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Ganz oben Eine Nacht auf einem Hochsitz

Wie ist es, eine Nacht auf einem Hochsitz zu verbringen? Schöner als im eigenen Bett? Beängstigend? Romantisch? Anders, ganz bestimmt. Unser Autor Tobias Föhrenbach hat es ausprobiert – und dabei jede Menge neue Erfahrungen gemacht.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 19.06.2019 | Archiv

Ganz oben: Eine Nacht auf einem Hochsitz

Es ist mitten unter der Woche, 19.15 Uhr. Ich habe eben mein Auto auf einem Wanderparkplatz bei Atzelsberg in der Nähe von Erlangen abgestellt und laufe jetzt hier am Waldrand entlang. Es sind noch gut 1,5 Kilometer bis zu dem Jägerhochsitz, auf dem ich diese Nacht verbringen möchte. Welcher Hochsitz es werden sollte, habe ich vorher mit dem zuständigen Förster abgesprochen und ich habe mir das Ganze bereits zeigen lassen – von Jäger Christoph Kintopp. Er hat mir verraten, welche Tiere dort unterwegs sein können.

"Erstmal Rehwild, dann wechselnd vielleicht Wildschweine. Füchse, Marder, brütende Vögel, Schlangen, Mäuse. Die machen dann auch im Wald ganz schön Rabatz, weil die Blätter ja immer rascheln, wenn sich etwas bewegt."

Christoph Kintopp, Jäger

Fünf Meter nach oben klettern

Hah! Hier ist das gute Stücke. Wenn ich da nach oben schaue, muss ich sagen: Ja, das ist schon recht ordentlich, ich bin nicht ganz schwindelfrei. Ich würde mal tippen, dass es circa 4,5 bis 5 Meter nach oben geht. Ganz oben befindet sich dann die Sitzfläche. Bis dahin ist es ein Stückchen, hier sind nämlich Quer-Äste angebracht, um nach oben zu klettern. 15 Äste, über die muss ich jetzt nach oben kraxeln und dann mache ich mir es gemütlich.

Ein Aufstieg begleitet von dem Wunsch nach neuen Perspektiven

Da oben. Wie es wohl da oben so ist? Schöner? Besser? Anders, ganz bestimmt. Wie heißt es: "Oben wird entschieden, unten ausgeführt", "Oben sitzt der Erfolg", "Oben sitzt die Macht." Doch wer nach oben will, muss unten anfangen. Schritt für Schritt. Und er muss wissen, warum er nach oben will. Ein Aufstieg begleitet von dem Wunsch nach neuen Perspektiven: Mehr sehen. Da oben.

Romantik und Behaglichkeit

Oben angekommen. Der erste Eindruck: Es ist mir etwas flau im Magen, wenn ich runterschaue. Dann mache ich das doch lieber nicht so häufig, sondern schaue lieber in die Ferne. Und da kann ich richtig weit blicken. Bis zum nächsten Waldrand sind es knapp zwei Kilometer. Dazwischen Wiesen und Felder, wunderschön sieht das hier gerade aus, denn der rote Mohn glänzt in der untergehenden Abendsonne. Es hat etwas Romantisches, es hat etwas Behagliches, weil man hier so ganz versteckt unter den Baumwipfeln sitzen kann. Und hinter mir surrt es, schwirrt es und zwitschert es im dichten Erlanger Stadtwald.

Das erste Rehkitz zeigt sich

Es ist kurz nach 21.00 Uhr, soeben ist 15 Meter von mir entfernt ein Rehkitz aus dem Wald herausgetreten und hat sich ganz leise auf das Feld vor mir geschlichen, um zu grasen. Jetzt hat es mich bemerkt, wie ich in das Mikrophon spreche. Und jetzt rennt es davon und sucht Schutz im Wald.

Die Nachttiere erwachen: Immer wieder raschelt es

Ich muss schon sagen, mittlerweile fühle ich mich hier oben richtig wohl. Ich bin seit etwa drei Stunden auf diesem Hochsitz und genieße immer noch den Ausblick über die Felder. Es ist schon ziemlich dunkel geworden. Aber es gibt wahnsinnig viel zu entdecken. Ich habe bestimmt schon vier Rehe gesehen, zwei, drei Hasen, die alle wirklich in unmittelbarer Entfernung von mir gefressen haben. Und immer wieder raschelt es hinter mir im Wald. Und ich habe das Gefühl, dass so langsam die Nachttiere erwachen.

