht sie auch tatsächlich 1990 in der ARD-Serie "Heidi und Erni" zusammen vor der Kamera.
"Lachen ist mein Leben"
Erni Singerl hat mit unzähligen Schauspielerinnen und Schauspielern zusammengearbeitet, so auch mit Liesl Karlstadt. Nicht aber mit Karl Valentin. Der soll nämlich bei einem Treffen zu ihr gesagt haben: "So, Schauspielerin willst Du werden? Ja, schön bist grad net, aber komisch kannst wern", erinnert sie sich in einem Interview mit Sybille Krafft ("Bayerische Volksschauspieler").
Wegen ihrer urkomischen Art wird Erni Singerl vorwiegend für Rollen gebucht, die dieses Talent auch zur Geltung bringen. Trotz vereinzelter gefeierter Ausflüge ins Charakterfach am Theater definiert sie ihre Grenzen: "Es muss eine Figur sein, die ich wirklich darstellen kann und die ich bin. Die Leute sind mich gewohnt in meiner heiteren Art, in meiner natürlichen Art. So eine Figur muss es sein. Ich möchte nicht etwas anderes spielen, zum Beispiel einen Klassiker. Das wollen die Leute von mir nicht sehen", erzählt sie in einem Interview im Münchner Merkur 1999.
"Für mich bedeutet Volksschauspieler, dass ich fürs Volk da bin, für mein Publikum. Eigentlich sollte es ein Ehrentitel sein."
Erni Singerl im Münchner Merkur am 28. Januar 1999
Bis zum Schluss auf der Bühne
Privaten Schicksalsschlägen – so ist die Schauspielerin zweimal verwitwet - begegnet die kleine, nur rund ein Meter vierundfünfzig große Frau fast schon resolut: "Ich bin ein lebensfroher Mensch. Ich nehme alles so, wie es auf mich zukommt und schaue, wie ich damit fertig werde", erzählt sie Der Welt 2001.
Erni Singerl ist Bayerin durch und durch. Sie liebt München und ihre bayerische Heimat, nichts zieht sie in die weite Welt. Und bis ins hohe Alter steht sie auf der Bühne. Zuletzt mit über 80 Jahren Jahren, tangotanzend und singend in der Kleinen Komödie am Max-II-Denkmal in dem Stück "Erni greift an".
Am 30. Juli 2005 fällt der letzte Vorhang auf ihrer Lebensbühne, Erni Singerl stirbt an den Folgen einer Krebserkrankung.