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Friedhofs-Ordnung muss sein Was sich auf bayerischen Begräbnisstätten gehört

Friedhöfe sind gerade in der Stadt oft grüne Oasen. Sehr zur Freude von Spaziergängern und Joggern. Doch ziemt sich das auf einem Friedhof? Was auf Begräbnisstätten erlaubt ist und was nicht, das regeln in Bayern eine ganze Reihe von Vorschriften.

Von: Thibaud Schremser

Stand: 17.11.2017 | Archiv

Man kann auf Friedhöfen wunderbar spazieren gehen, herrlich joggen und in aller Ruhe zu sich kommen. Fehlt nur noch, dass jemand die Picknickdecke auspackt und den Sonntagnachmittag mit Grill und Familie zwischen den Gräbern verbringt. Denn vergessen wir auf unseren Streifzügen durch Friedhöfe nicht manchmal, dass sie ursprünglich keine Orte sind, an denen Lebendige zur Ruhe kommen sollen, sondern Orte der ewigen Ruhe?

Fast alles ist reglementiert

Dabei gibt es eigentlich schon eine ganze Reihe von Vorschriften, die regeln, was auf dem Friedhof erlaubt ist und was nicht: die Bayerische Verfassung, das Gesetz, die kommunale Friedhofsordnung. Die Vorschriften reglementieren die Bepflanzung, untersagen sportliche Aktivitäten und auf einigen Friedhöfen verbieten sie sogar das Spazierengehen. Ob das wirklich die Totenruhe stört?

Ausgewählte bayerische Friedhofs-Vorschriften

"Es besteht weder ein Anspruch auf eine Grabstätte in einer bestimmten Lage und einem bestimmten Friedhof noch auf die Unveränderlichkeit der Umgebung einer Grabstätte." Bestattung- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg, Paragraph 13, Absatz 3

"Kunststoffe und sonstige nicht verrottbare Werkstoffe dürfen nicht verwendet werden. Für den Grabschmuck auf Erdgräbern sind Grabvasen und Markierungszeichen für Grabpflegedienste zugelassen." Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Fürth, Paragraph 7, Absatz 1

"Friedhöfe sind öffentliche Einrichtungen, die den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet sind." Bayerisches Bestattungsgesetz, Artikel 8, Absatz 1

"Der Grabnutzungsberechtigte ist verpflichtet, Grabmale so zu erhalten und zu pflegen, dass die Würde des Friedhofes gewahrt bleibt und Dritte durch den Zustand der Grabmale weder belästigt noch gefährdet werden können; hierbei ist Rücksicht auf charakteristische Gräberfelder und geschichtlich oder künstlerisch bedeutsame Grabmale zu nehmen." Bestattung- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg, Paragraph 28, Absatz 4

"Die Gräber sind von den Grabberechtigten spätestens vier Monate nach der Bestattung würdig herzurichten, zu bepflanzen und während der gesamten Laufzeit des Grabrechtes zu pflegen. (…) Geräte zur Grabpflege und leere Gefäße jeder Art dürfen an Gräbern oder in deren Nähe nicht aufbewahrt werden. Sie können von der Friedhofsverwaltung entfernt werden." Satzung für den St. Johannis- und St. Rochusfriedhof in Nürnberg, Paragraph 17, Absatz 1

"Wir haben hier auf dem Friedhof 10.000 Gräber. Jeder erhält eine Satzung, in der drinsteht, wie groß die Bepflanzung sein darf. Die Menschen halten sich nicht dran. Wir schreiben natürlich an, aber wir können nur n gewissen Teil schaffen, dass wir die Menschen erreichen."

"Die Gemeinden haben dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Über die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften haben diese selbst zu bestimmen." Verfassung des Freistaats Bayern, Artikel 149, Absatz 1

"Der Antrag auf Genehmigung einer Beisetzung außerhalb von Friedhöfen (…) ist bei der Behörde, in deren Bereich der Bestattungsplatz liegt, schriftlich einzureichen." Bayerische Bestattungsverordnung, Paragraph 33, Satz 1

"Grabrechte werden für Erwachsenengräber auf die Dauer von 10 Jahren oder 20 Jahren verliehen oder verlängert, längere Grabrechtszeiten müssen vom Vorstand der Friedhofsverwaltung beschlossen werden." Satzung für den St. Johannis- und St. Rochusfriedhof in Nürnberg, Paragraph 8, Absatz 2