Sturzvorkehrung: mit dem Karabiner am Baum festgemacht

Mittlerweile ist es stockfinstere Nacht, es geht auf Mitternacht zu. Ich sitze seit bald vier Stunden hier auf dem Hochsitz. Und habe den Abend sehr entspannt genießen können. Um mich herum rascheln und rauschen die Blätter, was dazu führt, dass man selbst ein bisschen schummrig und schläfrig wird. Und deshalb würde ich jetzt sagen, packe ich meinen Schlafsack aus. Mal sehen, wie ich die Nacht hier oben vertrage. Gute Nacht. Übrigens, ich habe mich hier mit einem Karabiner am Baum festgemacht, falls ich heute Nacht hier runterstürzen sollte.

Nach oben kommen ist leicht, sich oben halten dagegen nicht

Eine herausragende Position. Unangreifbar, unbemerkbar. Die neue Blickrichtung ändert auch Gedanken und Gefühle. Und vieles Altbekannte, was man sieht, wird neu bewertet. Sogar das eigene Ich, denn Vorsicht: Nach oben kommen ist leicht, sich oben zu halten dagegen nicht.

"Dass diese Jägerhochsitze so hoch gebaut werden hat natürlich zum einen den Hintergrund, dass man alles gut überblicken kann. Zum anderen hat das etwas mit Sicherheitsaspekten zu tun. Wenn man den Schuss anträgt, also schießt, dann ist es wichtig, dass man einen Kugelfang hat, wenn man nicht trifft. Wenn ich gerade nach vorne schieße und nicht treffe, dann kann der Schuss sechs Kilometer weit fliegen. Das ist viel zu weit. Deshalb muss man sich immer um den Kugelfang kümmern. Wenn ich jetzt oben auf dem Hochsitz sitze und nach unten schieße, dann würde der Schuss irgendwann im Boden landen, relativ früh, weil ich ja von oben nach unten schieße."

Christoph Kintopp, Jäger

Guter und tiefer Schlaf

Guten Morgen. Die wichtigste Nachricht gleich zu Beginn: Ich bin nicht runtergefallen. Das ist doch schon mal eine erfreuliche Nachricht, mit der man in den Tag starten kann. Ein Blick auf die Uhr: Es ist viertel nach Vier. Ich habe mir eigentlich einen Wecker gestellt, um die Dämmerung nicht zu verpassen. Aber den brauchte ich gar nicht. Denn es ist hier unfassbar laut in diesem Wald. Wahnsinnig viele Vögel sind wach und es ist total idyllisch und schön, so aufzuwachen und ich habe wahnsinnig gut und tief geschlafen.

"Man entschleunigt. Man geht raus, setzt sich hin, beobachtet die Landschaft, sitzt ein, zwei Stunden auf dem Hochsitz. Man hat die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, aber eben auch noch zu jagen, so dass man sich selbstversorgen kann. Und man hat dann schon eine gewisse Naturverbundenheit dabei, weil man auch oft das Wild nur beobachtet und das ist einfach auch schön."

Christoph Kintopp, Jäger

Logenplatz bei Sonnenaufgang

Und jetzt geht hier die Sonne auf, um 5.20 Uhr. Ich habe den absoluten Logenplatz ergattert. Ich bin wohl einer der Ersten, der diese Sonnenstrahlen abbekommt – aufgrund der Höhe. Und es ist ein Farbenschauspiel sonders gleichen: Dunkelrosa, lila, blau, gelb und auch ein bisschen grün am Himmel. Gigantisch. So kann man in den Tag starten. Nur: Wo bekomme ich hier oben einen Kaffee her? Das ist nicht ganz so leicht, glaube ich.

Zufriedenheit, Seligkeit, Friedlichkeit

Jetzt wäre ich gerne Ornithologe. Etwas Größeres ist hier im Baumwipfel über mir gelandet. Hier ist also noch jemand wach geworden und angekommen, für mich heißt es jetzt aber nach dieser Nacht Abschied nehmen von meinem Hochsitz.

Autor Tobias Föhrenbach auf dem Hochsitz

Und ich muss sagen: Leider Abschied nehmen, denn ich habe die Zeit hier oben genossen, ich hatte einen tiefen, gesunden Schlaf. Jede Menge Frischluft habe ich auch abbekommen. Und vor allem bekommt man von hier oben Perspektiven und Einblicke geschenkt, die man sonst eigentlich nur selten hat. Zufriedenheit stell sich da ein, Seligkeit. Und die Friedlichkeit, die mich umgibt, hat zu mehr Ruhe und Gelassenheit geführt, mit der ich recht selten in den Tag starte. Mal sehen, wie lange sich das hält und ob ich etwas davon konservieren kann. Schön wäre es. Und jetzt mache ich mich auf den Weg nach unten.


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