Gehackt, nicht gestrichen Mit dem Hackbrett zwischen allen Stühlen
Psalter und Harfe wacht auf, heißt's im Kirchenlied. Wir nennen den Psalter bloß anders: Hackbrett nämlich. Eine kleine Reise zu den Ursprüngen eines merkwürdigen Instruments.
Spannt man eine Saite auf einen Resonanzkörper, etwa eine Holzkiste, so kann man damit die Saitenschwingung und damit den Klang der Saite verstärken. Unterteilt man die Länge der Saite mit einem Holzklötzchen, einem Steg, klingen rechts und links des Steges verschiedene Töne.
Bereits Pythagoras soll ein so aufgebautes Monochord benutzt haben, um Tonhöhen und Längenverhältnisse einer Saite zu messen und zu berechnen. Die Saiten auf solchen Instrumenten kann man durch zupfen, streichen oder eben anschlagen zum Klingen bringen. Fast 3000 Jahre ist die älteste Darstellung einer gezupften Form des Instruments alt, ein sogenanntes psaltērion. Das griechische Wort "psallo" bedeutet "zupfen". Dieser Name wurde dann für verschiedene Arten von Saiteninstrumenten verwendet und ist als deutsches Wort "Psalter" etwa in Kirchenliedern und als "Psalm" in der Bibel im Gebrauch. Und schon im Mittelalter gab es Psalter, die mit Holzstöckchen geschlagen wurden.
Wann dann statt von Psalterium von Hackbrett die Rede ist, ist unklar. Überliefert ist der unmusikalische Name "Hackbrett" erstmals in der Schweiz. In einem Züricher Ratsbuch von 1447 wird das Instrument zum ersten Mal unter dieser Bezeichnung erwähnt - wegen Beschwerden über nächtliche musikalische Ruhestörung.
"Durch das Schlagen gibt es einen stärkeren Klang als beim Zupfen. Ich nehme an, dass das der Grund ist, warum man das geschlagen hat. Es gibt eine Reihe von Abbildungen, d.h. ikonographische Quellen. Ich hab hier eine Abbildung, da spielt ein Engel dieses so genannte Dulcemelos, sieht wirklich genauso aus, es ist rechteckig, hat drei Schall-Löcher und zwei Teilungsstege, und hier kann man ganz wunderbar die Schlägelhaltung erkennen. Der hat die Schlägel so wie ich sie bei unserem Hackbrett habe: zwischen Zeige- und Mittelfinger."
Birgit Stolzenburg, München, Hackbrettvirtuosin
Im Lauf der Jahrhunderte entwickelte sich das Hackbrett weiter. Beim barocken Salterio, bei dem das griechische "Psalterion" noch im Namen erhalten ist, ist der Holzkasten flacher gestaltet und reichlich verziert, das Instrument hat mehr Saiten, das Klangideal ist eleganter - nur die Art der Tonerzeugung blieb: Ganz direkt. Keine Mechanik zwischen der Hand mit dem Schlegel und der Tonerzeugung. Charakteristisch ist der starke Nachhall des Instruments und der perkussive Anteil im Klang durch das Anschlagen. Dadurch entsteht ein freier Klang, nicht gedämpft, nicht gedeckelt, dafür rhythmisch präzise, mit schneller Ansprache wie bei einem Schlaginstrument.
Die italienische Form des Hackbretts, das Salterio hatte seine Blütezeit im Barock. Zahlreiche Kompositionen entstanden für damals bekannte Virtuosen. Noch heute berühmte Komponisten schrieben für das Salterio. Antonio Vivaldi komponierte in seiner Oper "Il Giustino" eine ganze Arie für das Hackbrett als Soloinstrument.
1705 spielte der Hackbrettvirtuose Pantaleon Hebenstreit bei König Ludwig XIV. in Paris. Gerade in der Barockzeit gab es Instrumentenbauer, die zusammen mit Virtuosen enorm große Hackbretter konstruierten. Bis zu 2,70 Meter lange Instrumente waren in Gebrauch. Deren Klangmöglichkeiten, die tiefen Töne und das Spiel mit leise - laut, mit piano - forte inspirierte Instrumentenbauer zu einem neuen Tasteninstrument. Pantaleon Hebenstreit war mit seinem Instrument ein Klangvorbild für die Entwicklung des deutschen Hammerklaviers. Er hat seine Instrumente von dem berühmten Orgelbauer Silbermann bauen lassen. Unsere Klaviere, unsere Flügel sind im Grunde nichts anderes als mechanische Hackbretter: die Tasten bewegen filzbezogene Hämmerchen, die dann auf die gespannten Saiten schlagen.
Grad in der Adventszeit hat das Hackbrett heutzutage seinen großen Auftritt - fast unverzichtbar für die besinnliche Stimmung im alpenländischen Stil. In Bayern wird das Hackbrett vor allem in der Volksmusik eingesetzt.
"Als es populär wurde, wurde es durch und mit der Volksmusik populär. Ende des 18. Jahrhunderts, da gibt es wenige Quellen über das Hackbrettspiel in Österreich und Bayern. Das war fast verschwunden. Und über die Volksmusik wurde es wieder populär."
Birgit Stolzenburg, München, Hackbrettvirtuosin
Aber: Kann man ein Instrument im internationalen Kulturbetrieb ernstnehmen, das für viele mit Dirndl und Lederhosn ähnlich eng verbunden ist wie der Maßkrug mit dem Schuhplattler? Wer heute in Bayern vom Hackbrett spricht, denkt nicht an das mittelalterliche Dulcemelos, das barocke Salterio, das Appenzeller oder Walliser Hackbrett oder das osteuropäische Cymbal. Bei uns hat sich eine Bauweise etabliert, die erst wenige Jahrzehnte alt ist: das Salzburger Hackbrett. Es ist eine Entwicklung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Volksmusiker Tobi Reiser stellte eine Besetzung ausschließlich aus Saiteninstrumenten zusammen und übertrug dem Hackbrett statt der bisher üblichen Begleitfiguren auch Melodien - die traditionelle sogenannte Stubenmusik war aus der Taufe gehoben.
"Das ist das jüngste Hackbrett aller Hackbretter. Es ist erst so in den 1930er Jahren erfunden worden von einem Volksmusikkanten, Tobi Reiser, der das Hackbrett in einem anderen Kontext einsetzen wollte, nämlich im Verbund mit Saiteninstrumenten. Tobi Reiser hat ein Instrument erfunden, das problemlos in allen Tonarten spielbar ist und das sich deshalb auch in seiner Musik, die er sich vorgestellt hat, besser einsetzen lässt. Tobi Reiser ist nur rudimentär traditionell. Das ist von der Besetzung her eine neue Idee, von der ganzen Art des Musizierens eine neue Idee, das ist eigentlich etwas neu Erfundenes."
Birgit Stolzenburg, München, Hackbrettvirtuosin
Tobi Reisers neue Idee der Kammermusik wurde als traditionelle Stubenmusik und Volksmusik allgemein anerkannt und etabliert - und mit ihr ein quasi neu erfundenes Instrument. Und auch wenn der Name "Hackbrett" es nicht vermuten lässt: Es fühlt sich wohl. Ganz besonders in Bayern.