"Friedhöfe, Friedhofsteile und einzelne Grabstätten können im öffentlichen Interesse geschlossen oder entwidmet werden. Durch die Schließung wird die Möglichkeit weiterer Beisetzungen ausgeschlossen, durch die Entwidmung verliert der Friedhof seine Eigenschaft als öffentliche Bestattungseinrichtung." Satzung über die Bestattungseinrichtungen der Landeshauptstadt München, Paragraph 4

"Jeder hat sich auf den Friedhöfen so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Insbesondere ist es nicht gestattet,
a) den Friedhof, seine Einrichtungen und Anlagen zu verunreinigen oder zu beschädigen;
b) der Örtlichkeit nicht entsprechende Gefäße (z. B. Konservendosen, Einmachgläser, Flaschen, Blumenkisten) innerhalb des Friedhofs zu hinterstellen;
c) batteriebetriebene Grablichter zu verwenden; (…)
j) in Friedhöfen zu joggen oder Nordic Walking zu betreiben, ausgenommen Alter Nördlicher Friedhof und Alter Südlicher Friedhof." Satzung über die Bestattungseinrichtungen der Landeshauptstadt München, Paragraph 6

"Lichtbild- und Filmaufnahmen von Trauerfeiern, Leichenzügen, Gedenkfeiern und ähnlichen Veranstaltungen durch Dritte bedürfen der Einwilligung der Stadt. Diese wird erteilt, wenn der/die Auftraggeber/in einverstanden ist." Satzung über die Bestattungseinrichtungen der Landeshauptstadt München, Paragraph 10, Absatz 2

"Gegenstände, die zur Schmückung der Leichen dienten, und Blumen, die in den Sarg gelegt wurden, sind in diesen mit einzuschließen." Bestattung- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg, Paragraph 8, Absatz 1

"Hat der/die Verstorbene keine schriftliche Bestimmung zur Ausübung der Totenfürsorge getroffen, oder wird eine Bestimmung von der/dem Berechtigten nicht wahrgenommen, können Auftraggeber/innen in folgender Reihenfolge sein:
a) der Ehegatte, die Ehegattin, der eingetragene Lebenspartner, die eingetragene Lebenspartnerin,
b) die Kinder und Adoptivkinder,
c) die Eltern; bei Adoption jedoch Adoptiveltern vor den Eltern;
d) die Großeltern;" Satzung über die Bestattungseinrichtungen der Landeshauptstadt München, Paragraph 8, Absatz 3

"Eine Leiche darf erst dann zur Erde bestattet werden, wenn
1. der Arzt die Todesbescheinigung ausgestellt hat und
2. der Standesbeamte auf der Todesbescheinigung und dem nicht vertraulichen Teil die Beurkundung des Sterbefalls oder die Zurückstellung der Beurkundung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 PStV vermerkt hat." Bayerische Bestattungsverordnung, Paragraph 16, Absatz 1

"Friedhöfe sind Orte der letzten Ruhe, Orte des Abschieds, der Stille und des Hinübergleitens in eine andere Welt. Friedhofskultur hilft den Hinterbliebenen bei der Bewältigung ihrer Trauer und beim Gedenken an die Toten. Der Friedhof bietet Menschen Hilfe und Trost. Für das kulturhistorische Erbe und die Stadtgeschichte sind Friedhöfe wichtige Zeitzeugen. Die nachfolgenden Bestimmungen der Satzung dienen dazu, die Friedhöfe zukunftsorientiert zu führen, sie aber auch als Orte des Gedenkens in ihrer traditionellen Form zu erhalten." Bestattung- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg, Paragraph 1, Absatz 1

Spagat zwischen Vorschriften und dem Bedürfnis zu trauern

Wer mit Elfi Heider über den St. Johannisfriedhof in Nürnberg geht, merkt aber schnell, dass die Friedhofs-Ordnung vor allem auf dem Papier existiert. Die Leiterin der Friedhofsverwaltung langt immer wieder hin, verrückt da eine Pflanzschale, entsorgt dort einige ausgebrannte Grablichter und lässt hier einen klaren Verstoß gegen die Friedhofssatzung – stehen.

"Wissen Sie, wir müssen hier immer den Spagat machen zwischen unseren Vorschriften, die alle ihren Sinn und ihren Zweck haben, und dem Bedürfnis der Menschen, zu trauern. Trauer hat oft ganz vielfältige Ausdrucksformen und deswegen lasse ich das auch geschehen."

Elfi Heider, Leiterin Friedhofsverwaltung des St. Johannisfriedhofs in Nürnberg

Andere Gräber, andere Regeln

Aber es gibt auch die vorbildlichen Gräber. Der Nürnberger St. Johannisfriedhof ist 500 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz. Die Vorschriften dienen dazu, den Charakter der Begräbnisstätte zu erhalten. Aber nicht nur: Mit ihnen soll auch sichergestellt werden, dass der Friedhof immer noch als Friedhof genutzt werden kann.

Das Besondere auf diesem Friedhof: Je nachdem, wo sich ein Grab befindet, gelten andere Regeln. Im neueren Teil, in dem sich üppig bepflanzten Gräber befinden, ist der Gestaltungsspielraum größer. 80 Zentimeter auf zwei Meter zum Gärtnern. Im historischen Friedhofsteil gibt es nur massive Liegesteine, die das gesamte Grab bedecken. Pflanzen sind zwar dort auch möglich, aber nur in Schalen, die auf dem Stein stehen. Auf dem Stein, nicht auf den teils historischen Epitaphen, denn denen schadet Feuchtigkeit.

"Das Betätigungsfeld der Trauernden ist eingeschränkt. Ich stelle fest, dass Menschen, die trauern, gern was am Grab tun. Die pflanzen gern, die harken, sind einfach am Anfang ganz häufig am Grab und sind dann unglücklich, wenn sie das Grab nicht so gestalten können, wie's ihnen ein Bedürfnis ist. Die Menschen sind dann hinterher entsetzt, dass die Betätigungsmöglichkeiten eingeschränkt sind."

Elfi Heider, Leiterin Friedhofsverwaltung des St. Johannisfriedhofs in Nürnberg

Nürnbergs meistbesuchter Toter

Das Grab von Albrecht Dürer

Und Elfi Heider räumt dann auf. Auch das Grab von Albrecht Dürer. Die zwei Rosenzweige, die rechts und links der Teelichter auf dem Stein liegen, belässt sie dort. Ist Rosen ablegen etwa erlaubt?

"Ja. Nein. Natürlich ist es nicht ok, aber ja, es kommen Leute her, wollen ihre Ehrerbietung zeigen dem Albrecht Dürer gegenüber, legen eine Rose ab. Das nächste Mal, wenn der Gärtner vorbeikommt, nimmt er sie dann halt mit, wenn sie verwelkt sind."

Elfi Heider, Leiterin Friedhofsverwaltung des St. Johannisfriedhofs in Nürnberg

Das Dürer-Grab ist die Attraktion des Friedhofs. Wahrscheinlich ist er der meistbesuchte Tote Nürnbergs.

"Das Scheußlichste, was ich bisher erlebt habe: Da kam eine Segway-Tour. Die haben dann ihre Segways vor der Tür abgestellt, der 'Führer' kam mit kurzer Radlerhose in den Friedhof rein, hat gesagt: 'Also da hinten bei dem Baum ist das Dürer-Grab. Schauen Sie sich das an und dann kommen sie wieder.' Ich denke, in der Kirche fällt's leichter, ein gewisses Verhalten einzufordern, weil der Raum einfach eine gewisse Stille birgt. Hier ist es so, dass draußen der Straßenlärm ist, die Straßenbahn fährt vorbei, aber an sich ist es schon auch ein besinnlicher Ort und ich hab schon von Leuten gehört, die hier ihre Gräber in der Nähe vom Albrecht Dürer haben und die haben gesagt, sie würden sich das nicht mehr raussuchen, weil sie immer angesprochen werden, wo denn der Dürer liegt und sie fühlen sich eigentlich gestört."

Elfi Heider, Leiterin Friedhofsverwaltung des St. Johannisfriedhofs in Nürnberg

Epitaphien auf Nürnbergs Friedhöfen

Jedes Werk ist ein Unikat: Epitaphien sind künstlerisch gestaltete Bronzeinschriften auf historischen Grabplatten. Sie sind zum Teil 500 Jahre alt und Audruck einer besonderen Bestattungskultur. Auf den Nürnberger Friedhöfen Sankt Rochus und Sankt Johannis sind mehrere Tausend von ihnen erhalten. Wer auf seinem Grab auch ein neues Epitaph anbringen möchte, muss sich zuerst eine Genehmigung des Epitaphien-Gremiums einholen.

Auf dem Friedhof joggen – das ist ok …

Auf dem Alten nördlichen Friedhof in Nürnberg dreht Christian gerade eine Joggingrunde.

"Ich komme zwei, dreimal die Woche, um 20 Minuten oder eine halbe Stunde lang hier zu joggen. Ich mag den Platz einfach gerne, also ich komme nicht nur zum Joggen hierher, sondern auch so mal an Sommertagen, um auf einer Bank zu lesen."

Christian

Um die Gräber herum zu joggen, das findet Christian okay. Auch Robert Dreher hat nichts dagegen. Dreher arbeitet für die Städtischen Friedhofe München.

"Wir freuen uns ja generell, wenn die Friedhöfe auch belebt sind und wenn die Menschen in die Friedhöfe kommen – auch wenn sie zu einem ganz anderen Zweck reinkommen. Es ist einfach die Umgebung hier mit den Grabsteinen, dass man sich vielleicht auch mit dem Thema Friedhof ein bisschen beschäftigt und auch die schöne Seite der Friedhöfe hier einfach erkennt und genießt."

Robert Dreher

Alter nördlicher Friedhof heißt diese Friedhof, weil hier seit 1939 niemand mehr beerdigt worden ist. Knapp 700 Grabsteine sind erhalten, für 10.000 Gräber hat der Friedhof eigentlich Platz. Das bedeutet: Viel freie Grünfläche auf den Grabfeldern.

… zwischen den Gräbern Ball spielen – das geht nicht

"Es gibt nicht so starre Vorschriften, was erlaubt ist und was nicht. Es kommt immer ein bisschen auf das 'Wie' an. Also Grillen geht definitiv nicht. Da hört's auf, wenn Leute hier Bierbänke aufstellen würden und grillen, also das wäre definitiv nicht mehr möglich. Wenn hier jemand still auf der Bank sitzt und hier vielleicht seine Mittagspause verbringt und hier sein Brot isst, wird niemand was sagen. Also Kindergeburtstage gab's hier auch schon, schon öfters, also das ist eine Grenze. Also ich sag mal generell, was man sehr oft hier im Friedhof sieht: Dass hier Kinder im Friedhof sind, kleine Kinder mit den Eltern. Es ist halt einfach ein sicherer und schöner Ort, wo man das machen kann. Aber es hört natürlich auf, wenn man ein Event draus macht. Also dass man hier zwischen den Grabsteinen Ball spielt oder sowas, das wär definitiv zu viel, des geht nicht. Also zu beachten, dass es einfach ein Friedhof ist, dass hier wirklich Verstorbene liegen, dass es sowas gibt wie eine Würde des Ortes und auch die Störung der Totenruhe. Wenn man das im Hinterkopf hat, glaub ich, dass man selbst erkennen kann, was hier geht und was nicht."

Robert Dreher

Vogelstimmenspaziergang über den Friedhof

Ortswechsel: Reinhard Scheuerlein, der erste Vorsitzende des Bund Naturschutz Fürth-Stadt ist auf Vogelsuche am Fürther Friedhof. Der Friedhof bietet sich an, um mitten in der Stadt Vögel zu beobachten: viele Bäume, freie Grünflächen, die nicht intensiv gepflegt, sondern nur grob gemäht werden. Und weniger Straßenlärm. Die Vögel sind leichter hörbar. Ein unkomplizierter Veranstaltungsort für den Bund Naturschutz.

"Wir machen einmal im Jahr eine Vogelstimmenwanderung, oder einen Vogelstimmenspaziergang. Wir haben das in den letzten Jahren immer wieder auf dem Friedhof gemacht. Das liegt natürlich daran, dass hier eine große Anzahl verschiedener Vogelarten vorhanden ist. Wir treffen uns am Eingang des Friedhofs und dann versuchen wir gleich mal zu lauschen und entweder ich weise dann die Teilnehmer darauf hin oder sie stellen selber Fragen oder beobachten auch Vögel."

Reinhard Scheuerlein, Erster Vorsitzender des Bund Naturschutz Fürth-Stadt

Bisher hat sich der Bund Naturschutz nicht mit der Friedhofsverwaltung abgestimmt, erzählt Reinhard Scheuerlein

"Weil wir der Meinung waren, dass es sich um eine absolut unproblematische Veranstaltung handelt. Es hat sich niemand beschwert und ich glaube auch, dass es da keinen Anlass für irgendwelchen Unmut gibt. Wir verhalten uns natürlich ruhig und angemessen hier auf dem Friedhof. Ich denke mal, unser Vogelstimmenspaziergang ist einem Friedhof sehr angemessen."

Reinhard Scheuerlein, Erster Vorsitzender des Bund Naturschutz Fürth-Stadt

Autor: Thibaud Schremser

Zeit für Bayern-Autor Thibaud Schremser ist auf verschiedenen Friedhöfen in Bayern unterwegs und fragt sich und andere, was sich an diesen besonderen Orten ziemt und was nicht.


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